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Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885.

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Cirkulation. Aber der in dem Produkt steckende Mehrwerth, bei Mehr-
werthsrate von 100 %, ist gleich einem Werth von 100 £. Wie kann
sie 600 £ aus der Cirkulation beständig herausziehn, wenn sie beständig
nur 500 £ hineinwirft? Aus Nichts wird Nichts. Die Gesammtklasse
der Kapitalisten kann nichts aus der Cirkulation herausziehn, was nicht
vorher hineingeworfen war.

Es wird hier abgesehn davon, dass die Geldsumme von 400 £
vielleicht hinreicht, um bei zehnmaligem Umschlag Produktionsmittel zum
Werth von 4000 £ und Arbeit zum Werth von 1000 £ zu cirkuliren,
und die übrigen 100 £ für die Cirkulation des Mehrwerths von 1000 £
ebenfalls genügen. Dies Verhältniss der Geldsumme zu dem von ihr
cirkulirten Waarenwerth thut nichts zur Sache. Das Problem bleibt das-
selbe. Fänden nicht verschiedne Umläufe derselben Geldstücke statt, so
wären 5000 £ als Kapital in Cirkulation zu werfen und 1000 £ wären
nöthig um den Mehrwerth zu versilbern. Es fragt sich, wo dies letztre
Geld herkommt, ob nun 1000 oder 100 £. Jedenfalls ist es ein Ueber-
schuss über das in Cirkulation geworfne Geldkapital.

In der That, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapi-
talistenklasse selbst wirft das Geld in Cirkulation, das zur Realisirung
des in den Waaren steckenden Mehrwerths dient. Aber nota bene: sie
wirft es hinein nicht als vorgeschossnes Geld, also nicht als Kapital.
Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuelle Konsumtion. Es
ist also nicht von ihr vorgeschossen, obgleich sie der Ausgangspunkt
seiner Cirkulation ist.

Nehmen wir einen einzelnen Kapitalisten, der sein Geschäft eröffnet,
z. B. einen Pächter. Während des ersten Jahrs schiesst er ein Geld-
kapital, sage von 5000 £ vor, in Zahlung von Produktionsmitteln
(4000 £) und von Arbeitskraft (1000 £). Die Mehrwerthsrate sei
100 %, der von ihm angeeignete Mehrwerth = 1000 £. Die obigen
5000 £ schliessen alles Geld ein, was er als Geldkapital vorschiesst.
Aber der Mann muss auch leben, und er nimmt kein Geld ein vor Ende
des Jahrs. Sein Konsum betrage 1000 £. Diese muss er besitzen.
Er sagt zwar, dass er sich diese 1000 £ vorschiessen muss während
des ersten Jahrs. Doch heisst dies Vorschiessen -- das hier nur sub-
jektiven Sinn hat -- weiter nichts als dass er das erste Jahr seine in-
dividuelle Konsumtion aus eigner Tasche, statt aus der Gratisproduktion

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Cirkulation. Aber der in dem Produkt steckende Mehrwerth, bei Mehr-
werthsrate von 100 %, ist gleich einem Werth von 100 £. Wie kann
sie 600 £ aus der Cirkulation beständig herausziehn, wenn sie beständig
nur 500 £ hineinwirft? Aus Nichts wird Nichts. Die Gesammtklasse
der Kapitalisten kann nichts aus der Cirkulation herausziehn, was nicht
vorher hineingeworfen war.

Es wird hier abgesehn davon, dass die Geldsumme von 400 £
vielleicht hinreicht, um bei zehnmaligem Umschlag Produktionsmittel zum
Werth von 4000 £ und Arbeit zum Werth von 1000 £ zu cirkuliren,
und die übrigen 100 £ für die Cirkulation des Mehrwerths von 1000 £
ebenfalls genügen. Dies Verhältniss der Geldsumme zu dem von ihr
cirkulirten Waarenwerth thut nichts zur Sache. Das Problem bleibt das-
selbe. Fänden nicht verschiedne Umläufe derselben Geldstücke statt, so
wären 5000 £ als Kapital in Cirkulation zu werfen und 1000 £ wären
nöthig um den Mehrwerth zu versilbern. Es fragt sich, wo dies letztre
Geld herkommt, ob nun 1000 oder 100 £. Jedenfalls ist es ein Ueber-
schuss über das in Cirkulation geworfne Geldkapital.

