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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894.

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ganz falsche Anschauungen erzeugt -- dass im 16. und im 17.
Jahrhundert die grossen Revolutionen, die mit den geographischen
Entdeckungen im Handel vorgingen und die Entwicklung des Kauf-
mannskapitals rasch steigerten, ein Hauptmoment bilden in der
Förderung des Uebergangs der feudalen Produktionsweise in die
kapitalistische. Die plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die
Vervielfältigung der umlaufenden Waaren, der Wetteifer unter den
europäischen Nationen, sich der asiatischen Produkte und der ame-
rikanischen Schätze zu bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen
wesentlich bei zur Sprengung der feudalen Schranken der Pro-
duktion. Indess entwickelte sich die moderne Produktionsweise,
in ihrer ersten Periode, der Manufakturperiode, nur da wo die Be-
dingungen dafür sich innerhalb des Mittelalters erzeugt hatten.
Man vergleiche z. B. Holland mit Portugal.49) Und wenn im 16.
und zum Theil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung
des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen
überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten, und den Auf-
schwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah
dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffnen kapitalistischen
Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Pro-
duktionsweise. Andrerseits, die derselben immanente Nothwendigkeit,
auf stets grössrer Stufenleiter zu produciren, treibt zur beständigen Aus-
dehnung des Weltmarkts, sodass der Handel hier nicht die Industrie,
sondern die Industrie beständig den Handel revolutionirt. Auch die
Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das grössre oder geringre
Vorwiegen der Bedingungen der grossen Industrie. Man vergleiche
z. B. England und Holland. Die Geschichte des Untergangs Hol-
lands als herrschender Handelsnation ist die Geschichte der Unter-
ordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital. Die
Hindernisse, die die innere Festigkeit und Gliederung vorkapita-
listischer, nationaler Produktionsweisen der auflösenden Wirkung
des Handels entgegensetzt, zeigt sich schlagend im Verkehr der
Engländer mit Indien und China. Die breite Basis der Produk-

49) Wie sehr überwiegend in der holländischen Entwicklung, von andren
Umständen abgesehn, die in Fischfang, Manufaktur und Agrikultur gelegte
Basis, ist schon von Schriftstellern des 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt
worden. S. z. B. Massey. -- Im Gegensatz zu der frühern Auffassung, die
Umfang und Bedeutung des asiatischen, antiken, und mittelalterlichen Handels
unterschätzte, ist es Mode geworden, ihn ausserordentlich zu überschätzen.
Am besten heilt man sich von dieser Vorstellung, wenn man die englische
Aus- und Einfuhr gegen Anfang des 18. Jahrhunderts betrachtet und der
heutigen gegenüber stellt. Und doch war sie unvergleichlich grösser als die
irgend eines frühern Handelsvolks. (Siehe Anderson, History of Commerce.)

ganz falsche Anschauungen erzeugt — dass im 16. und im 17.
Jahrhundert die grossen Revolutionen, die mit den geographischen
Entdeckungen im Handel vorgingen und die Entwicklung des Kauf-
mannskapitals rasch steigerten, ein Hauptmoment bilden in der
Förderung des Uebergangs der feudalen Produktionsweise in die
kapitalistische. Die plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die
Vervielfältigung der umlaufenden Waaren, der Wetteifer unter den
europäischen Nationen, sich der asiatischen Produkte und der ame-
rikanischen Schätze zu bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen
wesentlich bei zur Sprengung der feudalen Schranken der Pro-
duktion. Indess entwickelte sich die moderne Produktionsweise,
in ihrer ersten Periode, der Manufakturperiode, nur da wo die Be-
dingungen dafür sich innerhalb des Mittelalters erzeugt hatten.
Man vergleiche z. B. Holland mit Portugal.49) Und wenn im 16.
und zum Theil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung
des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen
überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten, und den Auf-
schwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah
dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffnen kapitalistischen
Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Pro-
duktionsweise. Andrerseits, die derselben immanente Nothwendigkeit,
auf stets grössrer Stufenleiter zu produciren, treibt zur beständigen Aus-
dehnung des Weltmarkts, sodass der Handel hier nicht die Industrie,
sondern die Industrie beständig den Handel revolutionirt. Auch die
Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das grössre oder geringre
Vorwiegen der Bedingungen der grossen Industrie. Man vergleiche
z. B. England und Holland. Die Geschichte des Untergangs Hol-
lands als herrschender Handelsnation ist die Geschichte der Unter-
ordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital. Die
Hindernisse, die die innere Festigkeit und Gliederung vorkapita-
listischer, nationaler Produktionsweisen der auflösenden Wirkung
des Handels entgegensetzt, zeigt sich schlagend im Verkehr der
Engländer mit Indien und China. Die breite Basis der Produk-

