einer neuen epochemachenden Geschichtstheorie in Italien herum- stolziren, bis die dortigen Sozialisten Zeit finden, dem Illustre Loria die gestohlnen Pfauenfedern herunterzuzupfen.
Das ist aber erst ein kleines Pröbchen von Herrn Lorias Manier. Er versichert uns, dass sämmtliche Theorien von Marx beruhen auf einem bewussten Sophisma (un consaputo sofisma); dass Marx vor Paralogismen nicht zurückscheute, auch wenn er sie als solche erkannte (sapendoli tali) usw. Und nachdem er mit einer ganzen Reihe ähnlicher gemeiner Schnurren seinen Lesern das Nöthige beigebracht hat, damit sie Marx für einen Streber a la Loria ansehn, der seine Effektchen mit denselben kleinen faulen Humbugsmittelchen in Scene setzt wie unser paduanischer Professor, jetzt kann er ihnen ein wichtiges Geheimniss verrathen, und damit führt er auch uns zur Profitrate zurück.
Herr Loria sagt: Nach Marx soll sich die in einem kapitalistischen Industriegeschäft produzirte Masse des Mehrwerths (den Herr Loria hier mit dem Profit identificirt), richten nach dem darin angewandten variablen Kapital, da das konstante Kapital keinen Profit abwirft. Das widerspricht aber der Wirklichkeit. Denn in der Praxis richtet sich der Profit nicht nach dem variablen, sondern nach dem Ge- sammtkapital. Und Marx sieht dies selbst ein (I, Kap. XI) und gibt zu, dass dem Anschein nach die Thatsachen seiner Theorie widersprechen. Wie aber löst er den Widerspruch? Er verweist seine Leser auf einen noch nicht erschienenen folgenden Band. Von diesem Band hatte Loria seinen Lesern schon früher gesagt, er glaube nicht, dass Marx auch nur einen Augenblick daran ge- dacht habe, ihn zu schreiben, und jetzt ruft er triumphirend aus: "nicht mit Unrecht habe ich also behauptet, dieser zweite Band, womit Marx in einem fort seinen Gegnern droht, ohne dass er je erscheint, dieser Band könne sehr wohl ein pfiffiges Auskunfts- mittel gewesen sein, das Marx da anwandte, wo ihm die wissen- schaftlichen Argumente ausgingen (un ingegnoso spediente ideato dal Marx a sostituzione degli argomenti scientifici). Und wer jetzt nicht überzeugt ist, dass Marx auf derselben Höhe des wissen- schaftlichen Schwindels steht wie l'illustre Loria, an dem ist Hopfen und Malz verloren.
Soviel also haben wir gelernt: nach Herrn Loria ist die Marx'sche
einer neuen epochemachenden Geschichtstheorie in Italien herum- stolziren, bis die dortigen Sozialisten Zeit finden, dem Illustre Loria die gestohlnen Pfauenfedern herunterzuzupfen.
Das ist aber erst ein kleines Pröbchen von Herrn Lorias Manier. Er versichert uns, dass sämmtliche Theorien von Marx beruhen auf einem bewussten Sophisma (un consaputo sofisma); dass Marx vor Paralogismen nicht zurückscheute, auch wenn er sie als solche erkannte (sapendoli tali) usw. Und nachdem er mit einer ganzen Reihe ähnlicher gemeiner Schnurren seinen Lesern das Nöthige beigebracht hat, damit sie Marx für einen Streber à la Loria ansehn, der seine Effektchen mit denselben kleinen faulen Humbugsmittelchen in Scene setzt wie unser paduanischer Professor, jetzt kann er ihnen ein wichtiges Geheimniss verrathen, und damit führt er auch uns zur Profitrate zurück.
