Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

vermögens bildet, ist natürlich auch die Theilung dieses Mehrwerths
oder Mehrprodukts in Zuschusskapital und Konsumtionsfonds durch einen
Willensakt seinerseits vermittelt.

Nur soweit der Kapitalist personificirtes Kapital ist, hat
er einen historischen Werth und jenes historische Existenzrecht, das,
wie der geistreiche Lichnowsky sagt, keinen Datum nicht hat. Nur soweit
steckt seine eigne transitorische Nothwendigkeit in der transitorischen
Nothwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise
.
Aber soweit sind auch nicht Gebrauchswerth und Genuss, sondern Tausch-
werth und dessen Vermehrung sein treibendes Motiv. Als Fanatiker der Ver-
werthung des Werths zwingt er rücksichtslos die Menschheit zur Produk-
tion um der Produktion willen
, daher zu einer Entwicklung der ge-
sellschaftlichen Produktivkräfte
und zur Schöpfung von materiel-
len Produktionsbedingungen
, welche allein die reale Basis einer
höheren Gesellschaftsform bilden können, deren Grundprincip die volle und
freie Entwicklung jedes Individuums ist. Nur als Personifikation des Kapi-
tals ist der Kapitalist respektabel. Als solche theilt er mit dem Schatzbild-
ner den absoluten Bereicherungstrieb. Ausserdem zwingen ihn die immanen-
ten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, welche die Konkurrenz
jedem individuellen Kapitalisten als äussere Zwangsgesetze oktroyirt,
sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten. Soweit daher
sein Thun und Lassen nur Funktion des in ihm mit Willen und Bewusst-
sein begabten Kapitals, gilt ihm sein eigner Privatkonsum als ein Raub
an der Accumulation seines Kapitals, wie in der italienischen Buchhal-
tung Privatausgaben auf der Debetseite des Kapitalisten gegen das Ka-
pital figuriren. Die Accumulation ist Eroberung der Welt des gesellschaft-
lichen Reichthums. Sie dehnt mit der Masse des exploitirten Menschen-
materials zugleich die direkte und indirekte Herrschaft des Kapita-
listen
aus34).


34) In der altmodischen, wenn auch sporadisch fortexistirenden, Form des
Kapitalisten, im Wucherer veranschaulicht Luther sehr gut die Herrschsucht
als Element des Bereicherungstriebs. "Die Heiden haben können aus der Ver-
nunfft rechnen, das ein Wucherer sey ein vierfaltiger Dieb und Mörder. Wir
Christen aber halten sie in solchen ehren, das wir sie schier anbeten umb ihres
Geldes willen ... Wer einem andern seine Narung aussauget, raubet und stilet,
der thut eben so grossen Mord (so viel an jm ligt) als der einen Hungers sterbet
I. 37

vermögens bildet, ist natürlich auch die Theilung dieses Mehrwerths
oder Mehrprodukts in Zuschusskapital und Konsumtionsfonds durch einen
Willensakt seinerseits vermittelt.

Nur soweit der Kapitalist personificirtes Kapital ist, hat
er einen historischen Werth und jenes historische Existenzrecht, das,
wie der geistreiche Lichnowsky sagt, keinen Datum nicht hat. Nur soweit
steckt seine eigne transitorische Nothwendigkeit in der transitorischen
Nothwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise
.
Aber soweit sind auch nicht Gebrauchswerth und Genuss, sondern Tausch-
werth und dessen Vermehrung sein treibendes Motiv. Als Fanatiker der Ver-
werthung des Werths zwingt er rücksichtslos die Menschheit zur Produk-
tion um der Produktion willen
, daher zu einer Entwicklung der ge-
sellschaftlichen Produktivkräfte
und zur Schöpfung von materiel-
len Produktionsbedingungen
, welche allein die reale Basis einer
höheren Gesellschaftsform bilden können, deren Grundprincip die volle und
freie Entwicklung jedes Individuums ist. Nur als Personifikation des Kapi-
tals ist der Kapitalist respektabel. Als solche theilt er mit dem Schatzbild-
ner den absoluten Bereicherungstrieb. Ausserdem zwingen ihn die immanen-
ten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, welche die Konkurrenz
jedem individuellen Kapitalisten als äussere Zwangsgesetze oktroyirt,
sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten. Soweit daher
sein Thun und Lassen nur Funktion des in ihm mit Willen und Bewusst-
sein begabten Kapitals, gilt ihm sein eigner Privatkonsum als ein Raub
an der Accumulation seines Kapitals, wie in der italienischen Buchhal-
tung Privatausgaben auf der Debetseite des Kapitalisten gegen das Ka-
pital figuriren. Die Accumulation ist Eroberung der Welt des gesellschaft-
lichen Reichthums. Sie dehnt mit der Masse des exploitirten Menschen-
materials zugleich die direkte und indirekte Herrschaft des Kapita-
listen
aus34).


