in ein Ding (wie hier die Produktion des Mehrwerths durch das Kapital erscheint), was Luther in seiner naiven Polterei gegen den Wucher so sehr beschäftigt.. Nachdem er entwickelt, dass Zins verlangt werden könne, wenn aus der nicht erfolgten Rückzahlung am bestimmten Termin dem Verleiher, der seinerseits zu zahlen hat, Unkosten erwachsen, oder wenn ihm ein Profit, den er durch Kaufen, z. B. eines Gartens, habe machen können, aus diesem Grunde verloren geht, fährt er fort: "Nu ich dir sie (100 Gülden) geliehen habe, machest mir einen Zwilling aus dem Schadewacht, dass hie nicht bezalen, und dort nicht kaufen kann, und also zu beiden Teilen muss Schaden leiden, dass heisst man duplex inter- esse, damni emergentis et lucri cessantis.... nachdem sie gehöret, dass Hans mit seinen verliehnen Hundert Gülden hat Schaden ge- litten und billige Erstattung seines Schadens fordert, faren sie plumps einhin, und schlahen auf ein jeglich Hundert Gülden, solche zween Schadewacht, nämlich, des Bezalens Unkost, und des ver- säumeten Gartens Kauf, gerade als weren den Hundert Gülden natürlich solche zween Schadewacht angewachsen, dass, wo Hundert Gülden vorhanden sind, die thun sie aus, und rechnen darauf solche zween Schaden, die sie doch nicht erlitten haben. .... Darum bist du ein Wucherer, der du selber deinen ertichten Schaden von deines Nähesten Gelde büssest, den dir doch Nie- mand getan hat, und kannst ihn auch nicht beweisen, noch be- rechnen. Solchen Schaden heissen die Juristen, non verum sed phantasticum interesse. Ein Schaden, den ein jeglicher ihm selber ertreumet.... es gilt nicht also sagen, Es künnten die Schaden geschehn, dass ich nicht habe können bezalen noch kaufen. Sonst heisst's, Ex contingente necessarium, aus dem das nicht ist machen das, das sein müsse, aus dem das ungewiss ist, eitel gewiss Ding machen. Solt' solcher Wucher nicht die Welt auffressen in kurzen Jaren.... es ist zufällig Unglück, das dem Leiher widerfaret, ohne seinen Willen, dass er sich erholen muss, aber in den Handeln ist's umgekehrt und gar das Widerspiel, da suchet und ertichtet man Schaden, auf den benetigten Nehesten, will damit sich meren und reich werden, faul und müssig, prassen und prangen von ander Leut Arbeit, sonder Sorge, Fahr und Schaden; dass ich sitze hinter dem Ofen und lasse meine Hundert Gülden für mich auf dem Lande werben, und doch weil es geliehen Geld ist, gewiss im Beutel behalte, ohne all Fahr und Sorge, Lieber, wer möchte das nicht?" (M. Luther, An die Pfarherrn wider den Wucher zu predigen etc. Wittenberg 1540.)
in ein Ding (wie hier die Produktion des Mehrwerths durch das Kapital erscheint), was Luther in seiner naiven Polterei gegen den Wucher so sehr beschäftigt.. Nachdem er entwickelt, dass Zins verlangt werden könne, wenn aus der nicht erfolgten Rückzahlung am bestimmten Termin dem Verleiher, der seinerseits zu zahlen hat, Unkosten erwachsen, oder wenn ihm ein Profit, den er durch Kaufen, z. B. eines Gartens, habe machen können, aus diesem Grunde verloren geht, fährt er fort: „Nu ich dir sie (100 Gülden) geliehen habe, machest mir einen Zwilling aus dem Schadewacht, dass hie nicht bezalen, und dort nicht kaufen kann, und also zu beiden Teilen muss Schaden leiden, dass heisst man duplex inter- esse, damni emergentis et lucri cessantis.... nachdem sie gehöret, dass Hans mit seinen verliehnen Hundert Gülden hat Schaden ge- litten und billige Erstattung seines Schadens fordert, faren sie plumps einhin, und schlahen auf ein jeglich Hundert Gülden, solche zween Schadewacht, nämlich, des Bezalens Unkost, und des ver- säumeten Gartens Kauf, gerade als weren den Hundert Gülden natürlich solche zween Schadewacht angewachsen, dass, wo Hundert Gülden vorhanden sind, die thun sie aus, und rechnen darauf solche zween Schaden, die sie doch nicht