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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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Bildung, Tradition, Konkurrenz und andre Umstände bestimmt und
gezwungen sind, ihr Kapital in der Agrikultur, als Pächter anzu-
legen. Sie sind gezwungen, mit weniger als dem Durchschnitts-
profit vorlieb zu nehmen, und einen Theil davon in der Form der
Rente an den Grundeigenthümer abzugeben. Es ist dies die einzige
Bedingung, unter der ihnen gestattet wird ihr Kapital auf den
Boden, in der Agrikultur, anzulegen. Da überall die Grundeigen-
thümer bedeutenden, in England sogar überwiegenden Einfluss auf
die Gesetzgebung ausüben, kann dieser dazu ausgebeutet werden,
um die ganze Klasse der Pächter zu prellen. Die Korngesetze von
1815 z. B. -- eine Brotsteuer, eingestandenermaßen dem Land auf-
erlegt, um den müßigen Grundeigenthümern die Fortdauer des
während des Anti-Jakobinerkriegs abnorm gewachsnen Rentals zu
sichern -- hatten zwar die Wirkung, abgesehn von einzelnen aus-
nahmsweis fruchtbaren Jahren, die Preise der landwirthschaftlichen
Produkte über dem Niveau zu erhalten, worauf sie bei freier Korn-
einfuhr gefallen wären. Aber sie hatten nicht das Resultat, die
Preise auf der Höhe zu halten, die von den gesetzgebenden Grund-
eigenthümern in der Art als Normalpreise dekretirt wurden, dass
sie die gesetzliche Grenze bildeten für die Einfuhr fremden Korns.
Unter dem Eindruck dieser Normalpreise wurden aber die Pacht-
kontrakte geschlossen. Sobald die Illusion platzte, wurde ein neues
Gesetz gemacht, mit neuen Normalpreisen, die ebensosehr bloss der
ohnmächtige Ausdruck der habgierigen Grundeigenthumsphantasie
waren wie die alten. In dieser Weise wurden die Pächter geprellt
von 1815 bis zu den 30er Jahren. Daher während dieser ganzen
Zeit das stehende Thema des agricultural distress. Daher während
dieser Periode die Expropriation und der Ruin einer ganzen Gene-
ration von Pächtern, und ihre Ersetzung durch eine neue Klasse
von Kapitalisten.31)

Eine viel allgemeinere und wichtigere Thatsache ist aber die
Herabdrückung des Arbeitslohns der eigentlichen Agrikulturarbeiter
unter sein normales Durchschnittsniveau, sodass ein Theil des
Arbeitslohns dem Arbeiter abgezogen wird, einen Bestandtheil des
Pachtgelds bildet, und so unter der Maske der Grundrente dem
Grundeigenthümer statt dem Arbeiter zufliesst. Dies ist z. B. in

31) Siehe die Anti-Corn-Law Prize-Essays. Indess hielten die Korngesetze
immer die Preise auf künstlich höherm Niveau. Für die bessern Pächter
war dies günstig. Sie profitirten von dem stationären Zustand, worin der
Schutzzoll die grosse Masse der Pächter hielt, die sich mit oder ohne Grund,
auf den exceptionellen Durchschnittspreis verliessen.

Bildung, Tradition, Konkurrenz und andre Umstände bestimmt und
gezwungen sind, ihr Kapital in der Agrikultur, als Pächter anzu-
legen. Sie sind gezwungen, mit weniger als dem Durchschnitts-
profit vorlieb zu nehmen, und einen Theil davon in der Form der
Rente an den Grundeigenthümer abzugeben. Es ist dies die einzige
Bedingung, unter der ihnen gestattet wird ihr Kapital auf den
Boden, in der Agrikultur, anzulegen. Da überall die Grundeigen-
thümer bedeutenden, in England sogar überwiegenden Einfluss auf
die Gesetzgebung ausüben, kann dieser dazu ausgebeutet werden,
um die ganze Klasse der Pächter zu prellen. Die Korngesetze von
1815 z. B. — eine Brotsteuer, eingestandenermaßen dem Land auf-
erlegt, um den müßigen Grundeigenthümern die Fortdauer des
während des Anti-Jakobinerkriegs abnorm gewachsnen Rentals zu
sichern — hatten zwar die Wirkung, abgesehn von einzelnen aus-
nahmsweis fruchtbaren Jahren, die Preise der landwirthschaftlichen
Produkte über dem Niveau zu erhalten, worauf sie bei freier Korn-
einfuhr gefallen wären. Aber sie hatten nicht das Resultat, die
Preise auf der Höhe zu halten, die von den gesetzgebenden Grund-
eigenthümern in der Art als Normalpreise dekretirt wurden, dass
sie die gesetzliche Grenze bildeten für die Einfuhr fremden Korns.
Unter dem Eindruck dieser Normalpreise wurden aber die Pacht-
kontrakte geschlossen. Sobald die Illusion platzte, wurde ein neues
Gesetz gemacht, mit neuen Normalpreisen, die ebensosehr bloss der
ohnmächtige Ausdruck der habgierigen Grundeigenthumsphantasie
waren wie die alten. In dieser Weise wurden die Pächter geprellt
von 1815 bis zu den 30er Jahren. Daher während dieser ganzen
Zeit das stehende Thema des agricultural distress. Daher während
dieser Periode die Expropriation und der Ruin einer ganzen Gene-
ration von Pächtern, und ihre Ersetzung durch eine neue Klasse
von Kapitalisten.31)

