den "Bauer", und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. Die socialen Umwälzungsbedürfnisse und Gegensätze des Landes werden so mit denen der Stadt ausgeglichen. An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und irra- tionellsten Betriebs tritt bewusste, technologische Anwendung der Wissen- schaft. Die Zerreissung des ursprünglichen Familienbandes von Agri- kultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten. Mit dem stets wachsenden Ueber- gewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in grossen Centren zusammen- häuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d. h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandtheile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter324). Aber sie zwingt zugleich durch die Zerstörung der bloss naturwüchsig entstandenen Umstände jenes Stoff- wechsels ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Pro- duktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen. In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapi- talistische Umwandlung des Produktionsprozesses zugleich als Martyrologie der Producenten, das Arbeitsmittel als Unterjochungsmittel, Exploitationsmit- tel und Verarmungsmittel des Arbeiters, die gesellschaftliche Kombina- tion der Arbeitsprozesse als organisirte Unterdrückung seiner individu- ellen Lebendigkeit, Freiheit und Selbstständigkeit. Die Zerstreuung der Landarbeiter über grössere Flächen bricht zugleich ihre Widerstandskraft,
324) "You divide the people into two hostile camps of clownish boors and emasculated dwarfs. Good heavens! a nation divided into agricultural and commercial interests calling itself sane nay styling itself enlightened and civilized, not only in spite of, but in consequence of this monstrous and unnatural division." (David Urquhart l. c. p. 119.) Diese Stelle zeigt zugleich die Stärke und die Schwäche einer Art von Kritik, welche die Gegenwart zu be- und verurtheilen, aber nicht zu begreifen weiss.
den „Bauer“, und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. Die socialen Umwälzungsbedürfnisse und Gegensätze des Landes werden so mit denen der Stadt ausgeglichen. An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und irra- tionellsten Betriebs tritt bewusste, technologische Anwendung der Wissen- schaft. Die Zerreissung des ursprünglichen Familienbandes von Agri- kultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten. Mit dem stets wachsenden Ueber- gewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in grossen Centren zusammen- häuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d. h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandtheile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter324). Aber sie zwingt zugleich durch die Zerstörung der bloss naturwüchsig entstandenen Umstände jenes Stoff- wechsels ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Pro- duktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen. In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapi- talistische Umwandlung des Produktionsprozesses zugleich als Martyrologie der Producenten, das Arbeitsmittel als Unterjochungsmittel, Exploitationsmit- tel und Verarmungsmittel des Arbeiters, die gesellschaftliche Kombina- tion der Arbeitsprozesse als organisirte Unterdrückung seiner individu- ellen Lebendigkeit, Freiheit und Selbstständigkeit. Die Zerstreuung der Landarbeiter über grössere Flächen bricht zugleich ihre Widerstandskraft,
324) „You divide the people into two hostile camps of clownish boors and emasculated dwarfs. Good heavens! a nation divided into agricultural and commercial interests calling itself sane nay styling itself enlightened and civilized, not only in spite of, but in consequence of this monstrous and unnatural division.“ (David Urquhart l. c. p. 119.) Diese Stelle zeigt zugleich die Stärke und die Schwäche einer Art von Kritik, welche die Gegenwart zu be- und verurtheilen, aber nicht zu begreifen weiss.
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den „Bauer“, und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. Die socialen
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der Stadt ausgeglichen. An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und irra-
tionellsten Betriebs tritt bewusste, technologische Anwendung der Wissen-
schaft. Die Zerreissung des ursprünglichen Familienbandes von Agri-
kultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider
umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie
schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren
Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer
gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten. Mit dem stets wachsenden Ueber-
gewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in grossen Centren zusammen-
häuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche
Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel
zwischen Mensch und Erde, d. h. die Rückkehr der vom Menschen in der
Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandtheile
zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit.
Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und
das geistige Leben der Landarbeiter 324). Aber sie zwingt zugleich durch
die Zerstörung der bloss naturwüchsig entstandenen Umstände jenes Stoff-
wechsels ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Pro-
duktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form
herzustellen. In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapi-
talistische Umwandlung des Produktionsprozesses zugleich als Martyrologie
der Producenten, das Arbeitsmittel als Unterjochungsmittel, Exploitationsmit-
tel und Verarmungsmittel des Arbeiters, die gesellschaftliche Kombina-
tion der Arbeitsprozesse als organisirte Unterdrückung seiner individu-
ellen Lebendigkeit, Freiheit und Selbstständigkeit. Die Zerstreuung der
Landarbeiter über grössere Flächen bricht zugleich ihre Widerstandskraft,
324) „You divide the people into two hostile camps of clownish boors and
emasculated dwarfs. Good heavens! a nation divided into agricultural and
commercial interests calling itself sane nay styling itself enlightened and civilized,
not only in spite of, but in consequence of this monstrous and unnatural division.“
(David Urquhart l. c. p. 119.) Diese Stelle zeigt zugleich die Stärke und die
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/513>, abgerufen am 25.11.2024.
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