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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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geeignete Staatsüberwachung der scutching mills grosse Opfer von
Leib und Leben zu vermeiden sind"294). Was könnte die kapitalistische
Produktionsweise besser charakterisiren als die Nothwendigkeit, ihr durch
Zwangsgesetz von Staatswegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesund-
heitsvorrichtungen aufzuherrschen? "Der Fabrikakt von 1864 hat in den
Töpfereien über 200 Werkstätten geweisst und gereinigt, nach zwan-
zigjähriger oder gänzlicher Enthaltung von jeder sol-
chen Operation
(diess ist die "Abstinenz" des Kapitals!), in
Plätzen, wo 27,800 Arbeiter beschäftigt sind, und bisher, während übermäs-
siger Tages-, oft Nacht-Arbeit, eine mephitische Atmosphäre einathmeten,
welche eine sonst vergleichungsweis harmlose Beschäftigung mit Krank-
heit und Tod schwängerte. Der Akt hat die Ventilationsmittel sehr ver-
mehrt"295). Zugleich zeigt dieser Zweig des Fabrikakts schlagend, wie
die kapitalistische Produktionsweise ihrem Wesen nach über einen gewissen
Punkt hinaus jede rationelle Verbesserung ausschliesst. Es ward wiederholt
bemerkt, dass die englischen Aerzte aus einem Munde 500 Kubikfuss Luft-
raum per Person für kaum genügen des Minimum bei fortgesetzter Arbeit erklä-
ren. Nun wohl! Wenn der Fabrikakt indirekt durch alle seine Zwangsmass-
regeln die Verwandlung kleinerer Werkstätten in Fabriken beschleunigt,
daher indirekt in das Eigenthumsrecht der kleineren Kapitalisten eingreift
und den grossen das Monopol sichert, so würde die gesetzliche Aufherr-
schung des nöthigen Luftraums für jeden Arbeiter in der Werkstätte Tau-
sende von kleinen Kapitalisten mit einem Schlag direkt expropriiren! Sie
würde die Wurzel der kapitalistischen Produktionsweise angreifen, d. h. die
Selbstverwerthung des Kapitals, ob gross oder klein, durch "freien" An-
kauf und Konsum der Arbeitskraft. Vor diesen 500 Kubikfuss Luft geht
daher der Fabrikgesetzgebung der Athem aus. Der "Board of Health",
die industriellen Untersuchungskommissionen, die Fabrikinspektoren wie-
derholen wieder und wieder die Nothwendigkeit der 500 Kubikfüsse und
die Unmöglichkeit, sie dem Kapital aufzuoktroyiren. Sie erklären so in
der That Schwindsucht und andre Lungenkrankheiten der Arbeit für eine
Lebensbedingung des Kapitals296).


294) l. c. p. XV, n. 72 sqq.
295) "Reports of Insp. of Fact. 31. Oct. 1865", p. 96.
296) Man hat erfahrungsmässig gefunden, dass ungefähr 25 Kubikzoll Luft
bei jeder Athmung mittlerer Intensivität von einem gesunden Durchschnittsindi-

geeignete Staatsüberwachung der scutching mills grosse Opfer von
Leib und Leben zu vermeiden sind“294). Was könnte die kapitalistische
Produktionsweise besser charakterisiren als die Nothwendigkeit, ihr durch
Zwangsgesetz von Staatswegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesund-
heitsvorrichtungen aufzuherrschen? „Der Fabrikakt von 1864 hat in den
Töpfereien über 200 Werkstätten geweisst und gereinigt, nach zwan-
zigjähriger oder gänzlicher Enthaltung von jeder sol-
chen Operation
(diess ist die „Abstinenz“ des Kapitals!), in
Plätzen, wo 27,800 Arbeiter beschäftigt sind, und bisher, während übermäs-
siger Tages-, oft Nacht-Arbeit, eine mephitische Atmosphäre einathmeten,
welche eine sonst vergleichungsweis harmlose Beschäftigung mit Krank-
heit und Tod schwängerte. Der Akt hat die Ventilationsmittel sehr ver-
mehrt“295). Zugleich zeigt dieser Zweig des Fabrikakts schlagend, wie
die kapitalistische Produktionsweise ihrem Wesen nach über einen gewissen
Punkt hinaus jede rationelle Verbesserung ausschliesst. Es ward wiederholt
bemerkt, dass die englischen Aerzte aus einem Munde 500 Kubikfuss Luft-
raum per Person für kaum genügen des Minimum bei fortgesetzter Arbeit erklä-
ren. Nun wohl! Wenn der Fabrikakt indirekt durch alle seine Zwangsmass-
regeln die Verwandlung kleinerer Werkstätten in Fabriken beschleunigt,
daher indirekt in das Eigenthumsrecht der kleineren Kapitalisten eingreift
und den grossen das Monopol sichert, so würde die gesetzliche Aufherr-
schung des nöthigen Luftraums für jeden Arbeiter in der Werkstätte Tau-
sende von kleinen Kapitalisten mit einem Schlag direkt expropriiren! Sie
würde die Wurzel der kapitalistischen Produktionsweise angreifen, d. h. die
Selbstverwerthung des Kapitals, ob gross oder klein, durch „freien“ An-
kauf und Konsum der Arbeitskraft. Vor diesen 500 Kubikfuss Luft geht
daher der Fabrikgesetzgebung der Athem aus. Der „Board of Health“,
die industriellen Untersuchungskommissionen, die Fabrikinspektoren wie-
derholen wieder und wieder die Nothwendigkeit der 500 Kubikfüsse und
die Unmöglichkeit, sie dem Kapital aufzuoktroyiren. Sie erklären so in
der That Schwindsucht und andre Lungenkrankheiten der Arbeit für eine
Lebensbedingung des Kapitals296).


