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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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durch verbesserte Kommunikationsmittel die bessern Ländereien in
Mitbewerbung bringen, wie wir dies in grossem Maßstab bei den
Prairiestaaten in Nordamerika sehn. Auch in altcivilisirten Ländern
findet dies beständig statt, obgleich nicht in demselben Maß wie
in Kolonien, wo, wie Wakefield richtig bemerkt, die Lage ent-
scheidend ist. Also erstens die kontradiktorischen Wirkungen von
Lage und Fruchtbarkeit, und die Variabilität des Faktors der Lage,
der beständig ausgeglichen wird, beständige progressive, zur Aus-
gleichung strebende Veränderungen durchmacht, bringen ab-
wechselnd gleichgute, bessere oder schlechtere Bodenstrecken in
neue Konkurrenz mit den altbebauten.

Zweitens. Mit der Entwicklung der Naturwissenschaft und der
Agronomie ändert sich auch die Fruchtbarkeit des Bodens, indem
sich die Mittel ändern, wodurch die Elemente des Bodens sofort
verwerthbar gemacht werden können. So haben in jüngst ver-
flossner Zeit leichte Bodenarten in Frankreich und in den östlichen
Grafschaften Englands, die früher für schlecht galten, sich auf den
ersten Rang erhoben. (Siehe Passy.) Andrerseits wird Boden, der
nicht seiner chemischen Zusammensetzung wegen für schlecht galt,
sondern nur der Bebauung gewisse mechanisch-physikalische Hinder-
nisse entgegensetzte, in gutes Land verwandelt, sobald die Mittel
zur Bewältigung dieser Hindernisse entdeckt sind.

Drittens. In allen altcivilisirten Ländern haben alte historische
und traditionelle Verhältnisse, z. B. in der Form von Staatsländereien,
Gemeindeländereien etc., rein zufällig grosse Bodenstrecken der Kultur
entzogen, in die sie nur nach und nach eintreten. Die Reihenfolge,
in der sie der Bebauung unterworfen werden, hängt weder von
ihrer Bonität noch von ihrer Lage ab, sondern von ganz äusser-
lichen Umständen. Wenn man die Geschichte der englischen Ge-
meindeländereien verfolgte, wie sie nach einander durch die Enclosure
Bills in Privateigenthum verwandelt und urbar gemacht wurden,
so wäre nichts lächerlicher als die phantastische Voraussetzung, ein
moderner Agrikulturchemiker, Liebig z. B., habe die Wahl dieser
Reihenfolge geleitet, habe gewisse Felder ihrer chemischen Eigen-
schaften wegen für die Kultur bezeichnet, andre ausgeschlossen.
Was hier entschied, war vielmehr die Gelegenheit, die Diebe macht;
die mehr oder minder plausiblen juristischen Vorwände der An-
eignung, die sich den grossen Grundherrn darboten.

Viertens. Abgesehn davon, dass die jedesmal erreichte Ent-
wicklungsstufe des Bevölkerungs- und Kapitalzuwachses der Aus-
dehnung der Bodenkultur eine wenn auch elastische Schranke zieht;

durch verbesserte Kommunikationsmittel die bessern Ländereien in
Mitbewerbung bringen, wie wir dies in grossem Maßstab bei den
Prairiestaaten in Nordamerika sehn. Auch in altcivilisirten Ländern
findet dies beständig statt, obgleich nicht in demselben Maß wie
in Kolonien, wo, wie Wakefield richtig bemerkt, die Lage ent-
scheidend ist. Also erstens die kontradiktorischen Wirkungen von
Lage und Fruchtbarkeit, und die Variabilität des Faktors der Lage,
der beständig ausgeglichen wird, beständige progressive, zur Aus-
gleichung strebende Veränderungen durchmacht, bringen ab-
wechselnd gleichgute, bessere oder schlechtere Bodenstrecken in
neue Konkurrenz mit den altbebauten.

Zweitens. Mit der Entwicklung der Naturwissenschaft und der
Agronomie ändert sich auch die Fruchtbarkeit des Bodens, indem
sich die Mittel ändern, wodurch die Elemente des Bodens sofort
verwerthbar gemacht werden können. So haben in jüngst ver-
flossner Zeit leichte Bodenarten in Frankreich und in den östlichen
Grafschaften Englands, die früher für schlecht galten, sich auf den
ersten Rang erhoben. (Siehe Passy.) Andrerseits wird Boden, der
nicht seiner chemischen Zusammensetzung wegen für schlecht galt,
sondern nur der Bebauung gewisse mechanisch-physikalische Hinder-
nisse entgegensetzte, in gutes Land verwandelt, sobald die Mittel
zur Bewältigung dieser Hindernisse entdeckt sind.

