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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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travailleur par excellence. Wenn man ihre Schriften kritisch liest,
wird man sich nicht wundern, dass die Realisirung ihrer Kritik-
und Bankträume der vom Ex-St. Simonisten Emile Pereire ge-
gründete Credit mobilier war, eine Form, die übrigens nur in
einem Land wie Frankreich vorherrschend werden konnte, wo weder
das Kreditsystem noch die grosse Industrie zur modernen Höhe
entwickelt waren. In England und Amerika war so etwas unmög-
lich. -- In den folgenden Stellen der Doctrine de St. Simon.
Exposition. Premiere annee. 1828--29. 3e ed. Paris 1831, steckt
schon der Keim zum Credit mobilier. Begreiflicherweise kann der
Bankier wohlfeiler vorschiessen als der Kapitalist und Privat-
wucherer. Es ist also diesen Bankiers "möglich, den Industriellen
Werkzeuge weit wohlfeiler, d. h. zu niedrigeren Zinsen zu ver-
schaffen, als die Grundeigenthümer und Kapitalisten es könnten,
die sich leichter in der Auswahl der Borger täuschen können."
(p. 202.) Aber die Verfasser fügen selbst in der Note hinzu: "Der
Vortheil, der aus der Vermittlung des Bankiers zwischen den
Müssigen und den travailleurs folgen müsste, wird oft aufgewogen
und selbst vernichtet durch die Gelegenheit, die unsre desorga-
nisirte Gesellschaft dem Egoismus bietet, sich in den verschiednen
Formen des Betrugs und des Charlatanismus geltend zu machen;
die Bankiers drängen sich oft zwischen travailleurs und Müssige,
um beide zum Schaden der Gesellschaft auszubeuten." Travailleur
steht hier für capitaliste industriel. Uebrigens ist es falsch, die
Mittel worüber das moderne Bankwesen verfügt, bloss als die Mittel
der Müssigen zu betrachten. Erstens ist es der Theil des Kapitals,
den Industrielle und Kaufleute momentan unbeschäftigt in Geld-
form halten, als Geldreserve oder erst anzulegendes Kapital; also
müssiges Kapital, aber nicht Kapital der Müssigen. Zweitens der
Theil der Revenuen und Ersparungen Aller, der permanent oder
transitorisch für Akkumulation bestimmt ist. Und beides ist wesent-
lich für den Charakter des Banksystems.

Es muss aber nie vergessen werden, dass erstens das Geld -- in
der Form der edlen Metalle -- die Unterlage bleibt, wovon das
Kreditwesen der Natur der Sache nach nie loskommen kann.
Zweitens, dass das Kreditsystem das Monopol der gesellschaftlichen
Produktionsmittel (in der Form von Kapital und Grundeigenthum)
in den Händen von Privaten zur Voraussetzung hat, dass es selbst
einerseits eine immanente Form der kapitalistischen Produktions-
weise ist, und andrerseits eine treibende Kraft ihrer Entwicklung
zu ihrer höchst- und letztmöglichen Form.


Marx, Kapital III. 2. 10

travailleur par excellence. Wenn man ihre Schriften kritisch liest,
wird man sich nicht wundern, dass die Realisirung ihrer Kritik-
und Bankträume der vom Ex-St. Simonisten Emile Pereire ge-
gründete Crédit mobilier war, eine Form, die übrigens nur in
einem Land wie Frankreich vorherrschend werden konnte, wo weder
das Kreditsystem noch die grosse Industrie zur modernen Höhe
entwickelt waren. In England und Amerika war so etwas unmög-
lich. — In den folgenden Stellen der Doctrine de St. Simon.
Exposition. Première année. 1828—29. 3e éd. Paris 1831, steckt
schon der Keim zum Crédit mobilier. Begreiflicherweise kann der
Bankier wohlfeiler vorschiessen als der Kapitalist und Privat-
wucherer. Es ist also diesen Bankiers „möglich, den Industriellen
Werkzeuge weit wohlfeiler, d. h. zu niedrigeren Zinsen zu ver-
schaffen, als die Grundeigenthümer und Kapitalisten es könnten,
die sich leichter in der Auswahl der Borger täuschen können.“
(p. 202.) Aber die Verfasser fügen selbst in der Note hinzu: „Der
Vortheil, der aus der Vermittlung des Bankiers zwischen den
Müssigen und den travailleurs folgen müsste, wird oft aufgewogen
und selbst vernichtet durch die Gelegenheit, die unsre desorga-
nisirte Gesellschaft dem Egoismus bietet, sich in den verschiednen
Formen des Betrugs und des Charlatanismus geltend zu machen;
die Bankiers drängen sich oft zwischen travailleurs und Müssige,
um beide zum Schaden der Gesellschaft auszubeuten.“ Travailleur
steht hier für capitaliste industriel. Uebrigens ist es falsch, die
Mittel worüber das moderne Bankwesen verfügt, bloss als die Mittel
der Müssigen zu betrachten. Erstens ist es der Theil des Kapitals,
den Industrielle und Kaufleute momentan unbeschäftigt in Geld-
form halten, als Geldreserve oder erst anzulegendes Kapital; also
müssiges Kapital, aber nicht Kapital der Müssigen. Zweitens der
Theil der Revenuen und Ersparungen Aller, der permanent oder
transitorisch für Akkumulation bestimmt ist. Und beides ist wesent-
lich für den Charakter des Banksystems.