49) Wie sehr überwiegend in der holländischen Entwicklung, von andren
Umständen abgesehn, die in Fischfang, Manufaktur und Agrikultur gelegte
Basis, ist schon von Schriftstellern des 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt
worden. S. z. B. Massey. — Im Gegensatz zu der frühern Auffassung, die
Umfang und Bedeutung des asiatischen, antiken, und mittelalterlichen Handels
unterschätzte, ist es Mode geworden, ihn ausserordentlich zu überschätzen.
Am besten heilt man sich von dieser Vorstellung, wenn man die englische
Aus- und Einfuhr gegen Anfang des 18. Jahrhunderts betrachtet und der
heutigen gegenüber stellt. Und doch war sie unvergleichlich grösser als die
irgend eines frühern Handelsvolks. (Siehe Anderson, History of Commerce.)
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[317/0351] ganz falsche Anschauungen erzeugt — dass im 16. und im 17. Jahrhundert die grossen Revolutionen, die mit den geographischen Entdeckungen im Handel vorgingen und die Entwicklung des Kauf- mannskapitals rasch steigerten, ein Hauptmoment bilden in der Förderung des Uebergangs der feudalen Produktionsweise in die kapitalistische. Die plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die Vervielfältigung der umlaufenden Waaren, der Wetteifer unter den europäischen Nationen, sich der asiatischen Produkte und der ame- rikanischen Schätze zu bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen wesentlich bei zur Sprengung der feudalen Schranken der Pro- duktion. Indess entwickelte sich die moderne Produktionsweise, in ihrer ersten Periode, der Manufakturperiode, nur da wo die Be- dingungen dafür sich innerhalb des Mittelalters erzeugt hatten. Man vergleiche z. B. Holland mit Portugal. 49) Und wenn im 16. und zum Theil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten, und den Auf- schwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffnen kapitalistischen Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Pro- duktionsweise. Andrerseits, die derselben immanente Nothwendigkeit, auf stets grössrer Stufenleiter zu produciren, treibt zur beständigen Aus- dehnung des Weltmarkts, sodass der Handel hier nicht die Industrie, sondern die Industrie beständig den Handel revolutionirt. Auch die Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das grössre oder geringre Vorwiegen der Bedingungen der grossen Industrie. Man vergleiche z. B. England und Holland. Die Geschichte des Untergangs Hol- lands als herrschender Handelsnation ist die Geschichte der Unter- ordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital. Die Hindernisse, die die innere Festigkeit und Gliederung vorkapita- listischer, nationaler Produktionsweisen der auflösenden Wirkung des Handels entgegensetzt, zeigt sich schlagend im Verkehr der Engländer mit Indien und China. Die breite Basis der Produk- 49) Wie sehr überwiegend in der holländischen Entwicklung, von andren Umständen abgesehn, die in Fischfang, Manufaktur und Agrikultur gelegte Basis, ist schon von Schriftstellern des 18. Jahrhunderts auseinandergesetzt worden. S. z. B. Massey. — Im Gegensatz zu der frühern Auffassung, die Umfang und Bedeutung des asiatischen, antiken, und mittelalterlichen Handels unterschätzte, ist es Mode geworden, ihn ausserordentlich zu überschätzen. Am besten heilt man sich von dieser Vorstellung, wenn man die englische Aus- und Einfuhr gegen Anfang des 18. Jahrhunderts betrachtet und der heutigen gegenüber stellt. Und doch war sie unvergleichlich grösser als die irgend eines frühern Handelsvolks. (Siehe Anderson, History of Commerce.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/351>, abgerufen am 24.11.2024.