Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

modernen Manufaktur schamloser als in der eigentlichen
Fabrik
, weil die hier existirende, technologische Grundlage, Ersatz der
Muskelkraft durch Maschinen und Leichtigkeit der Arbeit, dort grossentheils
wegfällt, zugleich der weibliche oder noch unreife Körper den Einflüssen
giftiger Substanzen u. s. w. aufs gewissenloseste preisgegeben wird. Sie
wird in der s. g. Hausarbeit schamloser als in der Manufaktur, weil
die Widerstandsfähigkeit der Arbeiter mit ihrer Zersplitterung abnimmt,
eine ganze Reihe räuberischer Parasiten sich zwischen den eigentlichen
Arbeitgeber und den Arbeiter drängt, die Hausarbeit überall mit Maschi-
nen- oder wenigstens Manufakturbetrieb in demselben Produktionszweig
kämpft, die Armuth den Arbeiter der nöthigsten Arbeitsbedingungen,
Raum, Licht, Ventilation u. s. w. beraubt, die Unregelmässigkeit der Be-
schäftigung wächst, und endlich in diesen letzten Zufluchtsstätten der durch
die grosse Industrie und Agrikultur "überzählig" Gemachten die Arbeiter-
konkurrenz nothwendig ihr Maximum erreicht. Die durch den Maschinen-
betrieb erst systematisch ausgebildete Oekonomisirung der Produk-
tionsmittel
, von vorn herein zugleich rücksichtsloseste Verschwen-
dung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzun-
gen der Arbeitsfunktion
, kehrt jetzt diese ihre antagonistische und men-
schenmörderische Seite um so mehr heraus, je weniger in einem Industrie-
zweig die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und
die technologische Grundlage kombinirter Arbeitsprozesse
entwickelt sind.

Ich will nun an einigen Beispielen die oben aufgestellten Sätze er-
läutern. Der Leser kennt in der That schon massenhafte Belege aus dem
Abschnitt über den Arbeitstag. Die Metallmanufakturen in Birming-
ham und Umgegend wenden grossentheils für sehr schwere Arbeit 30,000
Kinder und junge Personen nebst 10,000 Weibern an. Man findet sie
hier in den gesundheitswidrigen Gelbgiessereien, Knopffabriken, Glasur-,
Galvanisirungs- und Lackirarbeiten251). Die Arbeitsexcesse für Erwachsne
und Unerwachsne haben verschiedenen Londoner Zeitungs- und Buch-
druckereien
den rühmlichen Namen: "Das Schlachthaus" ge-
sichert251a). Dieselben Excesse, deren Schlachtopfer hier namentlich Weiber,

251) Und nun gar Kinder im File-grinding zu Sheffield!
251a) "Ch. Empl. Comm. V. Rep. 1866", p. 3, n. 24, p. 6, n. 55, 56,
p. 7, n. 59, 60.

modernen Manufaktur schamloser als in der eigentlichen
Fabrik
, weil die hier existirende, technologische Grundlage, Ersatz der
Muskelkraft durch Maschinen und Leichtigkeit der Arbeit, dort grossentheils
wegfällt, zugleich der weibliche oder noch unreife Körper den Einflüssen
giftiger Substanzen u. s. w. aufs gewissenloseste preisgegeben wird. Sie
wird in der s. g. Hausarbeit schamloser als in der Manufaktur, weil
die Widerstandsfähigkeit der Arbeiter mit ihrer Zersplitterung abnimmt,
eine ganze Reihe räuberischer Parasiten sich zwischen den eigentlichen
Arbeitgeber und den Arbeiter drängt, die Hausarbeit überall mit Maschi-
nen- oder wenigstens Manufakturbetrieb in demselben Produktionszweig
kämpft, die Armuth den Arbeiter der nöthigsten Arbeitsbedingungen,
Raum, Licht, Ventilation u. s. w. beraubt, die Unregelmässigkeit der Be-
schäftigung wächst, und endlich in diesen letzten Zufluchtsstätten der durch
die grosse Industrie und Agrikultur „überzählig“ Gemachten die Arbeiter-
konkurrenz nothwendig ihr Maximum erreicht. Die durch den Maschinen-
betrieb erst systematisch ausgebildete Oekonomisirung der Produk-
tionsmittel
, von vorn herein zugleich rücksichtsloseste Verschwen-
dung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzun-
gen der Arbeitsfunktion
, kehrt jetzt diese ihre antagonistische und men-
schenmörderische Seite um so mehr heraus, je weniger in einem Industrie-
zweig die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und
die technologische Grundlage kombinirter Arbeitsprozesse
entwickelt sind.