Es muss aber nie vergessen werden, dass erstens das Geld — in
der Form der edlen Metalle — die Unterlage bleibt, wovon das
Kreditwesen der Natur der Sache nach nie loskommen kann.
Zweitens, dass das Kreditsystem das Monopol der gesellschaftlichen
Produktionsmittel (in der Form von Kapital und Grundeigenthum)
in den Händen von Privaten zur Voraussetzung hat, dass es selbst
einerseits eine immanente Form der kapitalistischen Produktions-
weise ist, und andrerseits eine treibende Kraft ihrer Entwicklung
zu ihrer höchst- und letztmöglichen Form.


Marx, Kapital III. 2. 10
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[145/0154] travailleur par excellence. Wenn man ihre Schriften kritisch liest, wird man sich nicht wundern, dass die Realisirung ihrer Kritik- und Bankträume der vom Ex-St. Simonisten Emile Pereire ge- gründete Crédit mobilier war, eine Form, die übrigens nur in einem Land wie Frankreich vorherrschend werden konnte, wo weder das Kreditsystem noch die grosse Industrie zur modernen Höhe entwickelt waren. In England und Amerika war so etwas unmög- lich. — In den folgenden Stellen der Doctrine de St. Simon. Exposition. Première année. 1828—29. 3e éd. Paris 1831, steckt schon der Keim zum Crédit mobilier. Begreiflicherweise kann der Bankier wohlfeiler vorschiessen als der Kapitalist und Privat- wucherer. Es ist also diesen Bankiers „möglich, den Industriellen Werkzeuge weit wohlfeiler, d. h. zu niedrigeren Zinsen zu ver- schaffen, als die Grundeigenthümer und Kapitalisten es könnten, die sich leichter in der Auswahl der Borger täuschen können.“ (p. 202.) Aber die Verfasser fügen selbst in der Note hinzu: „Der Vortheil, der aus der Vermittlung des Bankiers zwischen den Müssigen und den travailleurs folgen müsste, wird oft aufgewogen und selbst vernichtet durch die Gelegenheit, die unsre desorga- nisirte Gesellschaft dem Egoismus bietet, sich in den verschiednen Formen des Betrugs und des Charlatanismus geltend zu machen; die Bankiers drängen sich oft zwischen travailleurs und Müssige, um beide zum Schaden der Gesellschaft auszubeuten.“ Travailleur steht hier für capitaliste industriel. Uebrigens ist es falsch, die Mittel worüber das moderne Bankwesen verfügt, bloss als die Mittel der Müssigen zu betrachten. Erstens ist es der Theil des Kapitals, den Industrielle und Kaufleute momentan unbeschäftigt in Geld- form halten, als Geldreserve oder erst anzulegendes Kapital; also müssiges Kapital, aber nicht Kapital der Müssigen. Zweitens der Theil der Revenuen und Ersparungen Aller, der permanent oder transitorisch für Akkumulation bestimmt ist. Und beides ist wesent- lich für den Charakter des Banksystems. Es muss aber nie vergessen werden, dass erstens das Geld — in der Form der edlen Metalle — die Unterlage bleibt, wovon das Kreditwesen der Natur der Sache nach nie loskommen kann. Zweitens, dass das Kreditsystem das Monopol der gesellschaftlichen Produktionsmittel (in der Form von Kapital und Grundeigenthum) in den Händen von Privaten zur Voraussetzung hat, dass es selbst einerseits eine immanente Form der kapitalistischen Produktions- weise ist, und andrerseits eine treibende Kraft ihrer Entwicklung zu ihrer höchst- und letztmöglichen Form. Marx, Kapital III. 2. 10

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/154>, abgerufen am 27.11.2024.