und Boden dem Kapital einverleibt, der städtischen Industrie die nöthige Zufuhr von vogelfreiem Proletariat geschaffen.
Die durch Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stoss- weise, gewaltsame Expropriation von Grund und Boden Verjagten, diess vogelfreie Proletariat konnte unmöglich eben so rasch von der auf- kommenden Manufaktur absorbirt werden als es auf die Welt gesetzt ward. Andrerseits konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten sich nicht eben so plötzlich in die Disciplin des neuen Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Va- gabunden, zum Theil aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des 15. und während des ganzen 16. Jahrh. daher in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabun- dage. Die Väter der jetzigen Arbeiterklasse wurden zunächst für die ihnen angethane Verwandlung in Vagabunden und Paupers gezüchtigt. Die Gesetzgebung behandelte sie als "freiwillige" Verbrecher und unter- stellte, dass es von ihrem guten Willen abhänge, in den nicht mehr existirenden alten Verhältnissen fortzuarbeiten.
In England begann jene Gesetzgebung unter Heinrich VII.
Heinrich VIII., 1530: Alte und arbeitsunfähige Bettler erhal- ten eine Bettellicenz. Dagegen Auspeitschung und Einsperrung für hand- feste Vagabunden. Sie sollen an einen Karren hinten angebunden und gegeisselt werden, bis das Blut von ihrem Körper strömt, dann einen Eid schwören, zu ihrem Geburtsplatz, oder dorthin, wo sie die letzten drei Jahre gewohnt, zurückzukehren und "sich an die Arbeit zu setzen" (to put himself to labour). Welche grausame Ironie! 27 Heinrich VIII. wird das vorige Statut wiederholt, aber durch neue Zusätze verschärft. Bei zweiter Ertappung auf Vagabundage soll die Auspeitschung wieder- holt und das halbe Ohr abgeschnitten, bei dritter Recidive aber der Be- troffene als schwerer Verbrecher und Feind des Gemeinwesens hingerichtet werden.
Edward VI.: Ein Statut aus seinem ersten Regierungsjahr, 1547, verordnet, dass wenn Jemand zu arbeiten weigert, soll er als Sklave der Person zugeurtheilt werden, die ihn als Müssiggänger denuncirt hat. Der Meister soll seinen Sklaven mit Brod und Wasser nähren, schwachem Ge- tränk und solchen Fleischabfällen, die er passend dünkt. Er hat das Recht, ihn zu jeder auch noch so eklen Arbeit durch Auspeitschung und
und Boden dem Kapital einverleibt, der städtischen Industrie die nöthige Zufuhr von vogelfreiem Proletariat geschaffen.
Die durch Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stoss- weise, gewaltsame Expropriation von Grund und Boden Verjagten, diess vogelfreie Proletariat konnte unmöglich eben so rasch von der auf- kommenden Manufaktur absorbirt werden als es auf die Welt gesetzt ward. Andrerseits konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten sich nicht eben so plötzlich in die Disciplin des neuen Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Va- gabunden, zum Theil aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des 15. und während des ganzen 16. Jahrh. daher in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabun- dage. Die Väter der jetzigen Arbeiterklasse wurden zunächst für die ihnen angethane Verwandlung in Vagabunden und Paupers gezüchtigt. Die Gesetzgebung behandelte sie als „freiwillige“ Verbrecher und unter- stellte, dass es von ihrem guten Willen abhänge, in den nicht mehr existirenden alten Verhältnissen fortzuarbeiten.
In England begann jene Gesetzgebung unter Heinrich VII.
Heinrich VIII., 1530: Alte und arbeitsunfähige Bettler erhal- ten eine Bettellicenz. Dagegen Auspeitschung und Einsperrung für hand- feste Vagabunden. Sie sollen an einen Karren hinten angebunden und gegeisselt werden, bis das Blut von ihrem Körper strömt, dann einen Eid schwören, zu ihrem Geburtsplatz, oder dorthin, wo sie die letzten drei Jahre gewohnt, zurückzukehren und „sich an die Arbeit zu setzen“ (to put himself to labour). Welche grausame Ironie! 27 Heinrich VIII. wird das vorige Statut wiederholt, aber durch neue Zusätze verschärft. Bei zweiter Ertappung auf Vagabundage soll die Auspeitschung wieder- holt und das halbe Ohr abgeschnitten, bei dritter Recidive aber der Be- troffene als schwerer Verbrecher und Feind des Gemeinwesens hingerichtet werden.
Edward VI.: Ein Statut aus seinem ersten Regierungsjahr, 1547, verordnet, dass wenn Jemand zu arbeiten weigert, soll er als Sklave der Person zugeurtheilt werden, die ihn als Müssiggänger denuncirt hat. Der Meister soll seinen Sklaven mit Brod und Wasser nähren, schwachem Ge- tränk und solchen Fleischabfällen, die er passend dünkt. Er hat das Recht, ihn zu jeder auch noch so eklen Arbeit durch Auspeitschung und
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diess vogelfreie Proletariat konnte unmöglich eben so rasch von der auf-
kommenden Manufaktur absorbirt werden als es auf die Welt gesetzt
ward. Andrerseits konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn
Herausgeschleuderten sich nicht eben so plötzlich in die Disciplin des neuen
Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Va-
gabunden, zum Theil aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang
der Umstände. Ende des 15. und während des ganzen 16. Jahrh. daher
in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabun-
dage. Die Väter der jetzigen Arbeiterklasse wurden zunächst für die ihnen
angethane Verwandlung in Vagabunden und Paupers gezüchtigt. Die
Gesetzgebung behandelte sie als „freiwillige“ Verbrecher und unter-
stellte, dass es von ihrem guten Willen abhänge, in den nicht
mehr existirenden alten Verhältnissen fortzuarbeiten.
In England begann jene Gesetzgebung unter Heinrich VII.
Heinrich VIII., 1530: Alte und arbeitsunfähige Bettler erhal-
ten eine Bettellicenz. Dagegen Auspeitschung und Einsperrung für hand-
feste Vagabunden. Sie sollen an einen Karren hinten angebunden und
gegeisselt werden, bis das Blut von ihrem Körper strömt, dann einen Eid
schwören, zu ihrem Geburtsplatz, oder dorthin, wo sie die letzten drei
Jahre gewohnt, zurückzukehren und „sich an die Arbeit zu setzen“ (to
put himself to labour). Welche grausame Ironie! 27 Heinrich VIII.
wird das vorige Statut wiederholt, aber durch neue Zusätze verschärft.
Bei zweiter Ertappung auf Vagabundage soll die Auspeitschung wieder-
holt und das halbe Ohr abgeschnitten, bei dritter Recidive aber der Be-
troffene als schwerer Verbrecher und Feind des Gemeinwesens hingerichtet
werden.
Edward VI.: Ein Statut aus seinem ersten Regierungsjahr, 1547,
verordnet, dass wenn Jemand zu arbeiten weigert, soll er als Sklave der
Person zugeurtheilt werden, die ihn als Müssiggänger denuncirt hat. Der
Meister soll seinen Sklaven mit Brod und Wasser nähren, schwachem Ge-
tränk und solchen Fleischabfällen, die er passend dünkt. Er hat das
Recht, ihn zu jeder auch noch so eklen Arbeit durch Auspeitschung und
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/738>, abgerufen am 25.11.2024.
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