"Ja, einstweilen. Wenn aber mein Herr angekom- men ist, dann werde ich ihn herbeisenden, und es wird sich entscheiden, wer in deinem Hause schläft. Er wird auch richten zwischen mir und diesem Diener der beiden Araber!"
Sie gingen miteinander fort. Während der Abwesen- heit des Nezanum leistete uns einer seiner Söhne Gesell- schaft, und bald wurde uns gesagt, daß der Ort, an dem wir schlafen sollten, für uns bereitet sei.
Wir wurden in ein Gemach geführt, in welchem mittels Teppichen zwei weiche Lager bereitet waren; in der Mitte desselben aber hatte man das Abendessen ser- viert. Diese Schnelligkeit und das ganze Arrangement ließen vermuten, daß der Dorfälteste nicht zu den armen Bewohnern des Ortes zählte. Sein Sohn saß bei uns, nahm aber nicht teil am Mahle; es war dies eine Re- spektserweisung, auf welche wir uns etwas einbilden konnten. Die Frau und eine Tochter des Vorstehers be- dienten uns.
Zunächst wurde uns Scherbet gereicht. Wir tranken ihn aus sehr hübschen Findschani ferfuri *), hier in Kur- distan eine sehr große Seltenheit. Dann erhielten wir Valquapamasi, Weizenbrot in Honig gebraten, wozu der dazu gebotene Findika **) allerdings nicht recht passen wollte. Nun folgte ein junger Vizihn ***) mit Reisklößen, die in feiner Brühe schwammen, dazu Bera asch +) die ihrem Namen vollständig entsprachen. Zwei kleine Braten, welche die Fortsetzung bildeten, kamen mir recht appetitlich vor. Sie waren recht schön "knusperig" gebräunt; ich hielt sie unbedingt für Tauben. Sie waren wirklich delikat,
*) Porzellanschalen.
**) Salat aus zarten Pistazienblättern.
***) Ziegen- braten + Wörtlich: Mühlsteine. Ein hohes, festes Gebäck in der runden Form der Mühlsteine.
„Ja, einſtweilen. Wenn aber mein Herr angekom- men iſt, dann werde ich ihn herbeiſenden, und es wird ſich entſcheiden, wer in deinem Hauſe ſchläft. Er wird auch richten zwiſchen mir und dieſem Diener der beiden Araber!“
Sie gingen miteinander fort. Während der Abweſen- heit des Nezanum leiſtete uns einer ſeiner Söhne Geſell- ſchaft, und bald wurde uns geſagt, daß der Ort, an dem wir ſchlafen ſollten, für uns bereitet ſei.
Wir wurden in ein Gemach geführt, in welchem mittels Teppichen zwei weiche Lager bereitet waren; in der Mitte desſelben aber hatte man das Abendeſſen ſer- viert. Dieſe Schnelligkeit und das ganze Arrangement ließen vermuten, daß der Dorfälteſte nicht zu den armen Bewohnern des Ortes zählte. Sein Sohn ſaß bei uns, nahm aber nicht teil am Mahle; es war dies eine Re- ſpektserweiſung, auf welche wir uns etwas einbilden konnten. Die Frau und eine Tochter des Vorſtehers be- dienten uns.
Zunächſt wurde uns Scherbet gereicht. Wir tranken ihn aus ſehr hübſchen Findſchani ferfuri *), hier in Kur- diſtan eine ſehr große Seltenheit. Dann erhielten wir Valquapamaſi, Weizenbrot in Honig gebraten, wozu der dazu gebotene Findika **) allerdings nicht recht paſſen wollte. Nun folgte ein junger Vizihn ***) mit Reisklößen, die in feiner Brühe ſchwammen, dazu Bera aſch †) die ihrem Namen vollſtändig entſprachen. Zwei kleine Braten, welche die Fortſetzung bildeten, kamen mir recht appetitlich vor. Sie waren recht ſchön „knuſperig“ gebräunt; ich hielt ſie unbedingt für Tauben. Sie waren wirklich delikat,
*) Porzellanſchalen.
**) Salat aus zarten Piſtazienblättern.
***) Ziegen- braten † Wörtlich: Mühlſteine. Ein hohes, feſtes Gebäck in der runden Form der Mühlſteine.
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„Ja, einſtweilen. Wenn aber mein Herr angekom-
men iſt, dann werde ich ihn herbeiſenden, und es wird
ſich entſcheiden, wer in deinem Hauſe ſchläft. Er wird
auch richten zwiſchen mir und dieſem Diener der beiden
Araber!“
Sie gingen miteinander fort. Während der Abweſen-
heit des Nezanum leiſtete uns einer ſeiner Söhne Geſell-
ſchaft, und bald wurde uns geſagt, daß der Ort, an dem
wir ſchlafen ſollten, für uns bereitet ſei.
Wir wurden in ein Gemach geführt, in welchem
mittels Teppichen zwei weiche Lager bereitet waren; in
der Mitte desſelben aber hatte man das Abendeſſen ſer-
viert. Dieſe Schnelligkeit und das ganze Arrangement
ließen vermuten, daß der Dorfälteſte nicht zu den armen
Bewohnern des Ortes zählte. Sein Sohn ſaß bei uns,
nahm aber nicht teil am Mahle; es war dies eine Re-
ſpektserweiſung, auf welche wir uns etwas einbilden
konnten. Die Frau und eine Tochter des Vorſtehers be-
dienten uns.
Zunächſt wurde uns Scherbet gereicht. Wir tranken
ihn aus ſehr hübſchen Findſchani ferfuri *), hier in Kur-
diſtan eine ſehr große Seltenheit. Dann erhielten wir
Valquapamaſi, Weizenbrot in Honig gebraten, wozu der
dazu gebotene Findika **) allerdings nicht recht paſſen wollte.
Nun folgte ein junger Vizihn ***) mit Reisklößen, die in
feiner Brühe ſchwammen, dazu Bera aſch †) die ihrem
Namen vollſtändig entſprachen. Zwei kleine Braten,
welche die Fortſetzung bildeten, kamen mir recht appetitlich
vor. Sie waren recht ſchön „knuſperig“ gebräunt; ich
hielt ſie unbedingt für Tauben. Sie waren wirklich delikat,
*) Porzellanſchalen.
**) Salat aus zarten Piſtazienblättern.
***) Ziegen-
braten † Wörtlich: Mühlſteine. Ein hohes, feſtes Gebäck in der runden Form
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/137>, abgerufen am 22.11.2024.
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