Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.sich nur nicht einbilden, dass selbst der auf dem Grund und Boden, den er Hausvermiether. In diesem Fall findet der Landarbeiter in ihm einen zweiten Meister neben dem Pächter. Er muss zugleich sein Miether und Kunde sein. "Mit 10 sh. per Woche, minus einer jährlichen Rente von 4 Pfd. St., ist er verpflichtet, sein modicum von Thee, Zucker, Mehl, Seife, Kerzen und Bier zu den dem Krämer beliebten Preisen zu kaufen." (l. c. p. 131.) Diese offenen Dorfschaften bilden in der That die "Strafkolonieen" des englischen Ackerbauprole- tariats. Viele der Cottages sind reine Logirhäuser, wo alles vagabundirende Gesindel der Umgegend durchpassirt. Der Landmann und seine Familie, die oft wahrhaft wunderbar in den schmutzigsten Verhältnissen Tüchtigkeit und Reinheit des Charakters bewahrt hatten, gehn hier platterdings zum Teufel. Es ist natürlich Mode unter den vornehmen Shylocks über die Bauspekulanten und die kleinen Eigenthümer und die offenen Orte pharisäisch die Achsel zu zucken. Sie wissen sehr wohl, dass ihre "geschlossenen Dörfer" und "Schaudörfer" die Geburts- stätten der "offenen Orte" sind und ohne dieselben nicht existiren könnten. "Ohne die kleinen Eigenthümer der offenen Orte müsste der grösste Theil der Landarbeiter unter den Bäumen der Güter schlafen, worauf sie arbeiten." l. c. p. 135.) Das System der "offenen" und "geschlossenen" Dörfer herrscht in allen Midlands und im ganzen Osten Englands. 166) "Der Hausvermiether (der Pächter oder Landlord) bereichert sich direkt oder
indirekt durch die Arbeit eines Mannes, dem er 10 sh. per Woche zahlt, und zwackt dann wieder von diesem armen Teufel 4 oder 5 Pfd. St. jährliche Miethe für Häuser ab, die keine 20 Pfd. St. auf offenem Markt werth sind, aber auf ihrem künstlichen Preis erhalten werden durch die Macht des Eigenthümers zu sagen: "Nimm mein Haus, oder pack' Dich und suche anderswo ein Unterkommen, ohne Charaktercertifikat von mir" ... Wünscht ein Mann sich zu verbessern und als Schienenleger zu einer Eisenbahn zu gehn oder einem Steinbruch, wieder ist dieselbe Macht bereit mit einem: "Arbeite für mich zu diesem niedrigen Arbeits- lohn, oder pack' Dich auf eine Woche Kündigung; nimm Dein Schwein mit Dir, wenn Du eins hast, und schau' zu, was Du aus den Kartoffeln herausschlägst, die in Deinem Garten wachsen." Steht jedoch das Interesse nach der andern Seite, so zieht in solchen Fällen der Eigenthümer [resp. Pächter] manchmal eine er- höhte Hausmiethe vor als Strafe für die Desertion aus seinem Dienst." (Dr. Hunter l. c. p. 131.) sich nur nicht einbilden, dass selbst der auf dem Grund und Boden, den er Hausvermiether. In diesem Fall findet der Landarbeiter in ihm einen zweiten Meister neben dem Pächter. Er muss zugleich sein Miether und Kunde sein. „Mit 10 sh. per Woche, minus einer jährlichen Rente von 4 Pfd. St., ist er verpflichtet, sein modicum von Thee, Zucker, Mehl, Seife, Kerzen und Bier zu den dem Krämer beliebten Preisen zu kaufen.“ (l. c. p. 131.) Diese offenen Dorfschaften bilden in der That die „Strafkolonieen“ des englischen Ackerbauprole- tariats. Viele der Cottages sind reine Logirhäuser, wo alles vagabundirende Gesindel der Umgegend durchpassirt. Der Landmann und seine Familie, die oft wahrhaft wunderbar in den schmutzigsten Verhältnissen Tüchtigkeit und Reinheit des Charakters bewahrt hatten, gehn hier platterdings zum Teufel. Es ist natürlich Mode unter den vornehmen Shylocks über die Bauspekulanten und die kleinen Eigenthümer und die offenen Orte pharisäisch die Achsel zu zucken. Sie wissen sehr wohl, dass ihre „geschlossenen Dörfer“ und „Schaudörfer“ die Geburts- stätten der „offenen Orte“ sind und ohne dieselben nicht existiren könnten. „Ohne die kleinen Eigenthümer der offenen Orte müsste der grösste Theil der Landarbeiter unter den Bäumen der Güter schlafen, worauf sie arbeiten.“ l. c. p. 135.) Das System der „offenen“ und „geschlossenen“ Dörfer herrscht in allen Midlands und im ganzen Osten Englands. 166) „Der Hausvermiether (der Pächter oder Landlord) bereichert sich direkt oder