Ich will nun an einigen Beispielen die oben aufgestellten Sätze er-
läutern. Der Leser kennt in der That schon massenhafte Belege aus dem
Abschnitt über den Arbeitstag. Die Metallmanufakturen in Birming-
ham und Umgegend wenden grossentheils für sehr schwere Arbeit 30,000
Kinder und junge Personen nebst 10,000 Weibern an. Man findet sie
hier in den gesundheitswidrigen Gelbgiessereien, Knopffabriken, Glasur-,
Galvanisirungs- und Lackirarbeiten251). Die Arbeitsexcesse für Erwachsne
und Unerwachsne haben verschiedenen Londoner Zeitungs- und Buch-
druckereien
den rühmlichen Namen: „Das Schlachthaus“ ge-
sichert251a). Dieselben Excesse, deren Schlachtopfer hier namentlich Weiber,

251) Und nun gar Kinder im File-grinding zu Sheffield!
251a)Ch. Empl. Comm. V. Rep. 1866“, p. 3, n. 24, p. 6, n. 55, 56,
p. 7, n. 59, 60.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0472" n="453"/><hi rendition="#g">modernen Manufaktur</hi> schamloser als in der <hi rendition="#g">eigentlichen<lb/>
Fabrik</hi>, weil die hier existirende, technologische Grundlage, Ersatz der<lb/>
Muskelkraft durch Maschinen und Leichtigkeit der Arbeit, dort grossentheils<lb/>
wegfällt, zugleich der weibliche oder noch unreife Körper den Einflüssen<lb/>
giftiger Substanzen u. s. w. aufs gewissenloseste preisgegeben wird. Sie<lb/>
wird in der s. g. <hi rendition="#g">Hausarbeit</hi> schamloser als in der <hi rendition="#g">Manufaktur</hi>, weil<lb/>
die Widerstandsfähigkeit der Arbeiter mit ihrer Zersplitterung abnimmt,<lb/>
eine ganze Reihe räuberischer Parasiten sich zwischen den eigentlichen<lb/>
Arbeitgeber und den Arbeiter drängt, die Hausarbeit überall mit Maschi-<lb/>
nen- oder wenigstens Manufakturbetrieb in demselben Produktionszweig<lb/>
kämpft, die Armuth den Arbeiter der nöthigsten Arbeitsbedingungen,<lb/>
Raum, Licht, Ventilation u. s. w. beraubt, die Unregelmässigkeit der Be-<lb/>
schäftigung wächst, und endlich in diesen letzten Zufluchtsstätten der durch<lb/>
die grosse Industrie und Agrikultur &#x201E;überzählig&#x201C; Gemachten die Arbeiter-<lb/>
konkurrenz nothwendig ihr Maximum erreicht. Die durch den Maschinen-<lb/>
betrieb erst systematisch ausgebildete <hi rendition="#g">Oekonomisirung der Produk-<lb/>
tionsmittel</hi>, von vorn herein zugleich rücksichtsloseste <hi rendition="#g">Verschwen-<lb/>
dung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzun-<lb/>
gen der Arbeitsfunktion</hi>, kehrt jetzt diese ihre antagonistische und men-<lb/>
schenmörderische Seite um so mehr heraus, je weniger in einem Industrie-<lb/>
zweig die <hi rendition="#g">gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit</hi> und<lb/>
die <hi rendition="#g">technologische Grundlage kombinirter Arbeitsprozesse</hi><lb/>
entwickelt sind.</p><lb/>
            <p>Ich will nun an einigen Beispielen die oben aufgestellten Sätze er-<lb/>
läutern. Der Leser kennt in der That schon massenhafte Belege aus dem<lb/>
Abschnitt über den <hi rendition="#g">Arbeitstag</hi>. Die Metallmanufakturen in Birming-<lb/>
ham und Umgegend wenden grossentheils für sehr schwere Arbeit 30,000<lb/>
Kinder und junge Personen nebst 10,000 Weibern an. Man findet sie<lb/>
hier in den gesundheitswidrigen Gelbgiessereien, Knopffabriken, Glasur-,<lb/>
