Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

technologisch gegeben. Aber weder ist die Anzahl der Arbeiter gegeben,
erheischt um diese Arbeitsmasse flüssig zu machen, denn das wechselt mit
dem Exploitationsgrad der individuellen Arbeitskraft, noch der Preis dieser
Arbeitskraft, sondern nur seine zudem sehr elastische Minimalschranke.
Die Thatsachen, die dem Dogma zu Grund liegen, sind die. Einerseits
hat der Arbeiter nicht mitzusprechen bei der Theilung des gesell-
schaftlichen Reichthums in Genussmittel der Nichtarbeiter und in Produk-
tionsmittel. Andrerseits kann er nur in günstigen Ausnahmsfällen den s. g.
"Arbeitsfonds" auf Kosten der "Revenue" des Reichen erwei-
tern66). Zu welch abgeschmackter Tautologie es führt, die kapita-
listische Schranke des Arbeitsfonds
in seine gesell-
schaftliche Naturschranke
umzudichten, zeige u. a. Professor
Fawcett: "Das cirkulirende Kapital67) eines Landes," sagt er,
"ist sein Arbeitsfonds. Um daher den durchschnittlichen Geldlohn, den
jeder Arbeiter erhält, zu berechnen, haben wir nur einfach diess Kapital
durch die Anzahl der Arbeiterbevölkerung zu dividiren"68). D. h. also,
erst rechnen wir die wirklich gezahlten individuellen Arbeitslöhne in eine
Summe zusammen, dann behaupten wir, dass diese Addition die Werth-
summe des von Gott und Natur oktroyirten "Arbeitsfonds" bildet. End-

66) J. St. Mill sagt in seinen "Principles of Polit. Economy":
"Das Produkt der Arbeit wird heutzutag vertheilt im umgekehrten Ver-
hältniss zur Arbeit
-- der grösste Theil an die, die niemals arbeiten, der
nächst grösste an die, deren Arbeit fast nur nominell ist, und so, auf absteigender
Skala, schrumpft die Belohnung zusammen, im Masse wie die Arbeit härter und
unangenehmer wird, bis die ermüdendste und erschöpfendste körperliche Arbeit
nicht mit Sicherheit auch nur auf Gewinnung der Lebensnothwendigkeiten rechnen
kann." Zur Vermeidung von Missverständniss bemerke ich, dass, wenn Männer
wie J. St. Mill, Fawcett u. s. w. wegen des Widerspruchs ihrer altökonomischen
Dogmen und ihrer modernen Tendenzen zu rügen sind, es durchaus unrecht wäre,
sie mit dem Tross der vulgärökonomischen Apologeten zusammenzuwerfen.
67) H. Fawcett, Prof. of Polit. Econ. at Cambridge: "The
Economic Position of the British Labourer. Lond
. 1865", p. 120.
68) Ich erinnere hier den Leser, dass die Kategorieen: variables und
constantes Kapital von mir zuerst gebraucht werden. Die politische Oeko-
nomie seit A. Smith wirft die darin enthaltenen Bestimmungen mit den aus dem
Cirkulationsprozess entspringenden Formunterschieden von fixem und
cirkulirendem Kapital kunterbunt zusammen. Das Nähere darüber im
Zweiten Buch, zweites Kapitel.

technologisch gegeben. Aber weder ist die Anzahl der Arbeiter gegeben,
erheischt um diese Arbeitsmasse flüssig zu machen, denn das wechselt mit
dem Exploitationsgrad der individuellen Arbeitskraft, noch der Preis dieser
Arbeitskraft, sondern nur seine zudem sehr elastische Minimalschranke.
Die Thatsachen, die dem Dogma zu Grund liegen, sind die. Einerseits
hat der Arbeiter nicht mitzusprechen bei der Theilung des gesell-
schaftlichen Reichthums in Genussmittel der Nichtarbeiter und in Produk-
tionsmittel. Andrerseits kann er nur in günstigen Ausnahmsfällen den s. g.