Herr Loria sagt: Nach Marx soll sich die in einem kapitalistischen Industriegeschäft produzirte Masse des Mehrwerths (den Herr Loria hier mit dem Profit identificirt), richten nach dem darin angewandten variablen Kapital, da das konstante Kapital keinen Profit abwirft. Das widerspricht aber der Wirklichkeit. Denn in der Praxis richtet sich der Profit nicht nach dem variablen, sondern nach dem Ge- sammtkapital. Und Marx sieht dies selbst ein (I, Kap. XI) und gibt zu, dass dem Anschein nach die Thatsachen seiner Theorie widersprechen. Wie aber löst er den Widerspruch? Er verweist seine Leser auf einen noch nicht erschienenen folgenden Band. Von diesem Band hatte Loria seinen Lesern schon früher gesagt, er glaube nicht, dass Marx auch nur einen Augenblick daran ge- dacht habe, ihn zu schreiben, und jetzt ruft er triumphirend aus: „nicht mit Unrecht habe ich also behauptet, dieser zweite Band, womit Marx in einem fort seinen Gegnern droht, ohne dass er je erscheint, dieser Band könne sehr wohl ein pfiffiges Auskunfts- mittel gewesen sein, das Marx da anwandte, wo ihm die wissen- schaftlichen Argumente ausgingen (un ingegnoso spediente ideato dal Marx a sostituzione degli argomenti scientifici). Und wer jetzt nicht überzeugt ist, dass Marx auf derselben Höhe des wissen- schaftlichen Schwindels steht wie l’illustre Loria, an dem ist Hopfen und Malz verloren.
Soviel also haben wir gelernt: nach Herrn Loria ist die Marx’sche
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einer neuen epochemachenden Geschichtstheorie in Italien herum-
stolziren, bis die dortigen Sozialisten Zeit finden, dem Illustre Loria
die gestohlnen Pfauenfedern herunterzuzupfen.
Das ist aber erst ein kleines Pröbchen von Herrn Lorias Manier.
Er versichert uns, dass sämmtliche Theorien von Marx beruhen
auf einem bewussten Sophisma (un consaputo sofisma); dass
Marx vor Paralogismen nicht zurückscheute, auch wenn er sie als
solche erkannte (sapendoli tali) usw. Und nachdem er mit einer
ganzen Reihe ähnlicher gemeiner Schnurren seinen Lesern das
Nöthige beigebracht hat, damit sie Marx für einen Streber à la
Loria ansehn, der seine Effektchen mit denselben kleinen faulen
Humbugsmittelchen in Scene setzt wie unser paduanischer Professor,
jetzt kann er ihnen ein wichtiges Geheimniss verrathen, und damit
führt er auch uns zur Profitrate zurück.
Herr Loria sagt: Nach Marx soll sich die in einem kapitalistischen
Industriegeschäft produzirte Masse des Mehrwerths (den Herr Loria
hier mit dem Profit identificirt), richten nach dem darin angewandten
variablen Kapital, da das konstante Kapital keinen Profit abwirft.
Das widerspricht aber der Wirklichkeit. Denn in der Praxis richtet
sich der Profit nicht nach dem variablen, sondern nach dem Ge-
sammtkapital. Und Marx sieht dies selbst ein (I, Kap. XI) und
gibt zu, dass dem Anschein nach die Thatsachen seiner Theorie
widersprechen. Wie aber löst er den Widerspruch? Er verweist
seine Leser auf einen noch nicht erschienenen folgenden Band.
Von diesem Band hatte Loria seinen Lesern schon früher gesagt,
er glaube nicht, dass Marx auch nur einen Augenblick daran ge-
dacht habe, ihn zu schreiben, und jetzt ruft er triumphirend aus:
„nicht mit Unrecht habe ich also behauptet, dieser zweite Band,
womit Marx in einem fort seinen Gegnern droht, ohne dass er je
erscheint, dieser Band könne sehr wohl ein pfiffiges Auskunfts-
mittel gewesen sein, das Marx da anwandte, wo ihm die wissen-
schaftlichen Argumente ausgingen (un ingegnoso spediente ideato
dal Marx a sostituzione degli argomenti scientifici). Und wer jetzt
nicht überzeugt ist, dass Marx auf derselben Höhe des wissen-
schaftlichen Schwindels steht wie l’illustre Loria, an dem ist Hopfen
und Malz verloren.
Soviel also haben wir gelernt: nach Herrn Loria ist die Marx’sche
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII. Hamburg, 1894, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0301_1894/26>, abgerufen am 25.11.2024.
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