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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Viertes Buch. Geschichte der Teutschen
gen, und ihn unter solchem Vorwande umbringen; Civilem aber schickete er ge-
fangen nach Rom zu Nerone, da er nachmahls von Galba war freygesprochen
worden, und die Erlaubniß nach Hause zu kehren erhalten hatte, aber bey Vitellio
kaum mit dem Kopffe davon gekommen war. Dergleichen Versuchungen frische-
ten ihn an alles zu versuchen, damit er ins künfftige sicher seyn möchte. Und da er so
ein trefflicher Kopff, daß ihn tacitvs dem Hannibali, und Sertorio, (denen
er sonst von Gesichte darinnen gleichete, daß er, wie sie, nur ein Auge hatte,) gleich-
sam an die Seite setzet; so kam ihm kein Unternehmen zu groß vor. Die Zerrüt-
tung des Römischen Reichs bothe ihm bald eine gute Gelegenheit dar, da er von
Antonio Primo Briefe erhielte, der ihn ersuchete, etwas in seinen Quartieren an-
zurichten, das die Legionen, so am Rheine stunden, und die Vitellius nach Jtalien
entbothen hatte, von solchem Zuge abhalten könnte, und Hordeonius Flaccus,
der für Vespasiani Partie nicht übel gesinnet war, sich selber hatte mercken
lassen, daß er gerne einen guten Fürwand, dessen entübriget zu seyn, haben möchte.
Civilis entschloß sich also seinen Abfall, Anfangs unter dem Scheine eines Eyffers
für Vespasiani Partie, zu verbergen, den ihm die Römer um so viel eher zutrauen
konnten, weil er sonst Freundschafft mit Vespasiano gepflogen3: und da die Ge-
müther, eben bey Gelegenheit der neuen Werbung, schwürig waren, lud er eine Ge-
sellschafft von den vornehmsten, und tapffersten der Nation in einen geheiligten
Wald zu einer Gasterey zusammen, und eröffnete ihnen bey der Lust, und beym
Truncke sein Vorhaben, in welches sich alle begierig mit einliessen, und sich darauf
unter einander verschworen4.

XLII. Man zog darauf die Caninefaten, so mit den Batavis gräntzeten1
Ziehet die Ca-
ninefaten an
sich.
und gegen die See zu wohneten, mit in die Partie. Dieselben warffen sofort ei-
nen, Namens Brinno, zu ihrem Haupte auf, dessen Vater bereits, unter Caii Re-
gierung, durch seine Feindseeligkeit gegen die Römer, berühmt gewesen, setzten ihn
nach ihrer Gewohnheit auf einen Schild, und rieffen ihn zum Hertzoge aus2. Brin-
no
brach zuerst los. Er zog die Friesen, so nur durch den Rheinstrom abgesondert
waren, an sich, und plünderte ein Campement von zwey Cohortibus, so in der
Nähe ihr Winter-Quartier hatten3. Die Cohortes der Römer, so in der Jn-
sel Batavien stunden, waren gar schlecht bestellet. Vitellius hatte die besten
Soldaten aussuchen, und ihre Stelle theils durch Leute aus den Teutschen Ländern,
theils durch Nervier, ersetzen lassen. Weil also ihre Obersten sich nicht zu halten
getraueten, zündeten sie die Schlösser an, und zogen sich, unter Aquilii Anfüh-
*

rung,
3 [Beginn Spaltensatz] Ipse Ciuilis ap. tacitvm Hist. L. V. c. 26.
Erga Vespasianum vetus mihi obseruantia, & cum
priuatus esset, amici uocabamur.
Sie können in
Britannien Freundschafft gestifftet haben, immassen Ve-
spanianus
unter Claudio in selbiger Jnsel gedienet,
S. oben §. XXVI. not. 1. und Civilis unter
den Batavis gewesen seyn kan, die sich in eben demsel-
ben Zuge hervor gethan.
4 idem L. IV. c. 15. Barbaro ritu, & patriis
[Spaltenumbruch] execrationibus, omnes adigit.
1 §. XLII. 1. tacitvs H. L. IV. c. 15. Ea gens
partem insulae colit, origine, lingua, uirtute, par
Batauis, numero superantur.
2 ibid. Erat in Caninefatibus, stolidae auda-
ciae Brinno, claritate natalium insigni: pater eius
multa hostilia ausus, Caiancarum expeditionum lu-
dibrium impune spreuerat. Igitur ipso rebellis sa-
miliae nomine placuit, impositusque scuto, more gen-
tis, & sustinentium humeris uibratus, Dux deligitur,

[Ende Spaltensatz]
3. idem
3
* tacitvs H. IV. 12-14.

Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
gen, und ihn unter ſolchem Vorwande umbringen; Civilem aber ſchickete er ge-
fangen nach Rom zu Nerone, da er nachmahls von Galba war freygeſprochen
worden, und die Erlaubniß nach Hauſe zu kehren erhalten hatte, aber bey Vitellio
kaum mit dem Kopffe davon gekommen war. Dergleichen Verſuchungen friſche-
ten ihn an alles zu verſuchen, damit er ins kuͤnfftige ſicher ſeyn moͤchte. Und da er ſo
ein trefflicher Kopff, daß ihn tacitvs dem Hannibali, und Sertorio, (denen
er ſonſt von Geſichte darinnen gleichete, daß er, wie ſie, nur ein Auge hatte,) gleich-
ſam an die Seite ſetzet; ſo kam ihm kein Unternehmen zu groß vor. Die Zerruͤt-
tung des Roͤmiſchen Reichs bothe ihm bald eine gute Gelegenheit dar, da er von
Antonio Primo Briefe erhielte, der ihn erſuchete, etwas in ſeinen Quartieren an-
zurichten, das die Legionen, ſo am Rheine ſtunden, und die Vitellius nach Jtalien
entbothen hatte, von ſolchem Zuge abhalten koͤnnte, und Hordeonius Flaccus,
der fuͤr Veſpaſiani Partie nicht uͤbel geſinnet war, ſich ſelber hatte mercken
laſſen, daß er gerne einen guten Fuͤrwand, deſſen entuͤbriget zu ſeyn, haben moͤchte.
Civilis entſchloß ſich alſo ſeinen Abfall, Anfangs unter dem Scheine eines Eyffers
fuͤr Veſpaſiani Partie, zu verbergen, den ihm die Roͤmer um ſo viel eher zutrauen
konnten, weil er ſonſt Freundſchafft mit Veſpaſiano gepflogen3: und da die Ge-
muͤther, eben bey Gelegenheit der neuen Werbung, ſchwuͤrig waren, lud er eine Ge-
ſellſchafft von den vornehmſten, und tapfferſten der Nation in einen geheiligten
Wald zu einer Gaſterey zuſammen, und eroͤffnete ihnen bey der Luſt, und beym
Truncke ſein Vorhaben, in welches ſich alle begierig mit einlieſſen, und ſich darauf
unter einander verſchworen4.

XLII. Man zog darauf die Caninefaten, ſo mit den Batavis graͤntzeten1
Ziehet die Ca-
ninefaten an
ſich.
und gegen die See zu wohneten, mit in die Partie. Dieſelben warffen ſofort ei-
nen, Namens Brinno, zu ihrem Haupte auf, deſſen Vater bereits, unter Caii Re-
gierung, durch ſeine Feindſeeligkeit gegen die Roͤmer, beruͤhmt geweſen, ſetzten ihn
nach ihrer Gewohnheit auf einen Schild, und rieffen ihn zum Hertzoge aus2. Brin-
no
brach zuerſt los. Er zog die Frieſen, ſo nur durch den Rheinſtrom abgeſondert
waren, an ſich, und pluͤnderte ein Campement von zwey Cohortibus, ſo in der
Naͤhe ihr Winter-Quartier hatten3. Die Cohortes der Roͤmer, ſo in der Jn-
ſel Batavien ſtunden, waren gar ſchlecht beſtellet. Vitellius hatte die beſten
Soldaten ausſuchen, und ihre Stelle theils durch Leute aus den Teutſchen Laͤndern,
theils durch Nervier, erſetzen laſſen. Weil alſo ihre Oberſten ſich nicht zu halten
getraueten, zuͤndeten ſie die Schloͤſſer an, und zogen ſich, unter Aquilii Anfuͤh-
*

