welches den Konkurrenzkampf zwischen Kapital und Arbeit staatspolizei- lich innerhalb der dem Kapital bequemen Schranken einzwängt, überlebte Revolutionen und Dynastiewechsel. Selbst die Schreckensregierung liess es unangetastet. Es ward erst ganz neulich aus dem Code Penal ge- strichen. Nichts charakteristischer als der Vorwand dieses bürgerlichen Staatsstreichs. "Obgleich", sagt Chapelier, der Berichterstatter, "es wünschenswerth, dass der Arbeitslohn höher steige als er jetzt steht, damit der, der ihn empfängt, ausserhalb der absoluten Abhängig- keit sei, welche die Entbehrung der nothwendigen Lebensmittel produ- cirt, und welche fast die Abhängigkeit der Sklaverei ist", dürfen dennoch die Arbeiter sich nicht über ihre Interessen verständigen, gemeinsam handeln und dadurch ihre "absolute Abhängigkeit, welche fast Sklaverei ist", mässigen, weil sie eben dadurch "die Freiheit ihrer ci-devant maeitres, der jetzigen Unternehmer", verletzen (die Frei- heit, die Arbeiter in der Sklaverei zu erhalten!), und weil eine Koali- tion gegen die Despotie der ehemaligen Meister der Cor- porationen -- man rathe! -- eine Herstellung der durch die französische Konstitution abgeschafften Corporationen ist!227)
Nachdem wir die gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrach- tet, die blutige Disciplin, welche sie in Lohnarbeiter verwandelt, die schmutzige Haupt- und Staatsaktion, die mit dem Exploitationsgrad der Arbeit die Ac- cumulation des Kapitals polizeilich steigert, fragt sich, wo kommen die Kapi- talisten ursprünglich her? Denn die Expropriation des Landvolks schafft unmittelbar nur grosse Grundeigenthümer. Was die Genesis des Pächters betrifft, so können wir sie so zu sagen mit der Hand be- tappen, weil sie ein langsamer, über viele Jahrhunderte sich fortwälzen- der Prozess ist. Die Leibeignen selbst, woneben auch freie kleine Land- eigner, befanden sich in sehr verschiednen Besitzverhältnissen und wurden daher auch unter sehr verschiednen ökonomischen Bedingungen emancipirt. In England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigne Bailiff. Seine Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer Wirkungssphäre. Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er ersetzt durch einen freien Pächter, den der Landlord mit Samen, Vieh und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr verschieden von
227)Buchezet Roux: "Histoire Parlamentaire", t. X, p. 195.
welches den Konkurrenzkampf zwischen Kapital und Arbeit staatspolizei- lich innerhalb der dem Kapital bequemen Schranken einzwängt, überlebte Revolutionen und Dynastiewechsel. Selbst die Schreckensregierung liess es unangetastet. Es ward erst ganz neulich aus dem Code Pénal ge- strichen. Nichts charakteristischer als der Vorwand dieses bürgerlichen Staatsstreichs. „Obgleich“, sagt Chapelier, der Berichterstatter, „es wünschenswerth, dass der Arbeitslohn höher steige als er jetzt steht, damit der, der ihn empfängt, ausserhalb der absoluten Abhängig- keit sei, welche die Entbehrung der nothwendigen Lebensmittel produ- cirt, und welche fast die Abhängigkeit der Sklaverei ist“, dürfen dennoch die Arbeiter sich nicht über ihre Interessen verständigen, gemeinsam handeln und dadurch ihre „absolute Abhängigkeit, welche fast Sklaverei ist“, mässigen, weil sie eben dadurch „die Freiheit ihrer ci-devant maîtres, der jetzigen Unternehmer“, verletzen (die Frei- heit, die Arbeiter in der Sklaverei zu erhalten!), und weil eine Koali- tion gegen die Despotie der ehemaligen Meister der Cor- porationen — man rathe! — eine Herstellung der durch die französische Konstitution abgeschafften Corporationen ist!227)
Nachdem wir die gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrach- tet, die blutige Disciplin, welche sie in Lohnarbeiter verwandelt, die schmutzige Haupt- und Staatsaktion, die mit dem Exploitationsgrad der Arbeit die Ac- cumulation des Kapitals polizeilich steigert, fragt sich, wo kommen die Kapi- talisten ursprünglich her? Denn die Expropriation des Landvolks schafft unmittelbar nur grosse Grundeigenthümer. Was die Genesis des Pächters betrifft, so können wir sie so zu sagen mit der Hand be- tappen, weil sie ein langsamer, über viele Jahrhunderte sich fortwälzen- der Prozess ist. Die Leibeignen selbst, woneben auch freie kleine Land- eigner, befanden sich in sehr verschiednen Besitzverhältnissen und wurden daher auch unter sehr verschiednen ökonomischen Bedingungen emancipirt. In England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigne Bailiff. Seine Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer Wirkungssphäre. Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er ersetzt durch einen freien Pächter, den der Landlord mit Samen, Vieh und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr verschieden von
227)Buchezet Roux: „Histoire Parlamentaire“, t. X, p. 195.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0745"n="726"/>
welches den Konkurrenzkampf zwischen Kapital und Arbeit staatspolizei-<lb/>
lich innerhalb der dem Kapital bequemen Schranken einzwängt, überlebte<lb/>
Revolutionen und Dynastiewechsel. Selbst die Schreckensregierung liess<lb/>
es unangetastet. Es ward erst ganz neulich aus dem Code Pénal ge-<lb/>
