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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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prozesses, und der grössern Produktivität, die seiner kapitalistischen Aus-
beutung geschuldet ist.

In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werk-
zeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Be-
wegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat.
In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanis-
mus. In der Fabrik existirt ein todter Mechanismus unabhängig von ihnen
und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt. "Der trübselige
Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Pro-
zess immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus;
die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abge-
matteten Arbeiter zurück"186). Während die Maschinenarbeit das Ner-
vensystem aufs äusserste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der
Muskeln und konfiscirt alle freie körperliche und geistige Thätigkeit187).
Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die
Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit
vom Inhalt. Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Ar-
beitsprozess
, sondern zugleich Verwerthungsprozess des Ka-
pitals, ist es gemeinsam, dass nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung,
sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst
mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technologisch hand-
greifliche
Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Auto-
maten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem
Arbeiter als Kapital gegenüber, als todte Arbeit, welche die lebendige
Arbeitskraft beherrscht und aussaugt. Die Scheidung der geistigen
Potenzen
des Produktionsprozesses von der Handarbeit und die Ver-
wandlung derselben in Mächte des Kapitals über die Arbeit
vollendet sich, wie bereits früher angedeutet, in der auf Grundlage der

186) F. Engels l. c. p. 217. Selbst ein ganz ordinärer, optimistischer Frei-
händler, Herr Molinari, bemerkt: "Un homme s'use plus vite en surveillant,
quinze heurs par jour l'evolution uniforme d'un mecanisme, qu'en exercant dans
le meme espace de temps, sa force physique. Ce travail de surveillance, qui
servirait peut-etre d'utile gymnastique a l'intelligence, s'il n'etait pas trop prolonge,
detruit a la longue, par son exces, et l'intelligence et le corps meme." (G. de
Molinari
: "Etudes Economiques." Paris 1846.)
187) F. Engels l. c. p. 216.

prozesses, und der grössern Produktivität, die seiner kapitalistischen Aus-
beutung geschuldet ist.

In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werk-
zeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Be-
wegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat.
In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanis-
mus. In der Fabrik existirt ein todter Mechanismus unabhängig von ihnen
und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt. „Der trübselige
Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Pro-
zess immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus;
die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abge-
matteten Arbeiter zurück“186). Während die Maschinenarbeit das Ner-
vensystem aufs äusserste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der
Muskeln und konfiscirt alle freie körperliche und geistige Thätigkeit187).
Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die
Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit
vom Inhalt. Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Ar-
beitsprozess
, sondern zugleich Verwerthungsprozess des Ka-
pitals, ist es gemeinsam, dass nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung,
sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst
mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technologisch hand-
greifliche
Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Auto-
maten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem
Arbeiter als Kapital gegenüber, als todte Arbeit, welche die lebendige
Arbeitskraft beherrscht und aussaugt. Die Scheidung der geistigen
Potenzen
des Produktionsprozesses von der Handarbeit und die Ver-
wandlung derselben in Mächte des Kapitals über die Arbeit
vollendet sich, wie bereits früher angedeutet, in der auf Grundlage der

186) F. Engels l. c. p. 217. Selbst ein ganz ordinärer, optimistischer Frei-
händler, Herr Molinari, bemerkt: „Un homme s’use plus vite en surveillant,
quinze heurs par jour l’évolution uniforme d’un mécanisme, qu’en exerçant dans
le même espace de temps, sa force physique. Ce travail de surveillance, qui
servirait peut-être d’utile gymnastique à l’intelligence, s’il n’était pas trop prolongé,
détruit à la longue, par son excès, et l’intelligence et le corps même.“ (G. de
Molinari
: „Études Économiques.“ Paris 1846.)
187) F. Engels l. c. p. 216.
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[414/0433] prozesses, und der grössern Produktivität, die seiner kapitalistischen Aus- beutung geschuldet ist. In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werk- zeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Be- wegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanis- mus. In der Fabrik existirt ein todter Mechanismus unabhängig von ihnen und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt. „Der trübselige Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Pro- zess immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus; die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abge- matteten Arbeiter zurück“ 186). Während die Maschinenarbeit das Ner- vensystem aufs äusserste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der Muskeln und konfiscirt alle freie körperliche und geistige Thätigkeit 187). Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit vom Inhalt. Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Ar- beitsprozess, sondern zugleich Verwerthungsprozess des Ka- pitals, ist es gemeinsam, dass nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die Arbeitsbedingung den Arbeiter anwendet, aber erst mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technologisch hand- greifliche Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Auto- maten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem Arbeiter als Kapital gegenüber, als todte Arbeit, welche die lebendige Arbeitskraft beherrscht und aussaugt. Die Scheidung der geistigen Potenzen des Produktionsprozesses von der Handarbeit und die Ver- wandlung derselben in Mächte des Kapitals über die Arbeit vollendet sich, wie bereits früher angedeutet, in der auf Grundlage der 186) F. Engels l. c. p. 217. Selbst ein ganz ordinärer, optimistischer Frei- händler, Herr Molinari, bemerkt: „Un homme s’use plus vite en surveillant, quinze heurs par jour l’évolution uniforme d’un mécanisme, qu’en exerçant dans le même espace de temps, sa force physique. Ce travail de surveillance, qui servirait peut-être d’utile gymnastique à l’intelligence, s’il n’était pas trop prolongé, détruit à la longue, par son excès, et l’intelligence et le corps même.“ (G. de Molinari: „Études Économiques.“ Paris 1846.) 187) F. Engels l. c. p. 216.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/433>, abgerufen am 22.11.2024.