sichtlich auch in Ortschaften, die von diesen chaldäischen Christen bewohnt wurden; Grund genug, an jenen Brief zu denken, der ihre Vergangenheit am lebhaftesten illu- striert. Einst Minister und Berater von Fürsten und Khalifen, sind sie jetzt, soweit sie nicht zur heiligen christ- katholischen Kirche zurückgekehrt sind, so ohne alle innere und äußere Kraft, daß Männer wie der berüchtigte Beder Khan Bey und sein Verbündeter Abd el Summit Bey die fürchterlichsten Metzeleien unter ihnen anrichten konnten, ohne den geringsten Widerstand zu finden. Und doch hätte das schwer zugängliche Terrain, das sie bewohnen, ihnen die erfolgreichste Verteidigung an die Hand gegeben.
Wie ungleich männlicher hatten sich dagegen die Dschesidi verhalten!
Nach jener Flammennacht im Thale Idiz war Ali Bey nach Dscherraijah geritten, scheinbar nur von zehn Männern begleitet. Aber noch vor seinem Aufbruche hatte er eine hinreichende Anzahl von Kriegern in die Nähe von Bozan vorausgesandt.
Der Mutessarif war wirklich mit einer gleich großen Begleitung eingetroffen, aber Ali Bey hatte durch seine Kundschafter erfahren, daß zwischen Scio Khan und Ras ul Ain eine beträchtliche Truppenmacht zusammengezogen worden sei, um noch desselben Tages nach Scheik Adi vorzugehen. Auf diese Kunde hin hatte er den Mutessarif einfach einschließen lassen und zum Gefangenen gemacht. Um seine Freiheit wieder zu erhalten, hatte dieser sich nun gezwungen gesehen, alle hinterlistigen Pläne aufzugeben und die friedlichen Vorschläge des Bey einzugehen.
Die Folge davon war, daß das unterbrochene Fest der Dschesidi wieder aufgenommen und mit einem Jubel begangen wurde, dessen Zeuge Scheik Adi wohl noch nie gewesen war.
ſichtlich auch in Ortſchaften, die von dieſen chaldäiſchen Chriſten bewohnt wurden; Grund genug, an jenen Brief zu denken, der ihre Vergangenheit am lebhafteſten illu- ſtriert. Einſt Miniſter und Berater von Fürſten und Khalifen, ſind ſie jetzt, ſoweit ſie nicht zur heiligen chriſt- katholiſchen Kirche zurückgekehrt ſind, ſo ohne alle innere und äußere Kraft, daß Männer wie der berüchtigte Beder Khan Bey und ſein Verbündeter Abd el Summit Bey die fürchterlichſten Metzeleien unter ihnen anrichten konnten, ohne den geringſten Widerſtand zu finden. Und doch hätte das ſchwer zugängliche Terrain, das ſie bewohnen, ihnen die erfolgreichſte Verteidigung an die Hand gegeben.
Wie ungleich männlicher hatten ſich dagegen die Dſcheſidi verhalten!
Nach jener Flammennacht im Thale Idiz war Ali Bey nach Dſcherraijah geritten, ſcheinbar nur von zehn Männern begleitet. Aber noch vor ſeinem Aufbruche hatte er eine hinreichende Anzahl von Kriegern in die Nähe von Bozan vorausgeſandt.
Der Muteſſarif war wirklich mit einer gleich großen Begleitung eingetroffen, aber Ali Bey hatte durch ſeine Kundſchafter erfahren, daß zwiſchen Scio Khan und Ras ul Aïn eine beträchtliche Truppenmacht zuſammengezogen worden ſei, um noch desſelben Tages nach Scheik Adi vorzugehen. Auf dieſe Kunde hin hatte er den Muteſſarif einfach einſchließen laſſen und zum Gefangenen gemacht. Um ſeine Freiheit wieder zu erhalten, hatte dieſer ſich nun gezwungen geſehen, alle hinterliſtigen Pläne aufzugeben und die friedlichen Vorſchläge des Bey einzugehen.
Die Folge davon war, daß das unterbrochene Feſt der Dſcheſidi wieder aufgenommen und mit einem Jubel begangen wurde, deſſen Zeuge Scheik Adi wohl noch nie geweſen war.
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ſichtlich auch in Ortſchaften, die von dieſen chaldäiſchen
Chriſten bewohnt wurden; Grund genug, an jenen Brief
zu denken, der ihre Vergangenheit am lebhafteſten illu-
ſtriert. Einſt Miniſter und Berater von Fürſten und
Khalifen, ſind ſie jetzt, ſoweit ſie nicht zur heiligen chriſt-
katholiſchen Kirche zurückgekehrt ſind, ſo ohne alle innere
und äußere Kraft, daß Männer wie der berüchtigte Beder
Khan Bey und ſein Verbündeter Abd el Summit Bey die
fürchterlichſten Metzeleien unter ihnen anrichten konnten,
ohne den geringſten Widerſtand zu finden. Und doch
hätte das ſchwer zugängliche Terrain, das ſie bewohnen,
ihnen die erfolgreichſte Verteidigung an die Hand gegeben.
Wie ungleich männlicher hatten ſich dagegen die
Dſcheſidi verhalten!
Nach jener Flammennacht im Thale Idiz war Ali
Bey nach Dſcherraijah geritten, ſcheinbar nur von zehn
Männern begleitet. Aber noch vor ſeinem Aufbruche hatte
er eine hinreichende Anzahl von Kriegern in die Nähe von
Bozan vorausgeſandt.
Der Muteſſarif war wirklich mit einer gleich großen
Begleitung eingetroffen, aber Ali Bey hatte durch ſeine
Kundſchafter erfahren, daß zwiſchen Scio Khan und Ras
ul Aïn eine beträchtliche Truppenmacht zuſammengezogen
worden ſei, um noch desſelben Tages nach Scheik Adi
vorzugehen. Auf dieſe Kunde hin hatte er den Muteſſarif
einfach einſchließen laſſen und zum Gefangenen gemacht.
Um ſeine Freiheit wieder zu erhalten, hatte dieſer ſich nun
gezwungen geſehen, alle hinterliſtigen Pläne aufzugeben
und die friedlichen Vorſchläge des Bey einzugehen.
Die Folge davon war, daß das unterbrochene Feſt
der Dſcheſidi wieder aufgenommen und mit einem Jubel
begangen wurde, deſſen Zeuge Scheik Adi wohl noch nie
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/128>, abgerufen am 23.12.2024.
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