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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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welche selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qual-
vollen Entwicklungsgeschichte sind.

Die politische Oekonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen27),
Werth und Werthgrösse analysirt. Sie hat niemals auch nur die Frage
gestellt, warum sich die Arbeit im Werth und das Mass der Arbeit
durch ihre Zeitdauer in der Werthgrösse darstellt? Formen, denen es
auf der Stirn geschrieben steht, dass sie einer Gesellschaftsformation an-
gehören, worin der Produktionsprozess die Menschen, der Mensch noch

27) Das Unzulängliche in Ricardo's Analyse der Werthgrösse -- und es
ist die beste -- wird man aus dem dritten und vierten Buch dieser Schrift ersehn.
Was aber den Werth überhaupt betrifft, so unterscheidet die klassische politische
Oekonomie nirgendwo ausdrücklich und mit klarem Bewusstsein Arbeit, die sich
in Werth, von derselben Arbeit, soweit sie sich im Gebrauchswerth
ihres Produkts darstellt. Sie macht natürlich den Unterschied thatsächlich, da
sie die Arbeit das einemal quantitativ, das andremal qualitativ betrachtet. Aber
es fällt ihr nicht ein, dass bloss quantitativer Unterschied der Arbeiten ihre
qualitative Einheit oder Gleichheit voraussetzt, also ihre Reduktion auf
abstrakt menschliche Arbeit. Ricardo z. B. erklärt sich einverstanden
mit Destutt de Tracy, wenn dieser sagt: "As it is certain that our physical
and moral faculties are alone our original riches, the employment of those faculties,
labour of some kind, is our original treasure, and that it is always from this
employment -- that all those things are created which we call riches ... It is
certain too, that all those things only represent the labour which
has created them, and if they have a value, or even two dis-
tinctvalues
, they can only derive them from that (the value) of the
labour
from which they emanate." (Ricardo: "The Principles of Pol.
Econ. 3 ed. Lond
. 1821", p. 334). Wir deuten nur an, dass Ricardo dem
Destutt seinen eignen tieferen Sinn unterschiebt. Destutt sagt in der That zwar
einerseits, dass alle Dinge, die den Reichthum bilden, "die Arbeit reprä-
sentiren
, die sie geschaffen hat", aber andrerseits, dass sie ihre "zwei ver-
schiedenen Werthe
" (Gebrauchswerth und Tauschwerth) vom "Werth der
Arbeit" erhalten. Er fällt damit in die Flachheit der Vulgärökonomie, die den
Werth einer Waare (hier der Arbeit) voraussetzt, um dadurch hinterher den
Werth der anderen Waaren zu bestimmen. Ricardo liest ihn so, dass sowohl
im Gebrauchswerth als Tauschwerth sich Arbeit (nicht Werth der Arbeit) dar-
stellt. Er selbst aber scheidet sowenig den zwieschlächtigen Charakter der
Arbeit, die doppelt dargestellt ist, dass er in dem ganzen Kapitel: "Value
and Riches, Their Distinctive Properties
" sich mühselig mit den
Trivialitäten eines J. B. Say herumschlagen muss. Am Ende ist er daher auch
ganz erstaunt, dass Destutt zwar mit ihm selbst über Arbeit als Werthquelle
und dennoch andererseits mit Say über den Werthbegriff harmonire

welche selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qual-
vollen Entwicklungsgeschichte sind.

Die politische Oekonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen27),
Werth und Werthgrösse analysirt. Sie hat niemals auch nur die Frage
gestellt, warum sich die Arbeit im Werth und das Mass der Arbeit
durch ihre Zeitdauer in der Werthgrösse darstellt? Formen, denen es
auf der Stirn geschrieben steht, dass sie einer Gesellschaftsformation an-
gehören, worin der Produktionsprozess die Menschen, der Mensch noch