294) l. c. p. XV, n. 72 sqq.
295)Reports of Insp. of Fact. 31. Oct. 1865“, p. 96.
296) Man hat erfahrungsmässig gefunden, dass ungefähr 25 Kubikzoll Luft
bei jeder Athmung mittlerer Intensivität von einem gesunden Durchschnittsindi-
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[474/0493] geeignete Staatsüberwachung der scutching mills grosse Opfer von Leib und Leben zu vermeiden sind“ 294). Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisiren als die Nothwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staatswegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesund- heitsvorrichtungen aufzuherrschen? „Der Fabrikakt von 1864 hat in den Töpfereien über 200 Werkstätten geweisst und gereinigt, nach zwan- zigjähriger oder gänzlicher Enthaltung von jeder sol- chen Operation (diess ist die „Abstinenz“ des Kapitals!), in Plätzen, wo 27,800 Arbeiter beschäftigt sind, und bisher, während übermäs- siger Tages-, oft Nacht-Arbeit, eine mephitische Atmosphäre einathmeten, welche eine sonst vergleichungsweis harmlose Beschäftigung mit Krank- heit und Tod schwängerte. Der Akt hat die Ventilationsmittel sehr ver- mehrt“ 295). Zugleich zeigt dieser Zweig des Fabrikakts schlagend, wie die kapitalistische Produktionsweise ihrem Wesen nach über einen gewissen Punkt hinaus jede rationelle Verbesserung ausschliesst. Es ward wiederholt bemerkt, dass die englischen Aerzte aus einem Munde 500 Kubikfuss Luft- raum per Person für kaum genügen des Minimum bei fortgesetzter Arbeit erklä- ren. Nun wohl! Wenn der Fabrikakt indirekt durch alle seine Zwangsmass- regeln die Verwandlung kleinerer Werkstätten in Fabriken beschleunigt, daher indirekt in das Eigenthumsrecht der kleineren Kapitalisten eingreift und den grossen das Monopol sichert, so würde die gesetzliche Aufherr- schung des nöthigen Luftraums für jeden Arbeiter in der Werkstätte Tau- sende von kleinen Kapitalisten mit einem Schlag direkt expropriiren! Sie würde die Wurzel der kapitalistischen Produktionsweise angreifen, d. h. die Selbstverwerthung des Kapitals, ob gross oder klein, durch „freien“ An- kauf und Konsum der Arbeitskraft. Vor diesen 500 Kubikfuss Luft geht daher der Fabrikgesetzgebung der Athem aus. Der „Board of Health“, die industriellen Untersuchungskommissionen, die Fabrikinspektoren wie- derholen wieder und wieder die Nothwendigkeit der 500 Kubikfüsse und die Unmöglichkeit, sie dem Kapital aufzuoktroyiren. Sie erklären so in der That Schwindsucht und andre Lungenkrankheiten der Arbeit für eine Lebensbedingung des Kapitals 296). 294) l. c. p. XV, n. 72 sqq. 295) „Reports of Insp. of Fact. 31. Oct. 1865“, p. 96. 296) Man hat erfahrungsmässig gefunden, dass ungefähr 25 Kubikzoll Luft bei jeder Athmung mittlerer Intensivität von einem gesunden Durchschnittsindi-

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/493>, abgerufen am 25.11.2024.