ohne gleichzeitige Herabsetzung der Grundrente. Hierin ist also das Geständniss enthalten, dass unter dem Namen Grundrente ein Abzug am Arbeitslohn von den Pächtern gemacht und an den Grundeigenthümer weggezahlt wird. Von 1849--59 z. B. stieg in England der Arbeitslohn der Ackerbau-Arbeiter in Folge eines Zusammenflusses überwältigender Umstände, wie: der Exodus aus Irland, der die Zufuhr von Ackerbau-Arbeitern von dort abschnitt; ausserordentliche Absorption von Ackerbau-Bevölkerung durch die Fabrikindustrie; Kriegsnachfrage für Soldaten; ausserordentliche Auswanderung nach Australien und den Vereinigten Staaten (Kali- fornien), und andre Gründe, die hier nicht näher zu erwähnen sind. Gleichzeitig, mit Ausnahme der ungünstigen Ernten von 1854--56, fielen die Durchschnittspreise des Getreides während dieser Periode um mehr als 16 %. Die Pächter schrieen nach Herabsetzung der Renten. Es gelang ihnen in einzelnen Fällen. Im Durchschnitt scheiterten sie mit dieser Forderung. Sie nahmen Zuflucht zur Herab- setzung der Produktionskosten, u. a. durch massenhafte Einführung des lokomobilen Dampfs und neuer Maschinerie, die zum Theil Pferde ersetzte und aus der Wirthschaft verdrängte, zum Theil aber auch durch Freisetzung von Ackerbau-Taglöhnern eine künst- liche Ueberbevölkerung und daher neues Sinken des Lohns her- vorbrachte. Und dies geschah, trotz der allgemeinen relativen Ab- nahme der Ackerbau-Bevölkerung während dieses Decenniums, ver- glichen mit dem Wachsthum der Gesammtbevölkerung, und trotz der absoluten Abnahme der Ackerbau-Bevölkerung in einigen reinen Agrikulturdistrikten.32) Ebenso sagte Fawcett, damals Professor der politischen Oekonomie zu Cambridge, gestorben 1884 als Generalpostmeister, auf dem Social Science Congress, 12. Oktober 1865: "Die Ackerbautaglöhner fingen an auszuwandern, und die Pächter begannen sich zu beklagen, sie würden nicht im Stande sein, so hohe Renten zu bezahlen, wie sie zu zahlen gewohnt waren, weil die Arbeit theurer wurde in Folge der Auswanderung." Hie also ist hohe Bodenrente direkt identificirt mit niedrigem Arbeits- lohn. Und soweit die Höhe des Bodenpreises durch diesen die Rente vermehrenden Umstand bedingt ist, ist Werthsteigerung des Bodens identisch mit Entwerthung der Arbeit, Höhe des Boden- preises mit Niedrigkeit des Preises der Arbeit.
32) John C. Morton, The Forces used in Agriculture. Vortrag in der Londoner Society of Arts in 1860, und begründet auf authentische Doku- mente, gesammelt bei ungefähr 100 Pächtern aus 12 schottischen und 35 eng- lischen Grafschaften.