strichen. Nichts charakteristischer als der Vorwand dieses bürgerlichen<lb/>
Staatsstreichs. „Obgleich“, sagt <hirendition="#g">Chapelier</hi>, der Berichterstatter,<lb/>„es wünschenswerth, dass der Arbeitslohn höher steige als er jetzt steht,<lb/>
damit der, der ihn empfängt, ausserhalb <hirendition="#g">der absoluten Abhängig-<lb/>
keit</hi> sei, welche die Entbehrung der nothwendigen Lebensmittel produ-<lb/>
cirt, und welche <hirendition="#g">fast die Abhängigkeit der Sklaverei</hi> ist“,<lb/>
dürfen dennoch die Arbeiter sich nicht über ihre Interessen verständigen,<lb/>
gemeinsam handeln und dadurch ihre „absolute Abhängigkeit, welche fast<lb/>
Sklaverei ist“, mässigen, weil sie eben dadurch „<hirendition="#g">die Freiheit</hi> ihrer<lb/><hirendition="#g">ci-devant maîtres</hi>, der jetzigen Unternehmer“, verletzen (die Frei-<lb/>
heit, die Arbeiter in der Sklaverei zu erhalten!), und weil eine <hirendition="#g">Koali-<lb/>
tion gegen die Despotie der ehemaligen Meister der Cor-<lb/>
porationen</hi>— man rathe! — eine <hirendition="#g">Herstellung</hi> der durch die<lb/>
französische Konstitution <hirendition="#g">abgeschafften Corporationen ist</hi>!<noteplace="foot"n="227)"><hirendition="#g">Buchezet Roux</hi>: „<hirendition="#g">Histoire Parlamentaire</hi>“, t. X, p. 195.</note></p><lb/><p>Nachdem wir die gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrach-<lb/>
tet, die blutige Disciplin, welche sie in Lohnarbeiter verwandelt, die schmutzige<lb/>
Haupt- und Staatsaktion, die mit dem Exploitationsgrad der Arbeit die Ac-<lb/>
cumulation des Kapitals polizeilich steigert, fragt sich, wo kommen die <hirendition="#g">Kapi-<lb/>
talisten</hi> ursprünglich her? Denn die Expropriation des Landvolks schafft<lb/><hirendition="#g">unmittelbar</hi> nur grosse <hirendition="#g">Grundeigenthümer</hi>. Was die Genesis<lb/>
des <hirendition="#g">Pächters</hi> betrifft, so können wir sie so zu sagen mit der Hand be-<lb/>
tappen, weil sie ein langsamer, über viele Jahrhunderte sich fortwälzen-<lb/>
der Prozess ist. Die Leibeignen selbst, woneben auch freie kleine Land-<lb/>
eigner, befanden sich in sehr verschiednen Besitzverhältnissen und wurden<lb/>
daher auch unter sehr verschiednen ökonomischen Bedingungen emancipirt.<lb/>
In England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigne <hirendition="#g">Bailiff</hi>.<lb/>
Seine Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer<lb/>
Wirkungssphäre. Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird<lb/>
er ersetzt durch einen freien Pächter, den der Landlord mit Samen, Vieh<lb/>
und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr verschieden von<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[726/0745]
welches den Konkurrenzkampf zwischen Kapital und Arbeit staatspolizei-
lich innerhalb der dem Kapital bequemen Schranken einzwängt, überlebte
Revolutionen und Dynastiewechsel. Selbst die Schreckensregierung liess
es unangetastet. Es ward erst ganz neulich aus dem Code Pénal ge-
strichen. Nichts charakteristischer als der Vorwand dieses bürgerlichen
Staatsstreichs. „Obgleich“, sagt Chapelier, der Berichterstatter,
„es wünschenswerth, dass der Arbeitslohn höher steige als er jetzt steht,
damit der, der ihn empfängt, ausserhalb der absoluten Abhängig-
keit sei, welche die Entbehrung der nothwendigen Lebensmittel produ-
cirt, und welche fast die Abhängigkeit der Sklaverei ist“,
dürfen dennoch die Arbeiter sich nicht über ihre Interessen verständigen,
gemeinsam handeln und dadurch ihre „absolute Abhängigkeit, welche fast
Sklaverei ist“, mässigen, weil sie eben dadurch „die Freiheit ihrer
ci-devant maîtres, der jetzigen Unternehmer“, verletzen (die Frei-
heit, die Arbeiter in der Sklaverei zu erhalten!), und weil eine Koali-
tion gegen die Despotie der ehemaligen Meister der Cor-
porationen — man rathe! — eine Herstellung der durch die
französische Konstitution abgeschafften Corporationen ist! 227)
Nachdem wir die gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrach-
tet, die blutige Disciplin, welche sie in Lohnarbeiter verwandelt, die schmutzige
Haupt- und Staatsaktion, die mit dem Exploitationsgrad der Arbeit die Ac-
cumulation des Kapitals polizeilich steigert, fragt sich, wo kommen die Kapi-
talisten ursprünglich her? Denn die Expropriation des Landvolks schafft
unmittelbar nur grosse Grundeigenthümer. Was die Genesis
des Pächters betrifft, so können wir sie so zu sagen mit der Hand be-
tappen, weil sie ein langsamer, über viele Jahrhunderte sich fortwälzen-
der Prozess ist. Die Leibeignen selbst, woneben auch freie kleine Land-
eigner, befanden sich in sehr verschiednen Besitzverhältnissen und wurden
daher auch unter sehr verschiednen ökonomischen Bedingungen emancipirt.
In England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigne Bailiff.
Seine Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer
Wirkungssphäre. Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird
er ersetzt durch einen freien Pächter, den der Landlord mit Samen, Vieh
und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr verschieden von
227) Buchezet Roux: „Histoire Parlamentaire“, t. X, p. 195.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/745>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.