Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.länger als der erstere36). Das Wachsthum im Preis der Arbeit mit der 36) Z. B. in der Tapetendruckerei vor der neulichen Einführung des Fabrik- akts. "Wir arbeiten ohne Pause für Mahlzeiten, so dass das Tageswerk von 101/2 Stunden um halb 5 Uhr Nachmittags beendet ist, und alles spätere ist Ueberzeit, die selten vor 6 Uhr Abends aufhört, so dass wir in der That das ganze Jahr durch Ueberzeit arbeiten." (Mr. Smith's Evidence in "Child. Empl. Comm." I. Rep., p. 125.) 37) Z. B. in den schottischen Bleichereien. "In einigen Theilen Schottlands wurde diese Industrie (vor Einführung des Fabrikakts 1862) nach dem System der Ueberzeit betrieben, d. h. 10 Stunden galten als normaler Arbeitstag. Dafür erhielt der Mann 1. sh. 2 d. Hierzu kam aber täglich eine Ueberzeit von 3 oder 4 Stunden, wofür 3 d. per Stunde gezahlt wurde. Folge dieses Systems: Ein Mann, der nur die Normalzeit arbeitete, konnte nur 8 sh. Wochenlohn verdienen. Ohne Ueberzeit reichte der Lohn nicht aus." ("Reports of Insp. of Fact. 30th April 1863", p. 10.) Die "Extrazahlung für Ueberzeit ist eine Ver- suchung, der die Arbeiter nicht widerstehen können." ("Rep. of Insp. of Fact. 30th April 1848", p. 5.) Die Buchbinderei in der City von London verwendet sehr viele junge Mädchen vom 14.--15. Jahr an, und zwar unter dem Lehrlingskontrakt, der bestimmte Arbeitsstunden vorschreibt. Nichtsdesto- weniger arbeiten sie in der Schlusswoche jeden Monats bis 10, 11, 12 und 1 Uhr Nachts, zusammen mit den älteren Arbeitern, in sehr gemischter Gesellschaft. "Die Meister versuchen (tempt) sie durch Extralohn und Geld für ein gutes Nachtessen", das sie in benachbarten Kneipen zu sich nehmen. Die grosse Lieder- lichkeit, so unter diesen "young immortals" producirt ("Child. Empl. Comm. V. Rep.", p. 44, n. 191), findet ihre Kompensation darin, dass von ihnen unter anderm auch viele Bibeln und Erbauungsbücher gebunden werden. 38) Sieh "Reports of Insp. of Fact. 30th April 1863", l. c. Mit
ganz richtiger Kritik des Sachverhältnisses erklärten die im Baufach beschäftigten Londoner Arbeiter während des grossen strike und lock out von 1860 den Stun- denlohn nur annehmen zu wollen unter zwei Bedingungen: 1) dass mit dem Preis der Arbeitsstunde ein Normalarbeitstag von resp. 9 und 10 Stunden fest- gesetzt werde und der Preis für die Stunde des zehntägigen Arbeitstags grösser sei als für die des neunstündigen; 2) dass jede Stunde über den Normaltag hinaus als Ueberzeit verhältnissmässig höher bezahlt werde. länger als der erstere36). Das Wachsthum im Preis der Arbeit mit der 36) Z. B. in der Tapetendruckerei vor der neulichen Einführung des Fabrik- akts. „Wir arbeiten ohne Pause für Mahlzeiten, so dass das Tageswerk von 10½ Stunden um halb 5 Uhr Nachmittags beendet ist, und alles spätere ist Ueberzeit, die selten vor 6 Uhr Abends aufhört, so dass wir in der That das ganze Jahr durch Ueberzeit arbeiten.“ (Mr. Smith’s Evidence in „Child. Empl. Comm.“ I. Rep., p. 125.) 37) Z. B. in den schottischen Bleichereien. „In einigen Theilen Schottlands wurde diese Industrie (vor Einführung des Fabrikakts 1862) nach dem System der Ueberzeit betrieben, d. h. 10 Stunden galten als normaler Arbeitstag. Dafür erhielt der Mann 1. sh. 2 d. Hierzu kam aber täglich eine Ueberzeit von 3 oder 4 Stunden, wofür 3 d. per Stunde gezahlt wurde. Folge dieses Systems: Ein Mann, der nur die Normalzeit arbeitete, konnte nur 8 sh. Wochenlohn verdienen. Ohne Ueberzeit reichte der Lohn nicht aus.“ („Reports of Insp. of Fact. 30th April 1863“, p. 10.) Die „Extrazahlung für Ueberzeit ist eine Ver- suchung, der die Arbeiter nicht widerstehen können.“ („Rep. of Insp. of Fact. 30th April 1848“, p. 5.) Die Buchbinderei in der City von London verwendet sehr viele junge Mädchen vom 14.