rung,
3 [Beginn Spaltensatz] Ipſe Ciuilis ap. tacitvm Hiſt. L. V. c. 26.
Erga Veſpaſianum vetus mihi obſeruantia, & cum
priuatus eſſet, amici uocabamur.
Sie koͤnnen in
Britannien Freundſchafft geſtifftet haben, im̃aſſen Ve-
ſpanianus
unter Claudio in ſelbiger Jnſel gedienet,
S. oben §. XXVI. not. 1. und Civilis unter
den Batavis geweſen ſeyn kan, die ſich in eben demſel-
ben Zuge hervor gethan.
4 idem L. IV. c. 15. Barbaro ritu, & patriis
[Spaltenumbruch] execrationibus, omnes adigit.
1 §. XLII. 1. tacitvs H. L. IV. c. 15. Ea gens
partem inſulae colit, origine, lingua, uirtute, par
Batauis, numero ſuperantur.
2 ibid. Erat in Caninefatibus, ſtolidae auda-
ciae Brinno, claritate natalium inſigni: pater eius
multa hoſtilia auſus, Caiancarum expeditionum lu-
dibrium impune ſpreuerat. Igitur ipſo rebellis ſa-
miliae nomine placuit, impoſitusque ſcuto, more gen-
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3. idem
3
* tacitvs H. IV. 12-14.
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[120/0154] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen gen, und ihn unter ſolchem Vorwande umbringen; Civilem aber ſchickete er ge- fangen nach Rom zu Nerone, da er nachmahls von Galba war freygeſprochen worden, und die Erlaubniß nach Hauſe zu kehren erhalten hatte, aber bey Vitellio kaum mit dem Kopffe davon gekommen war. Dergleichen Verſuchungen friſche- ten ihn an alles zu verſuchen, damit er ins kuͤnfftige ſicher ſeyn moͤchte. Und da er ſo ein trefflicher Kopff, daß ihn tacitvs dem Hannibali, und Sertorio, (denen er ſonſt von Geſichte darinnen gleichete, daß er, wie ſie, nur ein Auge hatte,) gleich- ſam an die Seite ſetzet; ſo kam ihm kein Unternehmen zu groß vor. Die Zerruͤt- tung des Roͤmiſchen Reichs bothe ihm bald eine gute Gelegenheit dar, da er von Antonio Primo Briefe erhielte, der ihn erſuchete, etwas in ſeinen Quartieren an- zurichten, das die Legionen, ſo am Rheine ſtunden, und die Vitellius nach Jtalien entbothen hatte, von ſolchem Zuge abhalten koͤnnte, und Hordeonius Flaccus, der fuͤr Veſpaſiani Partie nicht uͤbel geſinnet war, ſich ſelber hatte mercken laſſen, daß er gerne einen guten Fuͤrwand, deſſen entuͤbriget zu ſeyn, haben moͤchte. Civilis entſchloß ſich alſo ſeinen Abfall, Anfangs unter dem Scheine eines Eyffers fuͤr Veſpaſiani Partie, zu verbergen, den ihm die Roͤmer um ſo viel eher zutrauen konnten, weil er ſonſt Freundſchafft mit Veſpaſiano gepflogen 3: und da die Ge- muͤther, eben bey Gelegenheit der neuen Werbung, ſchwuͤrig waren, lud er eine Ge- ſellſchafft von den vornehmſten, und tapfferſten der Nation in einen geheiligten Wald zu einer Gaſterey zuſammen, und eroͤffnete ihnen bey der Luſt, und beym Truncke ſein Vorhaben, in welches ſich alle begierig mit einlieſſen, und ſich darauf unter einander verſchworen 4. XLII. Man zog darauf die Caninefaten, ſo mit den Batavis graͤntzeten 1 und gegen die See zu wohneten, mit in die Partie. Dieſelben warffen ſofort ei- nen, Namens Brinno, zu ihrem Haupte auf, deſſen Vater bereits, unter Caii Re- gierung, durch ſeine Feindſeeligkeit gegen die Roͤmer, beruͤhmt geweſen, ſetzten ihn nach ihrer Gewohnheit auf einen Schild, und rieffen ihn zum Hertzoge aus 2. Brin- no brach zuerſt los. Er zog die Frieſen, ſo nur durch den Rheinſtrom abgeſondert waren, an ſich, und pluͤnderte ein Campement von zwey Cohortibus, ſo in der Naͤhe ihr Winter-Quartier hatten 3. Die Cohortes der Roͤmer, ſo in der Jn- ſel Batavien ſtunden, waren gar ſchlecht beſtellet. Vitellius hatte die beſten Soldaten ausſuchen, und ihre Stelle theils durch Leute aus den Teutſchen Laͤndern, theils durch Nervier, erſetzen laſſen. Weil alſo ihre Oberſten ſich nicht zu halten getraueten, zuͤndeten ſie die Schloͤſſer an, und zogen ſich, unter Aquilii Anfuͤh- rung, * Ziehet die Ca- ninefaten an ſich. 3 Ipſe Ciuilis ap. tacitvm Hiſt. L. V. c. 26. Erga Veſpaſianum vetus mihi obſeruantia, & cum priuatus eſſet, amici uocabamur. Sie koͤnnen in Britannien Freundſchafft geſtifftet haben, im̃aſſen Ve- ſpanianus unter Claudio in ſelbiger Jnſel gedienet, S. oben §. XXVI. not. 1. und Civilis unter den Batavis geweſen ſeyn kan, die ſich in eben demſel- ben Zuge hervor gethan. 4 idem L. IV. c. 15. Barbaro ritu, & patriis execrationibus, omnes adigit. 1 §. XLII. 1. tacitvs H. L. IV. c. 15. Ea gens partem inſulae colit, origine, lingua, uirtute, par Batauis, numero ſuperantur. 2 ibid. Erat in Caninefatibus, ſtolidae auda- ciae Brinno, claritate natalium inſigni: pater eius multa hoſtilia auſus, Caiancarum expeditionum lu- dibrium impune ſpreuerat. Igitur ipſo rebellis ſa- miliae nomine placuit, impoſitusque ſcuto, more gen- tis, & ſuſtinentium humeris uibratus, Dux deligitur, 3. idem 3 * tacitvs H. IV. 12-14.

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/154>, abgerufen am 25.11.2024.