27) Das Unzulängliche in Ricardo’s Analyse der Werthgrösse — und es
ist die beste — wird man aus dem dritten und vierten Buch dieser Schrift ersehn.
Was aber den Werth überhaupt betrifft, so unterscheidet die klassische politische
Oekonomie nirgendwo ausdrücklich und mit klarem Bewusstsein Arbeit, die sich
in Werth, von derselben Arbeit, soweit sie sich im Gebrauchswerth
ihres Produkts darstellt. Sie macht natürlich den Unterschied thatsächlich, da
sie die Arbeit das einemal quantitativ, das andremal qualitativ betrachtet. Aber
es fällt ihr nicht ein, dass bloss quantitativer Unterschied der Arbeiten ihre
qualitative Einheit oder Gleichheit voraussetzt, also ihre Reduktion auf
abstrakt menschliche Arbeit. Ricardo z. B. erklärt sich einverstanden
mit Destutt de Tracy, wenn dieser sagt: „As it is certain that our physical
and moral faculties are alone our original riches, the employment of those faculties,
labour of some kind, is our original treasure, and that it is always from this
employment — that all those things are created which we call riches … It is
certain too, that all those things only represent the labour which
has created them, and if they have a value, or even two dis-
tinctvalues
, they can only derive them from that (the value) of the
labour
from which they emanate.“ (Ricardo: „The Principles of Pol.
Econ. 3 ed. Lond
. 1821“, p. 334). Wir deuten nur an, dass Ricardo dem
Destutt seinen eignen tieferen Sinn unterschiebt. Destutt sagt in der That zwar
einerseits, dass alle Dinge, die den Reichthum bilden, „die Arbeit reprä-
sentiren
, die sie geschaffen hat“, aber andrerseits, dass sie ihre „zwei ver-
schiedenen Werthe
“ (Gebrauchswerth und Tauschwerth) vom „Werth der
Arbeit“ erhalten. Er fällt damit in die Flachheit der Vulgärökonomie, die den
Werth einer Waare (hier der Arbeit) voraussetzt, um dadurch hinterher den
Werth der anderen Waaren zu bestimmen. Ricardo liest ihn so, dass sowohl
im Gebrauchswerth als Tauschwerth sich Arbeit (nicht Werth der Arbeit) dar-
stellt. Er selbst aber scheidet sowenig den zwieschlächtigen Charakter der
Arbeit, die doppelt dargestellt ist, dass er in dem ganzen Kapitel: „Value
and Riches, Their Distinctive Properties
“ sich mühselig mit den
Trivialitäten eines J. B. Say herumschlagen muss. Am Ende ist er daher auch
ganz erstaunt, dass Destutt zwar mit ihm selbst über Arbeit als Werthquelle
und dennoch andererseits mit Say über den Werthbegriff harmonire
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[41/0060] welche selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qual- vollen Entwicklungsgeschichte sind. Die politische Oekonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen 27), Werth und Werthgrösse analysirt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum sich die Arbeit im Werth und das Mass der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Werthgrösse darstellt? Formen, denen es auf der Stirn geschrieben steht, dass sie einer Gesellschaftsformation an- gehören, worin der Produktionsprozess die Menschen, der Mensch noch 27) Das Unzulängliche in Ricardo’s Analyse der Werthgrösse — und es ist die beste — wird man aus dem dritten und vierten Buch dieser Schrift ersehn. Was aber den Werth überhaupt betrifft, so unterscheidet die klassische politische Oekonomie nirgendwo ausdrücklich und mit klarem Bewusstsein Arbeit, die sich in Werth, von derselben Arbeit, soweit sie sich im Gebrauchswerth ihres Produkts darstellt. Sie macht natürlich den Unterschied thatsächlich, da sie die Arbeit das einemal quantitativ, das andremal qualitativ betrachtet. Aber es fällt ihr nicht ein, dass bloss quantitativer Unterschied der Arbeiten ihre qualitative Einheit oder Gleichheit voraussetzt, also ihre Reduktion auf abstrakt menschliche Arbeit. Ricardo z. B. erklärt sich einverstanden mit Destutt de Tracy, wenn dieser sagt: „As it is certain that our physical and moral faculties are alone our original riches, the employment of those faculties, labour of some kind, is our original treasure, and that it is always from this employment — that all those things are created which we call riches … It is certain too, that all those things only represent the labour which has created them, and if they have a value, or even two dis- tinctvalues, they can only derive them from that (the value) of the labour from which they emanate.“ (Ricardo: „The Principles of Pol. Econ. 3 ed. Lond. 1821“, p. 334). Wir deuten nur an, dass Ricardo dem Destutt seinen eignen tieferen Sinn unterschiebt. Destutt sagt in der That zwar einerseits, dass alle Dinge, die den Reichthum bilden, „die Arbeit reprä- sentiren, die sie geschaffen hat“, aber andrerseits, dass sie ihre „zwei ver- schiedenen Werthe“ (Gebrauchswerth und Tauschwerth) vom „Werth der Arbeit“ erhalten. Er fällt damit in die Flachheit der Vulgärökonomie, die den Werth einer Waare (hier der Arbeit) voraussetzt, um dadurch hinterher den Werth der anderen Waaren zu bestimmen. Ricardo liest ihn so, dass sowohl im Gebrauchswerth als Tauschwerth sich Arbeit (nicht Werth der Arbeit) dar- stellt. Er selbst aber scheidet sowenig den zwieschlächtigen Charakter der Arbeit, die doppelt dargestellt ist, dass er in dem ganzen Kapitel: „Value and Riches, Their Distinctive Properties“ sich mühselig mit den Trivialitäten eines J. B. Say herumschlagen muss. Am Ende ist er daher auch ganz erstaunt, dass Destutt zwar mit ihm selbst über Arbeit als Werthquelle und dennoch andererseits mit Say über den Werthbegriff harmonire

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/60>, abgerufen am 24.11.2024.