Drittens. In allen altcivilisirten Ländern haben alte historische
und traditionelle Verhältnisse, z. B. in der Form von Staatsländereien,
Gemeindeländereien etc., rein zufällig grosse Bodenstrecken der Kultur
entzogen, in die sie nur nach und nach eintreten. Die Reihenfolge,
in der sie der Bebauung unterworfen werden, hängt weder von
ihrer Bonität noch von ihrer Lage ab, sondern von ganz äusser-
lichen Umständen. Wenn man die Geschichte der englischen Ge-
meindeländereien verfolgte, wie sie nach einander durch die Enclosure
Bills in Privateigenthum verwandelt und urbar gemacht wurden,
so wäre nichts lächerlicher als die phantastische Voraussetzung, ein
moderner Agrikulturchemiker, Liebig z. B., habe die Wahl dieser
Reihenfolge geleitet, habe gewisse Felder ihrer chemischen Eigen-
schaften wegen für die Kultur bezeichnet, andre ausgeschlossen.
Was hier entschied, war vielmehr die Gelegenheit, die Diebe macht;
die mehr oder minder plausiblen juristischen Vorwände der An-
eignung, die sich den grossen Grundherrn darboten.

Viertens. Abgesehn davon, dass die jedesmal erreichte Ent-
wicklungsstufe des Bevölkerungs- und Kapitalzuwachses der Aus-
dehnung der Bodenkultur eine wenn auch elastische Schranke zieht;

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[303/0312] durch verbesserte Kommunikationsmittel die bessern Ländereien in Mitbewerbung bringen, wie wir dies in grossem Maßstab bei den Prairiestaaten in Nordamerika sehn. Auch in altcivilisirten Ländern findet dies beständig statt, obgleich nicht in demselben Maß wie in Kolonien, wo, wie Wakefield richtig bemerkt, die Lage ent- scheidend ist. Also erstens die kontradiktorischen Wirkungen von Lage und Fruchtbarkeit, und die Variabilität des Faktors der Lage, der beständig ausgeglichen wird, beständige progressive, zur Aus- gleichung strebende Veränderungen durchmacht, bringen ab- wechselnd gleichgute, bessere oder schlechtere Bodenstrecken in neue Konkurrenz mit den altbebauten. Zweitens. Mit der Entwicklung der Naturwissenschaft und der Agronomie ändert sich auch die Fruchtbarkeit des Bodens, indem sich die Mittel ändern, wodurch die Elemente des Bodens sofort verwerthbar gemacht werden können. So haben in jüngst ver- flossner Zeit leichte Bodenarten in Frankreich und in den östlichen Grafschaften Englands, die früher für schlecht galten, sich auf den ersten Rang erhoben. (Siehe Passy.) Andrerseits wird Boden, der nicht seiner chemischen Zusammensetzung wegen für schlecht galt, sondern nur der Bebauung gewisse mechanisch-physikalische Hinder- nisse entgegensetzte, in gutes Land verwandelt, sobald die Mittel zur Bewältigung dieser Hindernisse entdeckt sind. Drittens. In allen altcivilisirten Ländern haben alte historische und traditionelle Verhältnisse, z. B. in der Form von Staatsländereien, Gemeindeländereien etc., rein zufällig grosse Bodenstrecken der Kultur entzogen, in die sie nur nach und nach eintreten. Die Reihenfolge, in der sie der Bebauung unterworfen werden, hängt weder von ihrer Bonität noch von ihrer Lage ab, sondern von ganz äusser- lichen Umständen. Wenn man die Geschichte der englischen Ge- meindeländereien verfolgte, wie sie nach einander durch die Enclosure Bills in Privateigenthum verwandelt und urbar gemacht wurden, so wäre nichts lächerlicher als die phantastische Voraussetzung, ein moderner Agrikulturchemiker, Liebig z. B., habe die Wahl dieser Reihenfolge geleitet, habe gewisse Felder ihrer chemischen Eigen- schaften wegen für die Kultur bezeichnet, andre ausgeschlossen. Was hier entschied, war vielmehr die Gelegenheit, die Diebe macht; die mehr oder minder plausiblen juristischen Vorwände der An- eignung, die sich den grossen Grundherrn darboten. Viertens. Abgesehn davon, dass die jedesmal erreichte Ent- wicklungsstufe des Bevölkerungs- und Kapitalzuwachses der Aus- dehnung der Bodenkultur eine wenn auch elastische Schranke zieht;

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/312>, abgerufen am 23.11.2024.