Arbeitsfonds“ auf Kosten der „Revenue“ des Reichen erwei-
tern66). Zu welch abgeschmackter Tautologie es führt, die kapita-
listische Schranke des Arbeitsfonds
in seine gesell-
schaftliche Naturschranke
umzudichten, zeige u. a. Professor
Fawcett: „Das cirkulirende Kapital67) eines Landes,“ sagt er,
„ist sein Arbeitsfonds. Um daher den durchschnittlichen Geldlohn, den
jeder Arbeiter erhält, zu berechnen, haben wir nur einfach diess Kapital
durch die Anzahl der Arbeiterbevölkerung zu dividiren“68). D. h. also,
erst rechnen wir die wirklich gezahlten individuellen Arbeitslöhne in eine
Summe zusammen, dann behaupten wir, dass diese Addition die Werth-
summe des von Gott und Natur oktroyirten „Arbeitsfonds“ bildet. End-

66) J. St. Mill sagt in seinen „Principles of Polit. Economy“:
„Das Produkt der Arbeit wird heutzutag vertheilt im umgekehrten Ver-
hältniss zur Arbeit
— der grösste Theil an die, die niemals arbeiten, der
nächst grösste an die, deren Arbeit fast nur nominell ist, und so, auf absteigender
Skala, schrumpft die Belohnung zusammen, im Masse wie die Arbeit härter und
unangenehmer wird, bis die ermüdendste und erschöpfendste körperliche Arbeit
nicht mit Sicherheit auch nur auf Gewinnung der Lebensnothwendigkeiten rechnen
kann.“ Zur Vermeidung von Missverständniss bemerke ich, dass, wenn Männer
wie J. St. Mill, Fawcett u. s. w. wegen des Widerspruchs ihrer altökonomischen
Dogmen und ihrer modernen Tendenzen zu rügen sind, es durchaus unrecht wäre,
sie mit dem Tross der vulgärökonomischen Apologeten zusammenzuwerfen.
67) H. Fawcett, Prof. of Polit. Econ. at Cambridge: „The
Economic Position of the British Labourer. Lond
. 1865“, p. 120.
68) Ich erinnere hier den Leser, dass die Kategorieen: variables und
constantes Kapital von mir zuerst gebraucht werden. Die politische Oeko-
nomie seit A. Smith wirft die darin enthaltenen Bestimmungen mit den aus dem
Cirkulationsprozess entspringenden Formunterschieden von fixem und
cirkulirendem Kapital kunterbunt zusammen. Das Nähere darüber im
Zweiten Buch, zweites Kapitel.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0617" n="598"/>
technologisch gegeben. Aber weder ist die Anzahl der Arbeiter gegeben,<lb/>
erheischt um diese Arbeitsmasse flüssig zu machen, denn das wechselt mit<lb/>
dem Exploitationsgrad der individuellen Arbeitskraft, noch der Preis dieser<lb/>
Arbeitskraft, sondern nur seine zudem sehr elastische Minimalschranke.<lb/>
Die Thatsachen, die dem Dogma zu Grund liegen, sind die. Einerseits<lb/>
hat der Arbeiter <hi rendition="#g">nicht mitzusprechen</hi> bei der Theilung des gesell-<lb/>
schaftlichen Reichthums in Genussmittel der Nichtarbeiter und in Produk-<lb/>
tionsmittel. Andrerseits kann er nur in günstigen Ausnahmsfällen den s. g.<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Arbeitsfonds</hi>&#x201C; auf Kosten der &#x201E;<hi rendition="#g">Revenue</hi>&#x201C; des Reichen erwei-<lb/>
tern<note place="foot" n="66)">J. <hi rendition="#g">St. Mill</hi> sagt in seinen &#x201E;<hi rendition="#g">Principles of Polit. Economy</hi>&#x201C;:<lb/>
&#x201E;Das Produkt der Arbeit wird heutzutag vertheilt <hi rendition="#g">im umgekehrten Ver-<lb/>
hältniss zur Arbeit</hi> &#x2014; der grösste Theil an die, die niemals arbeiten, der<lb/>
nächst grösste an die, deren Arbeit fast nur nominell ist, und so, auf absteigender<lb/>
Skala, schrumpft die Belohnung zusammen, im Masse wie die Arbeit härter und<lb/>
unangenehmer wird, bis die ermüdendste und erschöpfendste körperliche Arbeit<lb/>
nicht mit Sicherheit auch nur auf Gewinnung der Lebensnothwendigkeiten rechnen<lb/>
kann.&#x201C; Zur Vermeidung von Missverständniss bemerke ich, dass, wenn Männer<lb/>
wie J. St. Mill, Fawcett u. s. w. wegen des Widerspruchs ihrer altökonomischen<lb/>
Dogmen und ihrer modernen Tendenzen zu rügen sind, es durchaus unrecht wäre,<lb/>
sie mit dem Tross der vulgärökonomischen Apologeten zusammenzuwerfen.</note>. Zu welch abgeschmackter Tautologie es führt, <hi rendition="#g">die kapita-<lb/>
listische Schranke des Arbeitsfonds</hi> in seine <hi rendition="#g">gesell-<lb/>