34) In der altmodischen, wenn auch sporadisch fortexistirenden, Form des
Kapitalisten, im Wucherer veranschaulicht Luther sehr gut die Herrschsucht
als Element des Bereicherungstriebs. „Die Heiden haben können aus der Ver-
nunfft rechnen, das ein Wucherer sey ein vierfaltiger Dieb und Mörder. Wir
Christen aber halten sie in solchen ehren, das wir sie schier anbeten umb ihres
Geldes willen … Wer einem andern seine Narung aussauget, raubet und stilet,
der thut eben so grossen Mord (so viel an jm ligt) als der einen Hungers sterbet
I. 37
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0596" n="577"/>
vermögens bildet, ist natürlich auch die <hi rendition="#g">Theilung</hi> dieses Mehrwerths<lb/>
oder Mehrprodukts in Zuschusskapital und Konsumtionsfonds durch einen<lb/>
Willensakt seinerseits vermittelt.</p><lb/>
              <p>Nur soweit der Kapitalist <hi rendition="#g">personificirtes Kapital</hi> ist, hat<lb/>
er einen historischen Werth und jenes historische Existenzrecht, das,<lb/>
wie der geistreiche Lichnowsky sagt, keinen Datum nicht hat. Nur soweit<lb/>
steckt seine eigne transitorische Nothwendigkeit in der <hi rendition="#g">transitorischen<lb/>
Nothwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise</hi>.<lb/>
Aber soweit sind auch nicht Gebrauchswerth und Genuss, sondern Tausch-<lb/>
werth und dessen Vermehrung sein treibendes Motiv. Als Fanatiker der Ver-<lb/>
werthung des Werths <hi rendition="#g">zwingt</hi> er rücksichtslos die Menschheit zur <hi rendition="#g">Produk-<lb/>
tion um der Produktion willen</hi>, daher zu einer Entwicklung der <hi rendition="#g">ge-<lb/>
sellschaftlichen Produktivkräfte</hi> und zur Schöpfung von <hi rendition="#g">materiel-<lb/>
len Produktionsbedingungen</hi>, welche allein die <hi rendition="#g">reale Basis</hi> einer<lb/>
höheren Gesellschaftsform bilden können, deren Grundprincip die volle und<lb/>
freie Entwicklung jedes Individuums ist. Nur als Personifikation des Kapi-<lb/>
tals ist der Kapitalist respektabel. Als solche theilt er mit dem Schatzbild-<lb/>
ner den absoluten Bereicherungstrieb. Ausserdem zwingen ihn die immanen-<lb/>
ten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, welche die Konkurrenz<lb/>
jedem individuellen Kapitalisten als äussere <hi rendition="#g">Zwangsgesetze</hi> oktroyirt,<lb/>
sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten. Soweit daher<lb/>
sein Thun und Lassen nur Funktion des in ihm mit Willen und Bewusst-<lb/>
sein begabten Kapitals, gilt ihm sein eigner Privatkonsum als ein Raub<lb/>
an der Accumulation seines Kapitals, wie in der italienischen Buchhal-<lb/>
tung Privatausgaben auf der Debetseite des Kapitalisten gegen das Ka-<lb/>
pital figuriren. Die Accumulation ist Eroberung der Welt des gesellschaft-<lb/>
lichen Reichthums. Sie dehnt mit der Masse des exploitirten Menschen-<lb/>
materials zugleich die direkte und indirekte <hi rendition="#g">Herrschaft des Kapita-<lb/>
listen</hi> aus<note xml:id="seg2pn_87_1" next="#seg2pn_87_2" place="foot" n="34)">In der altmodischen, wenn auch sporadisch fortexistirenden, Form des<lb/>
Kapitalisten, im <hi rendition="#g">Wucherer</hi> veranschaulicht <hi rendition="#g">Luther</hi> sehr gut die Herrschsucht<lb/>