indirekt durch die Arbeit eines Mannes, dem er 10 sh. per Woche zahlt, und zwackt dann wieder von diesem armen Teufel 4 oder 5 Pfd. St. jährliche Miethe für Häuser ab, die keine 20 Pfd. St. auf offenem Markt werth sind, aber auf ihrem künstlichen Preis erhalten werden durch die Macht des Eigenthümers zu sagen: „Nimm mein Haus, oder pack’ Dich und suche anderswo ein Unterkommen, ohne Charaktercertifikat von mir“ … Wünscht ein Mann sich zu verbessern und als Schienenleger zu einer Eisenbahn zu gehn oder einem Steinbruch, wieder ist dieselbe Macht bereit mit einem: „Arbeite für mich zu diesem niedrigen Arbeits- lohn, oder pack’ Dich auf eine Woche Kündigung; nimm Dein Schwein mit Dir, wenn Du eins hast, und schau’ zu, was Du aus den Kartoffeln herausschlägst, die in Deinem Garten wachsen.“ Steht jedoch das Interesse nach der andern Seite, so zieht in solchen Fällen der Eigenthümer [resp. Pächter] manchmal eine er- höhte Hausmiethe vor als Strafe für die Desertion aus seinem Dienst.“ (Dr. Hunter l. c. p. 131.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0693" n="674"/> sich nur nicht einbilden, dass selbst der auf dem Grund und Boden, den er<lb/> bebaut, behauste Arbeiter eine Wohnlichkeit findet, wie sie sein Leben<lb/> produktiver Industrie verdient. Selbst auf den fürstlichsten Gütern ist seine<lb/> Cottage oft von der allerjämmerlichsten Art. Es giebt Landlords, die<lb/> einen Stall gut genug für ihre Arbeiter und deren Familien glauben, und<lb/> die es dennoch nicht verschmähn aus ihrer Miethe so viel Baares als<lb/> möglich herauszuschlagen<note place="foot" n="166)">„Der Hausvermiether (der Pächter oder Landlord) bereichert sich direkt oder<lb/> indirekt durch die Arbeit eines Mannes, dem er 10 sh. per Woche zahlt, und zwackt<lb/> dann wieder von diesem armen Teufel 4 oder 5 Pfd. St. <hi rendition="#g">jährliche Miethe</hi><lb/> für Häuser ab, die keine 20 Pfd. St. auf offenem Markt <hi rendition="#g">werth sind</hi>, aber auf<lb/> ihrem künstlichen Preis erhalten werden durch die Macht des Eigenthümers zu<lb/> sagen: „Nimm mein Haus, oder pack’ Dich und suche anderswo ein Unterkommen,<lb/> ohne Charaktercertifikat von mir“ … Wünscht ein Mann sich zu verbessern und<lb/> als Schienenleger zu einer Eisenbahn zu gehn oder einem Steinbruch, wieder ist<lb/> dieselbe Macht bereit mit einem: „Arbeite für mich zu diesem niedrigen Arbeits-<lb/> lohn, oder pack’ Dich auf eine Woche Kündigung; nimm Dein Schwein mit Dir,<lb/> wenn Du eins hast, und schau’ zu, was Du aus den Kartoffeln herausschlägst, die<lb/> in Deinem Garten wachsen.“ Steht jedoch das Interesse nach der andern Seite,<lb/> so zieht in solchen Fällen der Eigenthümer [resp. Pächter] manchmal eine <hi rendition="#g">er-<lb/> höhte Hausmiethe</hi> vor als Strafe für die Desertion aus seinem Dienst.“<lb/> (<hi rendition="#g">Dr. Hunter</hi> l. c. p. 131.)</note>. Es mag nur eine verfallende Hütte mit<lb/><note xml:id="seg2pn_101_2" prev="#seg2pn_101_1" place="foot" n="165)">Hausvermiether. In diesem Fall findet der Landarbeiter in ihm einen zweiten<lb/> Meister neben dem Pächter. Er muss zugleich sein Miether und Kunde sein. „Mit<lb/> 10 sh. per Woche, minus einer jährlichen Rente von 4 Pfd. St., ist er verpflichtet,<lb/> sein modicum von Thee, Zucker, Mehl, Seife, Kerzen und Bier zu den dem Krämer<lb/> beliebten Preisen zu kaufen.