erlitten haben. .... Darum bist du ein Wucherer, der du selber deinen ertichten Schaden von deines Nähesten Gelde büssest, den dir doch Nie- mand getan hat, und kannst ihn auch nicht beweisen, noch be- rechnen. Solchen Schaden heissen die Juristen, non verum sed phantasticum interesse. Ein Schaden, den ein jeglicher ihm selber ertreumet.... es gilt nicht also sagen, Es künnten die Schaden geschehn, dass ich nicht habe können bezalen noch kaufen. Sonst heisst’s, Ex contingente necessarium, aus dem das nicht ist machen das, das sein müsse, aus dem das ungewiss ist, eitel gewiss Ding machen. Solt’ solcher Wucher nicht die Welt auffressen in kurzen Jaren.... es ist zufällig Unglück, das dem Leiher widerfaret, ohne seinen Willen, dass er sich erholen muss, aber in den Handeln ist’s umgekehrt und gar das Widerspiel, da suchet und ertichtet man Schaden, auf den benetigten Nehesten, will damit sich meren und reich werden, faul und müssig, prassen und prangen von ander Leut Arbeit, sonder Sorge, Fahr und Schaden; dass ich sitze hinter dem Ofen und lasse meine Hundert Gülden für mich auf dem Lande werben, und doch weil es geliehen Geld ist, gewiss im Beutel behalte, ohne all Fahr und Sorge, Lieber, wer möchte das nicht?“ (M. Luther, An die Pfarherrn wider den Wucher zu predigen etc. Wittenberg 1540.)
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am bestimmten Termin dem Verleiher, der seinerseits zu zahlen
hat, Unkosten erwachsen, oder wenn ihm ein Profit, den er durch
Kaufen, z. B. eines Gartens, habe machen können, aus diesem
Grunde verloren geht, fährt er fort: „Nu ich dir sie (100 Gülden)
geliehen habe, machest mir einen Zwilling aus dem Schadewacht,
dass hie nicht bezalen, und dort nicht kaufen kann, und also zu
beiden Teilen muss Schaden leiden, dass heisst man duplex inter-
esse, damni emergentis et lucri cessantis.... nachdem sie gehöret,
dass Hans mit seinen verliehnen Hundert Gülden hat Schaden ge-
litten und billige Erstattung seines Schadens fordert, faren sie
plumps einhin, und schlahen auf ein jeglich Hundert Gülden, solche
zween Schadewacht, nämlich, des Bezalens Unkost, und des ver-
säumeten Gartens Kauf, gerade als weren den Hundert Gülden
natürlich solche zween Schadewacht angewachsen, dass,
wo Hundert Gülden vorhanden sind, die thun sie aus, und rechnen
darauf solche zween Schaden, die sie doch nicht erlitten haben.
.... Darum bist du ein Wucherer, der du selber deinen ertichten
Schaden von deines Nähesten Gelde büssest, den dir doch Nie-
mand getan hat, und kannst ihn auch nicht beweisen, noch be-
rechnen. Solchen Schaden heissen die Juristen, non verum sed
phantasticum interesse. Ein Schaden, den ein jeglicher ihm selber
ertreumet.... es gilt nicht also sagen, Es künnten die Schaden
geschehn, dass ich nicht habe können bezalen noch kaufen. Sonst
heisst’s, Ex contingente necessarium, aus dem das nicht ist machen
das, das sein müsse, aus dem das ungewiss ist, eitel gewiss Ding
machen. Solt’ solcher Wucher nicht die Welt auffressen in kurzen
Jaren.... es ist zufällig Unglück, das dem Leiher widerfaret, ohne
seinen Willen, dass er sich erholen muss, aber in den Handeln
ist’s umgekehrt und gar das Widerspiel, da suchet und ertichtet
man Schaden, auf den benetigten Nehesten, will damit sich meren
und reich werden, faul und müssig, prassen und prangen von ander
Leut Arbeit, sonder Sorge, Fahr und Schaden; dass ich sitze hinter
dem Ofen und lasse meine Hundert Gülden für mich auf dem
Lande werben, und doch weil es geliehen Geld ist, gewiss im
Beutel behalte, ohne all Fahr und Sorge, Lieber, wer möchte das
nicht?“ (M. Luther, An die Pfarherrn wider den Wucher zu
predigen etc. Wittenberg 1540.)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/414>, abgerufen am 24.11.2024.
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