als Element des Bereicherungstriebs. &#x201E;Die Heiden haben können aus der Ver-<lb/>
nunfft rechnen, das ein Wucherer sey ein vierfaltiger Dieb und Mörder. Wir<lb/>
Christen aber halten sie in solchen ehren, das wir sie schier anbeten umb ihres<lb/>
Geldes willen &#x2026; Wer einem andern seine Narung aussauget, raubet und stilet,<lb/>
der thut eben so grossen Mord (so viel an jm ligt) als der einen Hungers sterbet</note>.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">I. 37</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[577/0596] vermögens bildet, ist natürlich auch die Theilung dieses Mehrwerths oder Mehrprodukts in Zuschusskapital und Konsumtionsfonds durch einen Willensakt seinerseits vermittelt. Nur soweit der Kapitalist personificirtes Kapital ist, hat er einen historischen Werth und jenes historische Existenzrecht, das, wie der geistreiche Lichnowsky sagt, keinen Datum nicht hat. Nur soweit steckt seine eigne transitorische Nothwendigkeit in der transitorischen Nothwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise. Aber soweit sind auch nicht Gebrauchswerth und Genuss, sondern Tausch- werth und dessen Vermehrung sein treibendes Motiv. Als Fanatiker der Ver- werthung des Werths zwingt er rücksichtslos die Menschheit zur Produk- tion um der Produktion willen, daher zu einer Entwicklung der ge- sellschaftlichen Produktivkräfte und zur Schöpfung von materiel- len Produktionsbedingungen, welche allein die reale Basis einer höheren Gesellschaftsform bilden können, deren Grundprincip die volle und freie Entwicklung jedes Individuums ist. Nur als Personifikation des Kapi- tals ist der Kapitalist respektabel. Als solche theilt er mit dem Schatzbild- ner den absoluten Bereicherungstrieb. Ausserdem zwingen ihn die immanen- ten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, welche die Konkurrenz jedem individuellen Kapitalisten als äussere Zwangsgesetze oktroyirt, sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten. Soweit daher sein Thun und Lassen nur Funktion des in ihm mit Willen und Bewusst- sein begabten Kapitals, gilt ihm sein eigner Privatkonsum als ein Raub an der Accumulation seines Kapitals, wie in der italienischen Buchhal- tung Privatausgaben auf der Debetseite des Kapitalisten gegen das Ka- pital figuriren. Die Accumulation ist Eroberung der Welt des gesellschaft- lichen Reichthums. Sie dehnt mit der Masse des exploitirten Menschen- materials zugleich die direkte und indirekte Herrschaft des Kapita- listen aus 34). 34) In der altmodischen, wenn auch sporadisch fortexistirenden, Form des Kapitalisten, im Wucherer veranschaulicht Luther sehr gut die Herrschsucht als Element des Bereicherungstriebs. „Die Heiden haben können aus der Ver- nunfft rechnen, das ein Wucherer sey ein vierfaltiger Dieb und Mörder. Wir Christen aber halten sie in solchen ehren, das wir sie schier anbeten umb ihres Geldes willen … Wer einem andern seine Narung aussauget, raubet und stilet, der thut eben so grossen Mord (so viel an jm ligt) als der einen Hungers sterbet I. 37

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/596
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/596>, abgerufen am 22.11.2024.