In der That, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapi-
talistenklasse selbst wirft das Geld in Cirkulation, das zur Realisirung
des in den Waaren steckenden Mehrwerths dient. Aber nota bene: sie
wirft es hinein nicht als vorgeschossnes Geld, also nicht als Kapital.
Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuelle Konsumtion. Es
ist also nicht von ihr vorgeschossen, obgleich sie der Ausgangspunkt
seiner Cirkulation ist.

Nehmen wir einen einzelnen Kapitalisten, der sein Geschäft eröffnet,
z. B. einen Pächter. Während des ersten Jahrs schiesst er ein Geld-
kapital, sage von 5000 £ vor, in Zahlung von Produktionsmitteln
(4000 £) und von Arbeitskraft (1000 £). Die Mehrwerthsrate sei
100 %, der von ihm angeeignete Mehrwerth = 1000 £. Die obigen
5000 £ schliessen alles Geld ein, was er als Geldkapital vorschiesst.
Aber der Mann muss auch leben, und er nimmt kein Geld ein vor Ende
des Jahrs. Sein Konsum betrage 1000 £. Diese muss er besitzen.
Er sagt zwar, dass er sich diese 1000 £ vorschiessen muss während
des ersten Jahrs. Doch heisst dies Vorschiessen — das hier nur sub-
jektiven Sinn hat — weiter nichts als dass er das erste Jahr seine in-
dividuelle Konsumtion aus eigner Tasche, statt aus der Gratisproduktion

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[323/0357] Cirkulation. Aber der in dem Produkt steckende Mehrwerth, bei Mehr- werthsrate von 100 %, ist gleich einem Werth von 100 £. Wie kann sie 600 £ aus der Cirkulation beständig herausziehn, wenn sie beständig nur 500 £ hineinwirft? Aus Nichts wird Nichts. Die Gesammtklasse der Kapitalisten kann nichts aus der Cirkulation herausziehn, was nicht vorher hineingeworfen war. Es wird hier abgesehn davon, dass die Geldsumme von 400 £ vielleicht hinreicht, um bei zehnmaligem Umschlag Produktionsmittel zum Werth von 4000 £ und Arbeit zum Werth von 1000 £ zu cirkuliren, und die übrigen 100 £ für die Cirkulation des Mehrwerths von 1000 £ ebenfalls genügen. Dies Verhältniss der Geldsumme zu dem von ihr cirkulirten Waarenwerth thut nichts zur Sache. Das Problem bleibt das- selbe. Fänden nicht verschiedne Umläufe derselben Geldstücke statt, so wären 5000 £ als Kapital in Cirkulation zu werfen und 1000 £ wären nöthig um den Mehrwerth zu versilbern. Es fragt sich, wo dies letztre Geld herkommt, ob nun 1000 oder 100 £. Jedenfalls ist es ein Ueber- schuss über das in Cirkulation geworfne Geldkapital. In der That, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapi- talistenklasse selbst wirft das Geld in Cirkulation, das zur Realisirung des in den Waaren steckenden Mehrwerths dient. Aber nota bene: sie wirft es hinein nicht als vorgeschossnes Geld, also nicht als Kapital. Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuelle Konsumtion. Es ist also nicht von ihr vorgeschossen, obgleich sie der Ausgangspunkt seiner Cirkulation ist. Nehmen wir einen einzelnen Kapitalisten, der sein Geschäft eröffnet, z. B. einen Pächter. Während des ersten Jahrs schiesst er ein Geld- kapital, sage von 5000 £ vor, in Zahlung von Produktionsmitteln (4000 £) und von Arbeitskraft (1000 £). Die Mehrwerthsrate sei 100 %, der von ihm angeeignete Mehrwerth = 1000 £. Die obigen 5000 £ schliessen alles Geld ein, was er als Geldkapital vorschiesst. Aber der Mann muss auch leben, und er nimmt kein Geld ein vor Ende des Jahrs. Sein Konsum betrage 1000 £. Diese muss er besitzen. Er sagt zwar, dass er sich diese 1000 £ vorschiessen muss während des ersten Jahrs. Doch heisst dies Vorschiessen — das hier nur sub- jektiven Sinn hat — weiter nichts als dass er das erste Jahr seine in- dividuelle Konsumtion aus eigner Tasche, statt aus der Gratisproduktion 21*

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/357>, abgerufen am 16.07.2024.