—15. Jahr an, und zwar unter dem Lehrlingskontrakt, der bestimmte Arbeitsstunden vorschreibt. Nichtsdesto- weniger arbeiten sie in der Schlusswoche jeden Monats bis 10, 11, 12 und 1 Uhr Nachts, zusammen mit den älteren Arbeitern, in sehr gemischter Gesellschaft. „Die Meister versuchen (tempt) sie durch Extralohn und Geld für ein gutes Nachtessen“, das sie in benachbarten Kneipen zu sich nehmen. Die grosse Lieder- lichkeit, so unter diesen „young immortals“ producirt („Child. Empl. Comm. V. Rep.“, p. 44, n. 191), findet ihre Kompensation darin, dass von ihnen unter anderm auch viele Bibeln und Erbauungsbücher gebunden werden. 38) Sieh „Reports of Insp. of Fact. 30th April 1863“, l. c. Mit
ganz richtiger Kritik des Sachverhältnisses erklärten die im Baufach beschäftigten Londoner Arbeiter während des grossen strike und lock out von 1860 den Stun- denlohn nur annehmen zu wollen unter zwei Bedingungen: 1) dass mit dem Preis der Arbeitsstunde ein Normalarbeitstag von resp. 9 und 10 Stunden fest- gesetzt werde und der Preis für die Stunde des zehntägigen Arbeitstags grösser sei als für die des neunstündigen; 2) dass jede Stunde über den Normaltag hinaus als Ueberzeit verhältnissmässig höher bezahlt werde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0553" n="534"/> länger als der erstere<note place="foot" n="36)">Z. B. in der Tapetendruckerei vor der neulichen Einführung des Fabrik-<lb/> akts. „Wir arbeiten ohne Pause für Mahlzeiten, so dass das <hi rendition="#g">Tageswerk von</hi><lb/> 10½ <hi rendition="#g">Stunden</hi> um halb 5 Uhr Nachmittags beendet ist, und alles spätere ist<lb/><hi rendition="#g">Ueberzeit</hi>, die selten vor 6 Uhr Abends aufhört, so dass wir in der That <hi rendition="#g">das<lb/> ganze Jahr durch</hi> Ueberzeit arbeiten.“ (<hi rendition="#g">Mr. Smith’s Evidence</hi> in<lb/> „<hi rendition="#g">Child. Empl. Comm</hi>.“ I. <hi rendition="#g">Rep</hi>., p. 125.)</note>. Das Wachsthum im Preis der Arbeit mit der<lb/> Verlängerung des Arbeitstags über eine gewisse Normalgrenze gestaltet<lb/> sich in verschiedenen britischen Industriezweigen so, dass der niedrige<lb/> Preis der Arbeit während der s. g. Normalzeit dem Arbeiter die besser<lb/> bezahlte Ueberzeit aufzwingt, will er überhaupt einen genügenden Arbeits-<lb/> lohn herausschlagen<note place="foot" n="37)">Z. B. in den schottischen Bleichereien. „In einigen Theilen Schottlands<lb/> wurde diese Industrie (vor Einführung des Fabrikakts 1862) nach dem System der<lb/> Ueberzeit betrieben, d. h. 10 Stunden galten als normaler Arbeitstag. Dafür<lb/> erhielt der Mann 1. sh. 2 d. Hierzu kam aber täglich eine Ueberzeit von 3 oder 4<lb/> Stunden, wofür 3 d. per Stunde gezahlt wurde. Folge dieses Systems: Ein Mann,<lb/> der nur die Normalzeit arbeitete, konnte nur 8 sh. Wochenlohn verdienen. Ohne<lb/> Ueberzeit reichte der Lohn nicht aus.“ („<hi rendition="#g">Reports of Insp. of Fact</hi>.<lb/> 30<hi rendition="#g">th April</hi> 1863“, p. 10.) Die „Extrazahlung für Ueberzeit ist eine <hi rendition="#g">Ver-<lb/> suchung</hi>, der die Arbeiter nicht widerstehen können.“ („<hi rendition="#g">Rep. of Insp. of<lb/> Fact</hi>. 30<hi rendition="#g">th April</hi> 1848“, p. 5.) Die Buchbinderei in der City von London<lb/> verwendet sehr viele junge Mädchen vom 14.—15. Jahr an, und zwar unter<lb/> dem Lehrlingskontrakt, der bestimmte Arbeitsstunden vorschreibt. Nichtsdesto-<lb/> weniger arbeiten sie in der Schlusswoche jeden Monats bis 10, 11, 12 und 1 Uhr<lb/> Nachts, zusammen mit den älteren Arbeitern, in <hi rendition="#g">sehr gemischter</hi> Gesellschaft.<lb/> „Die Meister versuchen (tempt) sie durch Extralohn und Geld für ein gutes<lb/> Nachtessen“, das sie in benachbarten Kneipen zu sich nehmen. Die grosse Lieder-<lb/> lichkeit, so unter diesen „young immortals“ producirt („<hi rendition="#g">Child. Empl.<lb/> Comm. V. Rep</hi>.