schaftliche Naturschranke</hi> umzudichten, zeige u. a. Professor<lb/><hi rendition="#g">Fawcett</hi>: &#x201E;Das <hi rendition="#g">cirkulirende Kapital</hi><note place="foot" n="67)">H. <hi rendition="#g">Fawcett, Prof. of Polit. Econ. at Cambridge</hi>: &#x201E;<hi rendition="#g">The<lb/>
Economic Position of the British Labourer. Lond</hi>. 1865&#x201C;, p. 120.</note> eines Landes,&#x201C; sagt er,<lb/>
&#x201E;ist sein Arbeitsfonds. Um daher den durchschnittlichen Geldlohn, den<lb/>
jeder Arbeiter erhält, zu berechnen, haben wir nur einfach diess Kapital<lb/>
durch die Anzahl der Arbeiterbevölkerung zu dividiren&#x201C;<note place="foot" n="68)">Ich erinnere hier den Leser, dass die Kategorieen: <hi rendition="#g">variables</hi> und<lb/><hi rendition="#g">constantes Kapital</hi> von mir zuerst gebraucht werden. Die politische Oeko-<lb/>
nomie seit A. Smith wirft die darin enthaltenen Bestimmungen mit den aus dem<lb/><hi rendition="#g">Cirkulationsprozess</hi> entspringenden Formunterschieden von <hi rendition="#g">fixem</hi> und<lb/><hi rendition="#g">cirkulirendem</hi> Kapital kunterbunt zusammen. Das Nähere darüber im<lb/>
Zweiten Buch, zweites Kapitel.</note>. D. h. also,<lb/>
erst rechnen wir die wirklich gezahlten individuellen Arbeitslöhne in eine<lb/>
Summe zusammen, dann behaupten wir, dass diese Addition die Werth-<lb/>
summe des von Gott und Natur oktroyirten &#x201E;Arbeitsfonds&#x201C; bildet. End-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[598/0617] technologisch gegeben. Aber weder ist die Anzahl der Arbeiter gegeben, erheischt um diese Arbeitsmasse flüssig zu machen, denn das wechselt mit dem Exploitationsgrad der individuellen Arbeitskraft, noch der Preis dieser Arbeitskraft, sondern nur seine zudem sehr elastische Minimalschranke. Die Thatsachen, die dem Dogma zu Grund liegen, sind die. Einerseits hat der Arbeiter nicht mitzusprechen bei der Theilung des gesell- schaftlichen Reichthums in Genussmittel der Nichtarbeiter und in Produk- tionsmittel. Andrerseits kann er nur in günstigen Ausnahmsfällen den s. g. „Arbeitsfonds“ auf Kosten der „Revenue“ des Reichen erwei- tern 66). Zu welch abgeschmackter Tautologie es führt, die kapita- listische Schranke des Arbeitsfonds in seine gesell- schaftliche Naturschranke umzudichten, zeige u. a. Professor Fawcett: „Das cirkulirende Kapital 67) eines Landes,“ sagt er, „ist sein Arbeitsfonds. Um daher den durchschnittlichen Geldlohn, den jeder Arbeiter erhält, zu berechnen, haben wir nur einfach diess Kapital durch die Anzahl der Arbeiterbevölkerung zu dividiren“ 68). D. h. also, erst rechnen wir die wirklich gezahlten individuellen Arbeitslöhne in eine Summe zusammen, dann behaupten wir, dass diese Addition die Werth- summe des von Gott und Natur oktroyirten „Arbeitsfonds“ bildet. End- 66) J. St. Mill sagt in seinen „Principles of Polit. Economy“: „Das Produkt der Arbeit wird heutzutag vertheilt im umgekehrten Ver- hältniss zur Arbeit — der grösste Theil an die, die niemals arbeiten, der nächst grösste an die, deren Arbeit fast nur nominell ist, und so, auf absteigender Skala, schrumpft die Belohnung zusammen, im Masse wie die Arbeit härter und unangenehmer wird, bis die ermüdendste und erschöpfendste körperliche Arbeit nicht mit Sicherheit auch nur auf Gewinnung der Lebensnothwendigkeiten rechnen kann.“ Zur Vermeidung von Missverständniss bemerke ich, dass, wenn Männer wie J. St. Mill, Fawcett u. s. w. wegen des Widerspruchs ihrer altökonomischen Dogmen und ihrer modernen Tendenzen zu rügen sind, es durchaus unrecht wäre, sie mit dem Tross der vulgärökonomischen Apologeten zusammenzuwerfen. 67) H. Fawcett, Prof. of Polit. Econ. at Cambridge: „The Economic Position of the British Labourer. Lond. 1865“, p. 120. 68) Ich erinnere hier den Leser, dass die Kategorieen: variables und constantes Kapital von mir zuerst gebraucht werden. Die politische Oeko- nomie seit A. Smith wirft die darin enthaltenen Bestimmungen mit den aus dem Cirkulationsprozess entspringenden Formunterschieden von fixem und cirkulirendem Kapital kunterbunt zusammen. Das Nähere darüber im Zweiten Buch, zweites Kapitel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/617
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/617>, abgerufen am 28.11.2024.