ohne gleichzeitige Herabsetzung der Grundrente. Hierin ist also das Geständniss enthalten, dass unter dem Namen Grundrente ein Abzug am Arbeitslohn von den Pächtern gemacht und an den Grundeigenthümer weggezahlt wird. Von 1849—59 z. B. stieg in England der Arbeitslohn der Ackerbau-Arbeiter in Folge eines Zusammenflusses überwältigender Umstände, wie: der Exodus aus Irland, der die Zufuhr von Ackerbau-Arbeitern von dort abschnitt; ausserordentliche Absorption von Ackerbau-Bevölkerung durch die Fabrikindustrie; Kriegsnachfrage für Soldaten; ausserordentliche Auswanderung nach Australien und den Vereinigten Staaten (Kali- fornien), und andre Gründe, die hier nicht näher zu erwähnen sind. Gleichzeitig, mit Ausnahme der ungünstigen Ernten von 1854—56, fielen die Durchschnittspreise des Getreides während dieser Periode um mehr als 16 %. Die Pächter schrieen nach Herabsetzung der Renten. Es gelang ihnen in einzelnen Fällen. Im Durchschnitt scheiterten sie mit dieser Forderung. Sie nahmen Zuflucht zur Herab- setzung der Produktionskosten, u. a. durch massenhafte Einführung des lokomobilen Dampfs und neuer Maschinerie, die zum Theil Pferde ersetzte und aus der Wirthschaft verdrängte, zum Theil aber auch durch Freisetzung von Ackerbau-Taglöhnern eine künst- liche Ueberbevölkerung und daher neues Sinken des Lohns her- vorbrachte. Und dies geschah, trotz der allgemeinen relativen Ab- nahme der Ackerbau-Bevölkerung während dieses Decenniums, ver- glichen mit dem Wachsthum der Gesammtbevölkerung, und trotz der absoluten Abnahme der Ackerbau-Bevölkerung in einigen reinen Agrikulturdistrikten.32) Ebenso sagte Fawcett, damals Professor der politischen Oekonomie zu Cambridge, gestorben 1884 als Generalpostmeister, auf dem Social Science Congress, 12. Oktober 1865: „Die Ackerbautaglöhner fingen an auszuwandern, und die Pächter begannen sich zu beklagen, sie würden nicht im Stande sein, so hohe Renten zu bezahlen, wie sie zu zahlen gewohnt waren, weil die Arbeit theurer wurde in Folge der Auswanderung.“ Hie also ist hohe Bodenrente direkt identificirt mit niedrigem Arbeits- lohn. Und soweit die Höhe des Bodenpreises durch diesen die Rente vermehrenden Umstand bedingt ist, ist Werthsteigerung des Bodens identisch mit Entwerthung der Arbeit, Höhe des Boden- preises mit Niedrigkeit des Preises der Arbeit.
32) John C. Morton, The Forces used in Agriculture. Vortrag in der Londoner Society of Arts in 1860, und begründet auf authentische Doku- mente, gesammelt bei ungefähr 100 Pächtern aus 12 schottischen und 35 eng- lischen Grafschaften.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0177"n="168"/>
ohne gleichzeitige Herabsetzung der Grundrente. Hierin ist also<lb/>
das Geständniss enthalten, dass unter dem Namen Grundrente ein<lb/>
Abzug am Arbeitslohn von den Pächtern gemacht und an den<lb/>
Grundeigenthümer weggezahlt wird. Von 1849—59 z. B. stieg in<lb/>
England der Arbeitslohn der Ackerbau-Arbeiter in Folge eines<lb/>
Zusammenflusses überwältigender Umstände, wie: der Exodus aus<lb/>
Irland, der die Zufuhr von Ackerbau-Arbeitern von dort abschnitt;<lb/>
ausserordentliche Absorption von Ackerbau-Bevölkerung durch die<lb/>
Fabrikindustrie; Kriegsnachfrage für Soldaten; ausserordentliche<lb/>
Auswanderung nach Australien und den Vereinigten Staaten (Kali-<lb/>
fornien), und andre Gründe, die hier nicht näher zu erwähnen sind.<lb/>
Gleichzeitig, mit Ausnahme der ungünstigen Ernten von 1854—56,<lb/>
fielen die Durchschnittspreise des Getreides während dieser Periode<lb/>
um mehr als 16 %. Die Pächter schrieen nach Herabsetzung der<lb/>
Renten. Es gelang ihnen in einzelnen Fällen. Im Durchschnitt<lb/>
scheiterten sie mit dieser Forderung. Sie nahmen Zuflucht zur Herab-<lb/>
setzung der Produktionskosten, u. a. durch massenhafte Einführung<lb/>
des lokomobilen Dampfs und neuer Maschinerie, die zum Theil<lb/>
Pferde ersetzte und aus der Wirthschaft verdrängte, zum Theil<lb/>
aber auch durch Freisetzung von Ackerbau-Taglöhnern eine künst-<lb/>
liche Ueberbevölkerung und daher neues Sinken des Lohns her-<lb/>
