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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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Wenn wir, wie Johnston sagt (p. 223) "gewohnt sind mit diesen
neuen Staaten, von denen solche grosse Zufuhren von Weizen
jährlich nach Buffalo kommen, die Vorstellung grosser natürlicher
Fruchtbarkeit und endloser Gebiete reichen Bodens zu verknüpfen,"
so hängt dies ab zunächst von ökonomischen Zuständen. Die ganze
Bevölkerung eines solchen Landes, wie z. B. Michigan, ist anfangs
fast ausschliesslich mit der Landwirthschaft beschäftigt, und nament-
lich mit deren Massenprodukten, die allein sie gegen Industrie-
waaren und tropische Produkte austauschen kann. Ihr ganzes
überschüssiges Produkt erscheint daher in der Gestalt von Korn.
Es unterscheidet dies von vornherein die auf Grundlage des modernen
Weltmarkts gegründeten Kolonialstaaten von denen früherer und
speciell der antiken Zeit. Sie erhalten fertig, durch den Welt-
markt, Produkte, die sie unter andern Umständen selbst schaffen
müssten, Kleidung, Werkzeuge etc. Nur auf solcher Grundlage
konnten die südlichen Staaten der Union Baumwolle zu ihrem
Hauptprodukt machen. Die Theilung der Arbeit auf dem Welt-
markt erlaubt ihnen das. Wenn sie daher, ihre Neuheit und die
relativ schwache Zahl ihrer Bevölkerung betrachtet, ein sehr grosses
überschüssiges Produkt zu produciren scheinen, so ist dies nicht
der Fruchtbarkeit ihres Bodens geschuldet, auch nicht der Frucht-
barkeit ihrer Arbeit, sondern der einseitigen Form ihrer Arbeit,
und daher des überschüssigen Produkts, worin diese sich darstellt.

Ferner aber hat relativ weniger fruchtbarer Ackerboden, der
aber erst neu bebaut wird und noch durch keine Kultur beleckt
war, bei nicht durchaus ungünstigen klimatischen Verhältnissen,
wenigstens in den obern Schichten soviel leichtlösliche Pflanzen-
nährstoffe aufgehäuft, dass er für längre Zeit Ernten ohne Düngung
gibt, und zwar bei schon ganz oberflächlicher Bebauung. Bei den
westlichen Prairien kommt hinzu, dass sie kaum irgend welche Ur-
barmachungskosten erheischen, sondern die Natur sie urbar gemacht
hat.33) In minder fruchtbaren Gebieten dieser Art kommt der
Ueberschuss heraus, nicht durch die hohe Fruchtbarkeit des Bodens,

33) [Es ist grade die rasch anwachsende Bebauung solcher Prairie- oder
Steppengegenden, die neuerdings den vielberühmten Malthusschen Satz, dass
die "Bevölkerung auf die Subsistenzmittel drückt" zum Kinderspott gemacht,
und im Gegensatz dazu den Agrarierjammer erzeugt hat, wonach der Acker-
bau und mit ihm Deutschland zu Grunde geht, wenn man sich nicht die auf
die Bevölkerung drückenden Lebensmittel gewaltsam vom Halse hält. Der
Anbau dieser Steppen, Prairien, Pampas, Llanos etc. ist aber erst in den
Anfängen begriffen; seine umwälzende Wirkung auf die europäische Land-
wirthschaft wird sich also noch ganz anders fühlbar machen als bisher. -- F. E.]

Wenn wir, wie Johnston sagt (p. 223) „gewohnt sind mit diesen
neuen Staaten, von denen solche grosse Zufuhren von Weizen
jährlich nach Buffalo kommen, die Vorstellung grosser natürlicher
Fruchtbarkeit und endloser Gebiete reichen Bodens zu verknüpfen,“
so hängt dies ab zunächst von ökonomischen Zuständen. Die ganze
Bevölkerung eines solchen Landes, wie z. B. Michigan, ist anfangs
fast ausschliesslich mit der Landwirthschaft beschäftigt, und nament-
lich mit deren Massenprodukten, die allein sie gegen Industrie-
waaren und tropische Produkte austauschen kann. Ihr ganzes
überschüssiges Produkt erscheint daher in der Gestalt von Korn.
Es unterscheidet dies von vornherein die auf Grundlage des modernen
Weltmarkts gegründeten Kolonialstaaten von denen früherer und
speciell der antiken Zeit. Sie erhalten fertig, durch den Welt-
markt, Produkte, die sie unter andern Umständen selbst schaffen
müssten, Kleidung, Werkzeuge etc. Nur auf solcher Grundlage
konnten die südlichen Staaten der Union Baumwolle zu ihrem
Hauptprodukt machen. Die Theilung der Arbeit auf dem Welt-
markt erlaubt ihnen das. Wenn sie daher, ihre Neuheit und die
relativ schwache Zahl ihrer Bevölkerung betrachtet, ein sehr grosses
überschüssiges Produkt zu produciren scheinen, so ist dies nicht
der Fruchtbarkeit ihres Bodens geschuldet, auch nicht der Frucht-
barkeit ihrer Arbeit, sondern der einseitigen Form ihrer Arbeit,
und daher des überschüssigen Produkts, worin diese sich darstellt.

