Es fragt sich nun, wie wird die Arbeit intensificirt?
Die erste Wirkung des verkürzten Arbeitstags beruht auf dem selbstverständlichen Gesetz, dass die Wirkungsfähigkeit der Arbeits- kraft im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Wirkungszeit steht. Es wird daher, innerhalb gewisser Grenzen, am Grad der Kraftäusserung gewonnen, was an ihrer Dauer verloren geht. Dass der Arbeiter aber auch wirklich mehr Arbeitskraft flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode der Zahlung158). In Manufakturen, der Töpferei z. B., wo die Maschinerie keine oder unbedeutende Rolle spielt, hat die Einführung des Fabrikge- setzes schlagend bewiesen, dass blosse Verkürzung des Arbeitstags die Regelmässigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Kontinuität und Energie der Arbeit wundervoll erhöht159). Diese Wirkung schien jedoch zweifelhaft in der eigentlichen Fabrik, weil die Abhängigkeit des Arbeiters von der kontinuirlichen und gleichförmigen Bewegung der Maschine hier längst die strengste Disciplin geschaffen hatte. Als daher 1844 die Herabsetzung des Arbeitstags unter 12 Stunden verhandelt ward, erklärten die Fabrikanten fast einstimmig, "ihre Aufseher passten in den verschiednen Arbeitsräumen auf, dass die Hände keine Zeit verlören", "der Grad der Wachsamkeit und Aufmerksamkeit auf Seiten der Arbeiter ("the extent of vigilance and atten- tion on the part of the workmen") sei kaum steigerungsfähig", und alle anderen Umstände, wie Gang der Maschinerie u. s. w. als gleichblei- bend vorausgesetzt, "sei es daher Unsinn in wohlgeführten Fabriken von der gesteigerten Aufmerksamkeit u. s. w. der Arbeiter irgend ein erkleck- liches Resultat zu erwarten"160). Diese Behauptung ward durch Ex- perimente widerlegt. Herr R. Gardner liess in seinen zwei grossen Fabriken zu Preston vom 20. April 1844 an statt 12 nur noch 11 Stunden per Tag arbeiten. Nach ungefähr Jahresfrist ergab sich das Resultat, dass "dasselbe Quantum Produkt zur selben Kost erhalten ward, und sämmtliche Arbeiter in 11 Stunden eben so viel Arbeitslohn verdienten,
158) Namentlich durch den Stücklohn, eine Form, die im nächsten Kapitel entwickelt wird.
159) Sieh "Reports of Insp. of Fact. for 31st Oct. 1865."
160) "Reports of Insp. of Fact. for 1844 and the quarter ending 30th April 1845", p. 20, 21.
I. 26
Es fragt sich nun, wie wird die Arbeit intensificirt?
Die erste Wirkung des verkürzten Arbeitstags beruht auf dem selbstverständlichen Gesetz, dass die Wirkungsfähigkeit der Arbeits- kraft im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Wirkungszeit steht. Es wird daher, innerhalb gewisser Grenzen, am Grad der Kraftäusserung gewonnen, was an ihrer Dauer verloren geht. Dass der Arbeiter aber auch wirklich mehr Arbeitskraft flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode der Zahlung158). In Manufakturen, der Töpferei z. B., wo die Maschinerie keine oder unbedeutende Rolle spielt, hat die Einführung des Fabrikge- setzes schlagend bewiesen, dass blosse Verkürzung des Arbeitstags die Regelmässigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Kontinuität und Energie der Arbeit wundervoll erhöht159). Diese Wirkung schien jedoch zweifelhaft in der eigentlichen Fabrik, weil die Abhängigkeit des Arbeiters von der kontinuirlichen und gleichförmigen Bewegung der Maschine hier längst die strengste Disciplin geschaffen hatte. Als daher 1844 die Herabsetzung des Arbeitstags unter 12 Stunden verhandelt ward, erklärten die Fabrikanten fast einstimmig, „ihre Aufseher passten in den verschiednen Arbeitsräumen auf, dass die Hände keine Zeit verlören“, „der Grad der Wachsamkeit und Aufmerksamkeit auf Seiten der Arbeiter („the extent of vigilance and atten- tion on the part of the workmen“) sei kaum steigerungsfähig“, und alle anderen Umstände, wie Gang der Maschinerie u. s. w. als gleichblei- bend vorausgesetzt, „sei es daher Unsinn in wohlgeführten Fabriken von der gesteigerten Aufmerksamkeit u. s. w. der Arbeiter irgend ein erkleck- liches Resultat zu erwarten“160). Diese Behauptung ward durch Ex- perimente widerlegt. Herr R. Gardner liess in seinen zwei grossen Fabriken zu Preston vom 20. April 1844 an statt 12 nur noch 11 Stunden per Tag arbeiten. Nach ungefähr Jahresfrist ergab sich das Resultat, dass „dasselbe Quantum Produkt zur selben Kost erhalten ward, und sämmtliche Arbeiter in 11 Stunden eben so viel Arbeitslohn verdienten,
158) Namentlich durch den Stücklohn, eine Form, die im nächsten Kapitel entwickelt wird.
159) Sieh „Reports of Insp. of Fact. for 31st Oct. 1865.“
160) „Reports of Insp. of Fact. for 1844 and the quarter ending 30th April 1845“, p. 20, 21.