vorbrachte. Und dies geschah, trotz der allgemeinen relativen Ab-<lb/>
nahme der Ackerbau-Bevölkerung während dieses Decenniums, ver-<lb/>
glichen mit dem Wachsthum der Gesammtbevölkerung, und trotz<lb/>
der absoluten Abnahme der Ackerbau-Bevölkerung in einigen reinen<lb/>
Agrikulturdistrikten.<noteplace="foot"n="32)">John C. Morton, The Forces used in Agriculture. Vortrag in der<lb/>
Londoner Society of Arts in 1860, und begründet auf authentische Doku-<lb/>
mente, gesammelt bei ungefähr 100 Pächtern aus 12 schottischen und 35 eng-<lb/>
lischen Grafschaften.</note> Ebenso sagte Fawcett, damals Professor<lb/>
der politischen Oekonomie zu Cambridge, gestorben 1884 als<lb/>
Generalpostmeister, auf dem Social Science Congress, 12. Oktober<lb/>
1865: „Die Ackerbautaglöhner fingen an auszuwandern, und die<lb/>
Pächter begannen sich zu beklagen, sie würden nicht im Stande<lb/>
sein, so hohe Renten zu bezahlen, wie sie zu zahlen gewohnt waren,<lb/>
weil die Arbeit theurer wurde in Folge der Auswanderung.“ Hie<lb/>
also ist hohe Bodenrente direkt identificirt mit niedrigem Arbeits-<lb/>
lohn. Und soweit die Höhe des Bodenpreises durch diesen die<lb/>
Rente vermehrenden Umstand bedingt ist, ist Werthsteigerung des<lb/>
Bodens identisch mit Entwerthung der Arbeit, Höhe des Boden-<lb/>
preises mit Niedrigkeit des Preises der Arbeit.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[168/0177]
ohne gleichzeitige Herabsetzung der Grundrente. Hierin ist also
das Geständniss enthalten, dass unter dem Namen Grundrente ein
Abzug am Arbeitslohn von den Pächtern gemacht und an den
Grundeigenthümer weggezahlt wird. Von 1849—59 z. B. stieg in
England der Arbeitslohn der Ackerbau-Arbeiter in Folge eines
Zusammenflusses überwältigender Umstände, wie: der Exodus aus
Irland, der die Zufuhr von Ackerbau-Arbeitern von dort abschnitt;
ausserordentliche Absorption von Ackerbau-Bevölkerung durch die
Fabrikindustrie; Kriegsnachfrage für Soldaten; ausserordentliche
Auswanderung nach Australien und den Vereinigten Staaten (Kali-
fornien), und andre Gründe, die hier nicht näher zu erwähnen sind.
Gleichzeitig, mit Ausnahme der ungünstigen Ernten von 1854—56,
fielen die Durchschnittspreise des Getreides während dieser Periode
um mehr als 16 %. Die Pächter schrieen nach Herabsetzung der
Renten. Es gelang ihnen in einzelnen Fällen. Im Durchschnitt
scheiterten sie mit dieser Forderung. Sie nahmen Zuflucht zur Herab-
setzung der Produktionskosten, u. a. durch massenhafte Einführung
des lokomobilen Dampfs und neuer Maschinerie, die zum Theil
Pferde ersetzte und aus der Wirthschaft verdrängte, zum Theil
aber auch durch Freisetzung von Ackerbau-Taglöhnern eine künst-
liche Ueberbevölkerung und daher neues Sinken des Lohns her-
vorbrachte. Und dies geschah, trotz der allgemeinen relativen Ab-
nahme der Ackerbau-Bevölkerung während dieses Decenniums, ver-
glichen mit dem Wachsthum der Gesammtbevölkerung, und trotz
der absoluten Abnahme der Ackerbau-Bevölkerung in einigen reinen
Agrikulturdistrikten. 32) Ebenso sagte Fawcett, damals Professor
der politischen Oekonomie zu Cambridge, gestorben 1884 als
Generalpostmeister, auf dem Social Science Congress, 12. Oktober
1865: „Die Ackerbautaglöhner fingen an auszuwandern, und die
Pächter begannen sich zu beklagen, sie würden nicht im Stande
sein, so hohe Renten zu bezahlen, wie sie zu zahlen gewohnt waren,
weil die Arbeit theurer wurde in Folge der Auswanderung.“ Hie
also ist hohe Bodenrente direkt identificirt mit niedrigem Arbeits-
lohn. Und soweit die Höhe des Bodenpreises durch diesen die
Rente vermehrenden Umstand bedingt ist, ist Werthsteigerung des
Bodens identisch mit Entwerthung der Arbeit, Höhe des Boden-
preises mit Niedrigkeit des Preises der Arbeit.
32) John C. Morton, The Forces used in Agriculture. Vortrag in der
Londoner Society of Arts in 1860, und begründet auf authentische Doku-
mente, gesammelt bei ungefähr 100 Pächtern aus 12 schottischen und 35 eng-
lischen Grafschaften.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/177>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.