Ferner aber hat relativ weniger fruchtbarer Ackerboden, der
aber erst neu bebaut wird und noch durch keine Kultur beleckt
war, bei nicht durchaus ungünstigen klimatischen Verhältnissen,
wenigstens in den obern Schichten soviel leichtlösliche Pflanzen-
nährstoffe aufgehäuft, dass er für längre Zeit Ernten ohne Düngung
gibt, und zwar bei schon ganz oberflächlicher Bebauung. Bei den
westlichen Prairien kommt hinzu, dass sie kaum irgend welche Ur-
barmachungskosten erheischen, sondern die Natur sie urbar gemacht
hat.33) In minder fruchtbaren Gebieten dieser Art kommt der
Ueberschuss heraus, nicht durch die hohe Fruchtbarkeit des Bodens,

33) [Es ist grade die rasch anwachsende Bebauung solcher Prairie- oder
Steppengegenden, die neuerdings den vielberühmten Malthusschen Satz, dass
die „Bevölkerung auf die Subsistenzmittel drückt“ zum Kinderspott gemacht,
und im Gegensatz dazu den Agrarierjammer erzeugt hat, wonach der Acker-
bau und mit ihm Deutschland zu Grunde geht, wenn man sich nicht die auf
die Bevölkerung drückenden Lebensmittel gewaltsam vom Halse hält. Der
Anbau dieser Steppen, Prairien, Pampas, Llanos etc. ist aber erst in den
Anfängen begriffen; seine umwälzende Wirkung auf die europäische Land-
wirthschaft wird sich also noch ganz anders fühlbar machen als bisher. — F. E.]
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[210/0219] Wenn wir, wie Johnston sagt (p. 223) „gewohnt sind mit diesen neuen Staaten, von denen solche grosse Zufuhren von Weizen jährlich nach Buffalo kommen, die Vorstellung grosser natürlicher Fruchtbarkeit und endloser Gebiete reichen Bodens zu verknüpfen,“ so hängt dies ab zunächst von ökonomischen Zuständen. Die ganze Bevölkerung eines solchen Landes, wie z. B. Michigan, ist anfangs fast ausschliesslich mit der Landwirthschaft beschäftigt, und nament- lich mit deren Massenprodukten, die allein sie gegen Industrie- waaren und tropische Produkte austauschen kann. Ihr ganzes überschüssiges Produkt erscheint daher in der Gestalt von Korn. Es unterscheidet dies von vornherein die auf Grundlage des modernen Weltmarkts gegründeten Kolonialstaaten von denen früherer und speciell der antiken Zeit. Sie erhalten fertig, durch den Welt- markt, Produkte, die sie unter andern Umständen selbst schaffen müssten, Kleidung, Werkzeuge etc. Nur auf solcher Grundlage konnten die südlichen Staaten der Union Baumwolle zu ihrem Hauptprodukt machen. Die Theilung der Arbeit auf dem Welt- markt erlaubt ihnen das. Wenn sie daher, ihre Neuheit und die relativ schwache Zahl ihrer Bevölkerung betrachtet, ein sehr grosses überschüssiges Produkt zu produciren scheinen, so ist dies nicht der Fruchtbarkeit ihres Bodens geschuldet, auch nicht der Frucht- barkeit ihrer Arbeit, sondern der einseitigen Form ihrer Arbeit, und daher des überschüssigen Produkts, worin diese sich darstellt. Ferner aber hat relativ weniger fruchtbarer Ackerboden, der aber erst neu bebaut wird und noch durch keine Kultur beleckt war, bei nicht durchaus ungünstigen klimatischen Verhältnissen, wenigstens in den obern Schichten soviel leichtlösliche Pflanzen- nährstoffe aufgehäuft, dass er für längre Zeit Ernten ohne Düngung gibt, und zwar bei schon ganz oberflächlicher Bebauung. Bei den westlichen Prairien kommt hinzu, dass sie kaum irgend welche Ur- barmachungskosten erheischen, sondern die Natur sie urbar gemacht hat. 33) In minder fruchtbaren Gebieten dieser Art kommt der Ueberschuss heraus, nicht durch die hohe Fruchtbarkeit des Bodens, 33) [Es ist grade die rasch anwachsende Bebauung solcher Prairie- oder Steppengegenden, die neuerdings den vielberühmten Malthusschen Satz, dass die „Bevölkerung auf die Subsistenzmittel drückt“ zum Kinderspott gemacht, und im Gegensatz dazu den Agrarierjammer erzeugt hat, wonach der Acker- bau und mit ihm Deutschland zu Grunde geht, wenn man sich nicht die auf die Bevölkerung drückenden Lebensmittel gewaltsam vom Halse hält. Der Anbau dieser Steppen, Prairien, Pampas, Llanos etc. ist aber erst in den Anfängen begriffen; seine umwälzende Wirkung auf die europäische Land- wirthschaft wird sich also noch ganz anders fühlbar machen als bisher. — F. E.]

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/219>, abgerufen am 27.11.2024.