Eine viel allgemeinere und wichtigere Thatsache ist aber die
Herabdrückung des Arbeitslohns der eigentlichen Agrikulturarbeiter
unter sein normales Durchschnittsniveau, sodass ein Theil des
Arbeitslohns dem Arbeiter abgezogen wird, einen Bestandtheil des
Pachtgelds bildet, und so unter der Maske der Grundrente dem
Grundeigenthümer statt dem Arbeiter zufliesst. Dies ist z. B. in

31) Siehe die Anti-Corn-Law Prize-Essays. Indess hielten die Korngesetze
immer die Preise auf künstlich höherm Niveau. Für die bessern Pächter
war dies günstig. Sie profitirten von dem stationären Zustand, worin der
Schutzzoll die grosse Masse der Pächter hielt, die sich mit oder ohne Grund,
auf den exceptionellen Durchschnittspreis verliessen.
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[166/0175] Bildung, Tradition, Konkurrenz und andre Umstände bestimmt und gezwungen sind, ihr Kapital in der Agrikultur, als Pächter anzu- legen. Sie sind gezwungen, mit weniger als dem Durchschnitts- profit vorlieb zu nehmen, und einen Theil davon in der Form der Rente an den Grundeigenthümer abzugeben. Es ist dies die einzige Bedingung, unter der ihnen gestattet wird ihr Kapital auf den Boden, in der Agrikultur, anzulegen. Da überall die Grundeigen- thümer bedeutenden, in England sogar überwiegenden Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben, kann dieser dazu ausgebeutet werden, um die ganze Klasse der Pächter zu prellen. Die Korngesetze von 1815 z. B. — eine Brotsteuer, eingestandenermaßen dem Land auf- erlegt, um den müßigen Grundeigenthümern die Fortdauer des während des Anti-Jakobinerkriegs abnorm gewachsnen Rentals zu sichern — hatten zwar die Wirkung, abgesehn von einzelnen aus- nahmsweis fruchtbaren Jahren, die Preise der landwirthschaftlichen Produkte über dem Niveau zu erhalten, worauf sie bei freier Korn- einfuhr gefallen wären. Aber sie hatten nicht das Resultat, die Preise auf der Höhe zu halten, die von den gesetzgebenden Grund- eigenthümern in der Art als Normalpreise dekretirt wurden, dass sie die gesetzliche Grenze bildeten für die Einfuhr fremden Korns. Unter dem Eindruck dieser Normalpreise wurden aber die Pacht- kontrakte geschlossen. Sobald die Illusion platzte, wurde ein neues Gesetz gemacht, mit neuen Normalpreisen, die ebensosehr bloss der ohnmächtige Ausdruck der habgierigen Grundeigenthumsphantasie waren wie die alten. In dieser Weise wurden die Pächter geprellt von 1815 bis zu den 30er Jahren. Daher während dieser ganzen Zeit das stehende Thema des agricultural distress. Daher während dieser Periode die Expropriation und der Ruin einer ganzen Gene- ration von Pächtern, und ihre Ersetzung durch eine neue Klasse von Kapitalisten. 31) Eine viel allgemeinere und wichtigere Thatsache ist aber die Herabdrückung des Arbeitslohns der eigentlichen Agrikulturarbeiter unter sein normales Durchschnittsniveau, sodass ein Theil des Arbeitslohns dem Arbeiter abgezogen wird, einen Bestandtheil des Pachtgelds bildet, und so unter der Maske der Grundrente dem Grundeigenthümer statt dem Arbeiter zufliesst. Dies ist z. B. in 31) Siehe die Anti-Corn-Law Prize-Essays. Indess hielten die Korngesetze immer die Preise auf künstlich höherm Niveau. Für die bessern Pächter war dies günstig. Sie profitirten von dem stationären Zustand, worin der Schutzzoll die grosse Masse der Pächter hielt, die sich mit oder ohne Grund, auf den exceptionellen Durchschnittspreis verliessen.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/175>, abgerufen am 29.11.2024.