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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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von Holland, dem das verfallende Venedig grosse Geldsummen lieh.
Ebenso verhält es sich zwischen Holland und England. Schon im Anfang
des 18. Jahrhunderts sind die Manufakturen Hollands weit überflügelt und
hat es aufgehört, herrschende Industrie- und Handelsnation zu sein. Eins
seiner Hauptgeschäfte von 1701--1776 wird daher das Ausleihn unge-
heurer Kapitalien, speziell an seinen übermächtigen Konkurrenten Eng-
land. Aehnliches gilt jetzt von England und den Vereinigten Staaten.
Manch Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein
auftritt, ist erst gestern in England kapitalisirtes Kinderblut.

Das Protektions system war ein Kunstmittel Fabrikanten zu
fabriciren, unabhängige Arbeiter zu expropriiren, die nationa-
len Produktions- und Lebensmittel zu kapitalisiren, den Ueber-
gangaus der alterthümlichen in die moderne Produktionsweise
gewaltsam abzukürzen
. Die europäischen Staaten rissen sich um das
Patent dieser Erfindung, und einmal in den Dienst der Plusmacher eingetreten,
brandschatzten sie zu jenem Behuf nicht nur das eigne Volk, indirekt durch
Schutzzölle, direkt durch Exportprämien u. s. w. In den abhängigen Neben-
landen wurde alle Industrie gewaltsam ausgerodet, wie z. B. die irische Woll-
manufaktur von England. Auf dem europäischen Kontinent ward nach Col-
bert's Vorgang der Prozess noch sehr vereinfacht. Das ursprüngliche
Kapital des Industriellen
fliesst hier zum Theil direkt aus dem
Staatsschatz
. "Warum," ruft Mirabeau, "so weit die Ursache des Ma-
nufakturglanzes Sachsens vor dem siebenjährigen Krieg suchen gehn? 180
Millionen Staatsschulden"244)!

Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Protektion, Handels-
kriege u. s. w., diese Sprösslinge der eigentlichen Manufakturperiode,
schwellen riesenhaft während der Kinderperiode der grossen Industrie.
Die Geburt der letzteren wird gefeiert durch den grossen herodischen Kin-
derraub
. So blasirt Sir F. M. Eden ist über die Greuel der Expropria-
tion des Landvolks von Grund und Boden seit dem letzten Drittel des
15. Jahrhunderts bis zu seiner Zeit, dem Ende des 18. Jahrhunderts; so
selbstgefällig er gratulirt zu diesem Prozess, "nothwendig", um die kapi-

244) "Pourquoi aller chercher si loin la cause de l'eclat manufacturier de la
Saxe avant la guerre? Cent quatre-vingt millions de dettes faites par les souve-
rains!" Mirabeau l. c. t. VI, p. 101.

von Holland, dem das verfallende Venedig grosse Geldsummen lieh.
Ebenso verhält es sich zwischen Holland und England. Schon im Anfang
des 18. Jahrhunderts sind die Manufakturen Hollands weit überflügelt und
hat es aufgehört, herrschende Industrie- und Handelsnation zu sein. Eins
seiner Hauptgeschäfte von 1701—1776 wird daher das Ausleihn unge-
heurer Kapitalien, speziell an seinen übermächtigen Konkurrenten Eng-
land. Aehnliches gilt jetzt von England und den Vereinigten Staaten.
Manch Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein
auftritt, ist erst gestern in England kapitalisirtes Kinderblut.

Das Protektions system war ein Kunstmittel Fabrikanten zu
fabriciren, unabhängige Arbeiter zu expropriiren, die nationa-
len Produktions- und Lebensmittel zu kapitalisiren, den Ueber-
gangaus der alterthümlichen in die moderne Produktionsweise
gewaltsam abzukürzen
. Die europäischen Staaten rissen sich um das
Patent dieser Erfindung, und einmal in den Dienst der Plusmacher eingetreten,
brandschatzten sie zu jenem Behuf nicht nur das eigne Volk, indirekt durch
Schutzzölle, direkt durch Exportprämien u. s. w. In den abhängigen Neben-
landen wurde alle Industrie gewaltsam ausgerodet, wie z. B. die irische Woll-
manufaktur von England. Auf dem europäischen Kontinent ward nach Col-
bert’s Vorgang der Prozess noch sehr vereinfacht. Das ursprüngliche
Kapital des Industriellen
fliesst hier zum Theil direkt aus dem
Staatsschatz
. „Warum,“ ruft Mirabeau, „so weit die Ursache des Ma-
nufakturglanzes Sachsens vor dem siebenjährigen Krieg suchen gehn? 180
Millionen Staatsschulden“244)!

Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Protektion, Handels-
kriege u. s. w., diese Sprösslinge der eigentlichen Manufakturperiode,
schwellen riesenhaft während der Kinderperiode der grossen Industrie.
Die Geburt der letzteren wird gefeiert durch den grossen herodischen Kin-
derraub
. So blasirt Sir F. M. Eden ist über die Greuel der Expropria-
tion des Landvolks von Grund und Boden seit dem letzten Drittel des
15. Jahrhunderts bis zu seiner Zeit, dem Ende des 18. Jahrhunderts; so
selbstgefällig er gratulirt zu diesem Prozess, „nothwendig“, um die kapi-

244) „Pourquoi aller chercher si loin la cause de l’éclat manufacturier de la
Saxe avant la guerre? Cent quatre-vingt millions de dettes faites par les souve-
rains!“ Mirabeau l. c. t. VI, p. 101.
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[738/0757] von Holland, dem das verfallende Venedig grosse Geldsummen lieh. Ebenso verhält es sich zwischen Holland und England. Schon im Anfang des 18. Jahrhunderts sind die Manufakturen Hollands weit überflügelt und hat es aufgehört, herrschende Industrie- und Handelsnation zu sein. Eins seiner Hauptgeschäfte von 1701—1776 wird daher das Ausleihn unge- heurer Kapitalien, speziell an seinen übermächtigen Konkurrenten Eng- land. Aehnliches gilt jetzt von England und den Vereinigten Staaten. Manch Kapital, das heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsschein auftritt, ist erst gestern in England kapitalisirtes Kinderblut. Das Protektions system war ein Kunstmittel Fabrikanten zu fabriciren, unabhängige Arbeiter zu expropriiren, die nationa- len Produktions- und Lebensmittel zu kapitalisiren, den Ueber- gangaus der alterthümlichen in die moderne Produktionsweise gewaltsam abzukürzen. Die europäischen Staaten rissen sich um das Patent dieser Erfindung, und einmal in den Dienst der Plusmacher eingetreten, brandschatzten sie zu jenem Behuf nicht nur das eigne Volk, indirekt durch Schutzzölle, direkt durch Exportprämien u. s. w. In den abhängigen Neben- landen wurde alle Industrie gewaltsam ausgerodet, wie z. B. die irische Woll- manufaktur von England. Auf dem europäischen Kontinent ward nach Col- bert’s Vorgang der Prozess noch sehr vereinfacht. Das ursprüngliche Kapital des Industriellen fliesst hier zum Theil direkt aus dem Staatsschatz. „Warum,“ ruft Mirabeau, „so weit die Ursache des Ma- nufakturglanzes Sachsens vor dem siebenjährigen Krieg suchen gehn? 180 Millionen Staatsschulden“ 244)! Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Protektion, Handels- kriege u. s. w., diese Sprösslinge der eigentlichen Manufakturperiode, schwellen riesenhaft während der Kinderperiode der grossen Industrie. Die Geburt der letzteren wird gefeiert durch den grossen herodischen Kin- derraub. So blasirt Sir F. M. Eden ist über die Greuel der Expropria- tion des Landvolks von Grund und Boden seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts bis zu seiner Zeit, dem Ende des 18. Jahrhunderts; so selbstgefällig er gratulirt zu diesem Prozess, „nothwendig“, um die kapi- 244) „Pourquoi aller chercher si loin la cause de l’éclat manufacturier de la Saxe avant la guerre? Cent quatre-vingt millions de dettes faites par les souve- rains!“ Mirabeau l. c. t. VI, p. 101.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/757>, abgerufen am 25.11.2024.