“ (l. c. p. 131.) Diese offenen Dorfschaften bilden<lb/> in der That die „<hi rendition="#g">Strafkolonieen</hi>“ <hi rendition="#g">des englischen Ackerbauprole-<lb/> tariats</hi>. Viele der Cottages sind reine Logirhäuser, wo alles vagabundirende<lb/> Gesindel der Umgegend durchpassirt. Der Landmann und seine Familie, die oft<lb/> wahrhaft wunderbar in den schmutzigsten Verhältnissen Tüchtigkeit und Reinheit<lb/> des Charakters bewahrt hatten, gehn hier platterdings zum Teufel. Es ist natürlich<lb/> Mode unter den vornehmen Shylocks über die Bauspekulanten und die kleinen<lb/> Eigenthümer und die offenen Orte pharisäisch die Achsel zu zucken. Sie wissen<lb/> sehr wohl, dass ihre „geschlossenen Dörfer“ und „Schaudörfer“ die Geburts-<lb/> stätten der „offenen Orte“ sind und ohne dieselben nicht existiren könnten.<lb/> „Ohne die kleinen Eigenthümer der offenen Orte müsste der grösste Theil der<lb/> Landarbeiter unter den Bäumen der Güter schlafen, worauf sie arbeiten.“<lb/> l. c. p. 135.) Das System der „offenen“ und „geschlossenen“ Dörfer herrscht<lb/> in allen Midlands und im ganzen Osten Englands.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [674/0693]
sich nur nicht einbilden, dass selbst der auf dem Grund und Boden, den er
bebaut, behauste Arbeiter eine Wohnlichkeit findet, wie sie sein Leben
produktiver Industrie verdient. Selbst auf den fürstlichsten Gütern ist seine
Cottage oft von der allerjämmerlichsten Art. Es giebt Landlords, die
einen Stall gut genug für ihre Arbeiter und deren Familien glauben, und
die es dennoch nicht verschmähn aus ihrer Miethe so viel Baares als
möglich herauszuschlagen 166). Es mag nur eine verfallende Hütte mit
165)
166) „Der Hausvermiether (der Pächter oder Landlord) bereichert sich direkt oder
indirekt durch die Arbeit eines Mannes, dem er 10 sh. per Woche zahlt, und zwackt
dann wieder von diesem armen Teufel 4 oder 5 Pfd. St. jährliche Miethe
für Häuser ab, die keine 20 Pfd. St. auf offenem Markt werth sind, aber auf
ihrem künstlichen Preis erhalten werden durch die Macht des Eigenthümers zu
sagen: „Nimm mein Haus, oder pack’ Dich und suche anderswo ein Unterkommen,
ohne Charaktercertifikat von mir“ … Wünscht ein Mann sich zu verbessern und
als Schienenleger zu einer Eisenbahn zu gehn oder einem Steinbruch, wieder ist
dieselbe Macht bereit mit einem: „Arbeite für mich zu diesem niedrigen Arbeits-
lohn, oder pack’ Dich auf eine Woche Kündigung; nimm Dein Schwein mit Dir,
wenn Du eins hast, und schau’ zu, was Du aus den Kartoffeln herausschlägst, die
in Deinem Garten wachsen.“ Steht jedoch das Interesse nach der andern Seite,
so zieht in solchen Fällen der Eigenthümer [resp. Pächter] manchmal eine er-
höhte Hausmiethe vor als Strafe für die Desertion aus seinem Dienst.“
(Dr. Hunter l. c. p. 131.)
165) Hausvermiether. In diesem Fall findet der Landarbeiter in ihm einen zweiten
Meister neben dem Pächter. Er muss zugleich sein Miether und Kunde sein. „Mit
10 sh. per Woche, minus einer jährlichen Rente von 4 Pfd. St., ist er verpflichtet,
sein modicum von Thee, Zucker, Mehl, Seife, Kerzen und Bier zu den dem Krämer
beliebten Preisen zu kaufen.“ (l. c. p. 131.) Diese offenen Dorfschaften bilden
in der That die „Strafkolonieen“ des englischen Ackerbauprole-
tariats. Viele der Cottages sind reine Logirhäuser, wo alles vagabundirende
Gesindel der Umgegend durchpassirt. Der Landmann und seine Familie, die oft
wahrhaft wunderbar in den schmutzigsten Verhältnissen Tüchtigkeit und Reinheit
des Charakters bewahrt hatten, gehn hier platterdings zum Teufel. Es ist natürlich
Mode unter den vornehmen Shylocks über die Bauspekulanten und die kleinen
Eigenthümer und die offenen Orte pharisäisch die Achsel zu zucken. Sie wissen
sehr wohl, dass ihre „geschlossenen Dörfer“ und „Schaudörfer“ die Geburts-
stätten der „offenen Orte“ sind und ohne dieselben nicht existiren könnten.
„Ohne die kleinen Eigenthümer der offenen Orte müsste der grösste Theil der
Landarbeiter unter den Bäumen der Güter schlafen, worauf sie arbeiten.“
l. c. p. 135.) Das System der „offenen“ und „geschlossenen“ Dörfer herrscht
in allen Midlands und im ganzen Osten Englands.
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