"Ich hätte ihn und den Makredsch sofort erschießen lassen und die Kanonade begonnen. In einer Stunde wären wir mit ihnen fertig gewesen."
"Nun bleibt er gefangen?"
"Ja. Er wird mit dem Makredsch bewacht."
"Und wenn sich die Seinen nicht fügen?"
"So werde ich meine Drohung wahr machen. Bleibe hier, bis ich zurückkehre, und du wirst sehen, ob mich die Türken respektieren."
Er erteilte noch einige Befehle und stieg dann nach der Batterie hinab. In der Zeit von zehn Minuten waren alle Dschesidi kampfbereit. Die Schützen lagen mit aufgenommenen Schießgewehren in ihren Verstecken, und die Artilleristen standen zum Schusse fertig bei den Ge- schützen. Ihre Verschanzung öffnete sich, um gegen zwei- hundert Dschesidi und wohl an die dreißig Maulesel durchzulassen. Diese Tiere bestanden meist aus denen, die wir mit den Kanonieren gefangen genommen hatten. Der Zug blieb in einiger Entfernung halten, während der Anführer desselben vorschritt und den Platz aufsuchte, wo sich die Offiziere der Osmanen befanden.
Ich konnte von meinem Standpunkte aus dies alles sehr genau beobachten. Es gab eine ziemlich lange Zeit der Verhandlung. Dann jedoch traten die Soldaten in Trupps zusammen, welche einer nach dem andern bis in die Nähe der Maultiere vormarschierten, um dort die Waffen abzulegen. Dies lief nun allerdings nicht ganz glatt und ruhig ab, besonders da auch sämtliche Chargen gezwungen waren, sich von Säbel und Pistole zu trennen; aber es blieb nur bei leeren Kraftworten, da die Türken wußten, daß jeder thatsächliche Widerstand mit Kartätschen gebrochen werden solle.
II. 7
„Es iſt richtig. Aber wie haſt du das erlangt?“
„Ich hätte ihn und den Makredſch ſofort erſchießen laſſen und die Kanonade begonnen. In einer Stunde wären wir mit ihnen fertig geweſen.“
„Nun bleibt er gefangen?“
„Ja. Er wird mit dem Makredſch bewacht.“
„Und wenn ſich die Seinen nicht fügen?“
„So werde ich meine Drohung wahr machen. Bleibe hier, bis ich zurückkehre, und du wirſt ſehen, ob mich die Türken reſpektieren.“
Er erteilte noch einige Befehle und ſtieg dann nach der Batterie hinab. In der Zeit von zehn Minuten waren alle Dſcheſidi kampfbereit. Die Schützen lagen mit aufgenommenen Schießgewehren in ihren Verſtecken, und die Artilleriſten ſtanden zum Schuſſe fertig bei den Ge- ſchützen. Ihre Verſchanzung öffnete ſich, um gegen zwei- hundert Dſcheſidi und wohl an die dreißig Mauleſel durchzulaſſen. Dieſe Tiere beſtanden meiſt aus denen, die wir mit den Kanonieren gefangen genommen hatten. Der Zug blieb in einiger Entfernung halten, während der Anführer desſelben vorſchritt und den Platz aufſuchte, wo ſich die Offiziere der Oſmanen befanden.
Ich konnte von meinem Standpunkte aus dies alles ſehr genau beobachten. Es gab eine ziemlich lange Zeit der Verhandlung. Dann jedoch traten die Soldaten in Trupps zuſammen, welche einer nach dem andern bis in die Nähe der Maultiere vormarſchierten, um dort die Waffen abzulegen. Dies lief nun allerdings nicht ganz glatt und ruhig ab, beſonders da auch ſämtliche Chargen gezwungen waren, ſich von Säbel und Piſtole zu trennen; aber es blieb nur bei leeren Kraftworten, da die Türken wußten, daß jeder thatſächliche Widerſtand mit Kartätſchen gebrochen werden ſolle.
II. 7
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„Es iſt richtig. Aber wie haſt du das erlangt?“
„Ich hätte ihn und den Makredſch ſofort erſchießen
laſſen und die Kanonade begonnen. In einer Stunde
wären wir mit ihnen fertig geweſen.“
„Nun bleibt er gefangen?“
„Ja. Er wird mit dem Makredſch bewacht.“
„Und wenn ſich die Seinen nicht fügen?“
„So werde ich meine Drohung wahr machen. Bleibe
hier, bis ich zurückkehre, und du wirſt ſehen, ob mich die
Türken reſpektieren.“
Er erteilte noch einige Befehle und ſtieg dann nach
der Batterie hinab. In der Zeit von zehn Minuten
waren alle Dſcheſidi kampfbereit. Die Schützen lagen mit
aufgenommenen Schießgewehren in ihren Verſtecken, und
die Artilleriſten ſtanden zum Schuſſe fertig bei den Ge-
ſchützen. Ihre Verſchanzung öffnete ſich, um gegen zwei-
hundert Dſcheſidi und wohl an die dreißig Mauleſel
durchzulaſſen. Dieſe Tiere beſtanden meiſt aus denen,
die wir mit den Kanonieren gefangen genommen hatten.
Der Zug blieb in einiger Entfernung halten, während
der Anführer desſelben vorſchritt und den Platz aufſuchte,
wo ſich die Offiziere der Oſmanen befanden.
Ich konnte von meinem Standpunkte aus dies alles
ſehr genau beobachten. Es gab eine ziemlich lange Zeit
der Verhandlung. Dann jedoch traten die Soldaten in
Trupps zuſammen, welche einer nach dem andern bis in
die Nähe der Maultiere vormarſchierten, um dort die
Waffen abzulegen. Dies lief nun allerdings nicht ganz
glatt und ruhig ab, beſonders da auch ſämtliche Chargen
gezwungen waren, ſich von Säbel und Piſtole zu trennen;
aber es blieb nur bei leeren Kraftworten, da die Türken
wußten, daß jeder thatſächliche Widerſtand mit Kartätſchen
gebrochen werden ſolle.
II. 7
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/111>, abgerufen am 23.12.2024.
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