“, p. 44, n. 191), findet ihre Kompensation darin, dass von<lb/> ihnen unter anderm auch viele Bibeln und Erbauungsbücher gebunden werden.</note>. Gesetzliche Beschränkung des Arbeitstags macht<lb/> diesem Vergnügen ein Ende<note place="foot" n="38)">Sieh „<hi rendition="#g">Reports of Insp. of Fact</hi>. 30<hi rendition="#g">th April</hi> 1863“, l. c. Mit<lb/> ganz richtiger Kritik des Sachverhältnisses erklärten die im Baufach beschäftigten<lb/> Londoner Arbeiter während des grossen strike und lock out von 1860 den <hi rendition="#g">Stun-<lb/> denlohn</hi> nur annehmen zu wollen unter zwei Bedingungen: 1) dass mit dem<lb/> Preis der Arbeitsstunde ein Normalarbeitstag von resp. 9 und 10 Stunden fest-<lb/> gesetzt werde und der Preis für die Stunde des zehntägigen Arbeitstags grösser<lb/> sei als für die des neunstündigen; 2) dass jede Stunde über den Normaltag hinaus<lb/> als Ueberzeit verhältnissmässig höher bezahlt werde.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [534/0553]
länger als der erstere 36). Das Wachsthum im Preis der Arbeit mit der
Verlängerung des Arbeitstags über eine gewisse Normalgrenze gestaltet
sich in verschiedenen britischen Industriezweigen so, dass der niedrige
Preis der Arbeit während der s. g. Normalzeit dem Arbeiter die besser
bezahlte Ueberzeit aufzwingt, will er überhaupt einen genügenden Arbeits-
lohn herausschlagen 37). Gesetzliche Beschränkung des Arbeitstags macht
diesem Vergnügen ein Ende 38).
36) Z. B. in der Tapetendruckerei vor der neulichen Einführung des Fabrik-
akts. „Wir arbeiten ohne Pause für Mahlzeiten, so dass das Tageswerk von
10½ Stunden um halb 5 Uhr Nachmittags beendet ist, und alles spätere ist
Ueberzeit, die selten vor 6 Uhr Abends aufhört, so dass wir in der That das
ganze Jahr durch Ueberzeit arbeiten.“ (Mr. Smith’s Evidence in
„Child. Empl. Comm.“ I. Rep., p. 125.)
37) Z. B. in den schottischen Bleichereien. „In einigen Theilen Schottlands
wurde diese Industrie (vor Einführung des Fabrikakts 1862) nach dem System der
Ueberzeit betrieben, d. h. 10 Stunden galten als normaler Arbeitstag. Dafür
erhielt der Mann 1. sh. 2 d. Hierzu kam aber täglich eine Ueberzeit von 3 oder 4
Stunden, wofür 3 d. per Stunde gezahlt wurde. Folge dieses Systems: Ein Mann,
der nur die Normalzeit arbeitete, konnte nur 8 sh. Wochenlohn verdienen. Ohne
Ueberzeit reichte der Lohn nicht aus.“ („Reports of Insp. of Fact.
30th April 1863“, p. 10.) Die „Extrazahlung für Ueberzeit ist eine Ver-
suchung, der die Arbeiter nicht widerstehen können.“ („Rep. of Insp. of
Fact. 30th April 1848“, p. 5.) Die Buchbinderei in der City von London
verwendet sehr viele junge Mädchen vom 14.—15. Jahr an, und zwar unter
dem Lehrlingskontrakt, der bestimmte Arbeitsstunden vorschreibt. Nichtsdesto-
weniger arbeiten sie in der Schlusswoche jeden Monats bis 10, 11, 12 und 1 Uhr
Nachts, zusammen mit den älteren Arbeitern, in sehr gemischter Gesellschaft.
„Die Meister versuchen (tempt) sie durch Extralohn und Geld für ein gutes
Nachtessen“, das sie in benachbarten Kneipen zu sich nehmen. Die grosse Lieder-
lichkeit, so unter diesen „young immortals“ producirt („Child. Empl.
Comm. V. Rep.“, p. 44, n. 191), findet ihre Kompensation darin, dass von
ihnen unter anderm auch viele Bibeln und Erbauungsbücher gebunden werden.
38) Sieh „Reports of Insp. of Fact. 30th April 1863“, l. c. Mit
ganz richtiger Kritik des Sachverhältnisses erklärten die im Baufach beschäftigten
Londoner Arbeiter während des grossen strike und lock out von 1860 den Stun-
denlohn nur annehmen zu wollen unter zwei Bedingungen: 1) dass mit dem
Preis der Arbeitsstunde ein Normalarbeitstag von resp. 9 und 10 Stunden fest-
gesetzt werde und der Preis für die Stunde des zehntägigen Arbeitstags grösser
sei als für die des neunstündigen; 2) dass jede Stunde über den Normaltag hinaus
als Ueberzeit verhältnissmässig höher bezahlt werde.
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