Galvanisirungs- und Lackirarbeiten<note place="foot" n="251)"><hi rendition="#g">Und nun</hi> gar <hi rendition="#g">Kinder</hi> im <hi rendition="#g">File-grinding zu Sheffield</hi>!</note>. Die Arbeitsexcesse für Erwachsne<lb/>
und Unerwachsne haben verschiedenen Londoner <hi rendition="#g">Zeitungs- und Buch-<lb/>
druckereien</hi> den rühmlichen Namen: &#x201E;<hi rendition="#g">Das Schlachthaus</hi>&#x201C; ge-<lb/>
sichert<note place="foot" n="251a)">&#x201E;<hi rendition="#g">Ch. Empl. Comm. V. Rep</hi>. 1866&#x201C;, p. 3, n. 24, p. 6, n. 55, 56,<lb/>
p. 7, n. 59, 60.</note>. Dieselben Excesse, deren Schlachtopfer hier namentlich Weiber,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[453/0472] modernen Manufaktur schamloser als in der eigentlichen Fabrik, weil die hier existirende, technologische Grundlage, Ersatz der Muskelkraft durch Maschinen und Leichtigkeit der Arbeit, dort grossentheils wegfällt, zugleich der weibliche oder noch unreife Körper den Einflüssen giftiger Substanzen u. s. w. aufs gewissenloseste preisgegeben wird. Sie wird in der s. g. Hausarbeit schamloser als in der Manufaktur, weil die Widerstandsfähigkeit der Arbeiter mit ihrer Zersplitterung abnimmt, eine ganze Reihe räuberischer Parasiten sich zwischen den eigentlichen Arbeitgeber und den Arbeiter drängt, die Hausarbeit überall mit Maschi- nen- oder wenigstens Manufakturbetrieb in demselben Produktionszweig kämpft, die Armuth den Arbeiter der nöthigsten Arbeitsbedingungen, Raum, Licht, Ventilation u. s. w. beraubt, die Unregelmässigkeit der Be- schäftigung wächst, und endlich in diesen letzten Zufluchtsstätten der durch die grosse Industrie und Agrikultur „überzählig“ Gemachten die Arbeiter- konkurrenz nothwendig ihr Maximum erreicht. Die durch den Maschinen- betrieb erst systematisch ausgebildete Oekonomisirung der Produk- tionsmittel, von vorn herein zugleich rücksichtsloseste Verschwen- dung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzun- gen der Arbeitsfunktion, kehrt jetzt diese ihre antagonistische und men- schenmörderische Seite um so mehr heraus, je weniger in einem Industrie- zweig die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und die technologische Grundlage kombinirter Arbeitsprozesse entwickelt sind. Ich will nun an einigen Beispielen die oben aufgestellten Sätze er- läutern. Der Leser kennt in der That schon massenhafte Belege aus dem Abschnitt über den Arbeitstag. Die Metallmanufakturen in Birming- ham und Umgegend wenden grossentheils für sehr schwere Arbeit 30,000 Kinder und junge Personen nebst 10,000 Weibern an. Man findet sie hier in den gesundheitswidrigen Gelbgiessereien, Knopffabriken, Glasur-, Galvanisirungs- und Lackirarbeiten 251). Die Arbeitsexcesse für Erwachsne und Unerwachsne haben verschiedenen Londoner Zeitungs- und Buch- druckereien den rühmlichen Namen: „Das Schlachthaus“ ge- sichert 251a). Dieselben Excesse, deren Schlachtopfer hier namentlich Weiber, 251) Und nun gar Kinder im File-grinding zu Sheffield! 251a) „Ch. Empl. Comm. V. Rep. 1866“, p. 3, n. 24, p. 6, n. 55, 56, p. 7, n. 59, 60.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/472
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/472>, abgerufen am 25.11.2024.