I. 26
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0420"n="401"/><p>Es fragt sich nun, wie wird die Arbeit <hirendition="#g">intensificirt</hi>?</p><lb/><p>Die erste Wirkung des <hirendition="#g">verkürzten Arbeitstags</hi> beruht auf<lb/>
dem selbstverständlichen Gesetz, dass die Wirkungsfähigkeit der Arbeits-<lb/>
kraft im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Wirkungszeit steht. Es wird daher,<lb/>
innerhalb gewisser Grenzen, am Grad der Kraftäusserung gewonnen, was<lb/>
an ihrer Dauer verloren geht. Dass der Arbeiter aber auch wirklich mehr<lb/>
Arbeitskraft <hirendition="#g">flüssig macht</hi>, dafür sorgt das Kapital durch die Methode<lb/>
der Zahlung<noteplace="foot"n="158)">Namentlich durch den Stücklohn, eine Form, die im nächsten Kapitel<lb/>
entwickelt wird.</note>. In <hirendition="#g">Manufakturen</hi>, der Töpferei z. B., wo die Maschinerie<lb/>
keine oder unbedeutende Rolle spielt, hat die Einführung des Fabrikge-<lb/>
setzes schlagend bewiesen, dass <hirendition="#g">blosse Verkürzung des Arbeitstags</hi><lb/>
die Regelmässigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Kontinuität und Energie der<lb/>
Arbeit wundervoll erhöht<noteplace="foot"n="159)">Sieh „<hirendition="#g">Reports of Insp. of Fact. for</hi> 31<hirendition="#g">st Oct</hi>. 1865.“</note>. Diese Wirkung schien jedoch zweifelhaft in der<lb/><hirendition="#g">eigentlichen Fabrik</hi>, weil die Abhängigkeit des Arbeiters von der<lb/>
kontinuirlichen und gleichförmigen Bewegung der Maschine hier längst die<lb/>
strengste Disciplin geschaffen hatte. Als daher 1844 die Herabsetzung des<lb/>
Arbeitstags unter 12 Stunden verhandelt ward, erklärten die Fabrikanten fast<lb/>
einstimmig, „ihre Aufseher passten in den verschiednen Arbeitsräumen auf,<lb/>
dass die Hände keine Zeit verlören“, „der Grad der Wachsamkeit und<lb/>
Aufmerksamkeit auf Seiten der Arbeiter („the extent of vigilance and atten-<lb/>
tion on the part of the workmen“) sei kaum steigerungsfähig“, und alle<lb/>
anderen Umstände, wie Gang der Maschinerie u. s. w. als <hirendition="#g">gleichblei-<lb/>
bend</hi> vorausgesetzt, „sei es daher Unsinn in wohlgeführten Fabriken von<lb/>
der gesteigerten Aufmerksamkeit u. s. w. der Arbeiter irgend ein erkleck-<lb/>
liches Resultat zu erwarten“<noteplace="foot"n="160)">„<hirendition="#g">Reports of Insp. of Fact. for</hi> 1844 <hirendition="#g">and the quarter ending<lb/>
30th April</hi> 1845“, p. 20, 21.</note>. Diese Behauptung ward durch <hirendition="#g">Ex-<lb/>
perimente</hi> widerlegt. Herr R. <hirendition="#g">Gardner</hi> liess in seinen zwei grossen<lb/>
Fabriken zu Preston vom 20. April 1844 an statt 12 nur noch 11 Stunden<lb/>
per Tag arbeiten. Nach ungefähr Jahresfrist ergab sich das Resultat,<lb/>
dass „dasselbe Quantum Produkt zur selben Kost erhalten ward, und<lb/>
sämmtliche Arbeiter in 11 Stunden eben so viel Arbeitslohn verdienten,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I. 26</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[401/0420]
Es fragt sich nun, wie wird die Arbeit intensificirt?
Die erste Wirkung des verkürzten Arbeitstags beruht auf
dem selbstverständlichen Gesetz, dass die Wirkungsfähigkeit der Arbeits-
kraft im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Wirkungszeit steht. Es wird daher,
innerhalb gewisser Grenzen, am Grad der Kraftäusserung gewonnen, was
an ihrer Dauer verloren geht. Dass der Arbeiter aber auch wirklich mehr
Arbeitskraft flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode
der Zahlung 158). In Manufakturen, der Töpferei z. B., wo die Maschinerie
keine oder unbedeutende Rolle spielt, hat die Einführung des Fabrikge-
setzes schlagend bewiesen, dass blosse Verkürzung des Arbeitstags
die Regelmässigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Kontinuität und Energie der
Arbeit wundervoll erhöht 159). Diese Wirkung schien jedoch zweifelhaft in der
eigentlichen Fabrik, weil die Abhängigkeit des Arbeiters von der
kontinuirlichen und gleichförmigen Bewegung der Maschine hier längst die
strengste Disciplin geschaffen hatte. Als daher 1844 die Herabsetzung des
Arbeitstags unter 12 Stunden verhandelt ward, erklärten die Fabrikanten fast
einstimmig, „ihre Aufseher passten in den verschiednen Arbeitsräumen auf,
dass die Hände keine Zeit verlören“, „der Grad der Wachsamkeit und
Aufmerksamkeit auf Seiten der Arbeiter („the extent of vigilance and atten-
tion on the part of the workmen“) sei kaum steigerungsfähig“, und alle
anderen Umstände, wie Gang der Maschinerie u. s. w. als gleichblei-
bend vorausgesetzt, „sei es daher Unsinn in wohlgeführten Fabriken von
der gesteigerten Aufmerksamkeit u. s. w. der Arbeiter irgend ein erkleck-
liches Resultat zu erwarten“ 160). Diese Behauptung ward durch Ex-
perimente widerlegt. Herr R. Gardner liess in seinen zwei grossen
Fabriken zu Preston vom 20. April 1844 an statt 12 nur noch 11 Stunden
per Tag arbeiten. Nach ungefähr Jahresfrist ergab sich das Resultat,
dass „dasselbe Quantum Produkt zur selben Kost erhalten ward, und
sämmtliche Arbeiter in 11 Stunden eben so viel Arbeitslohn verdienten,
158) Namentlich durch den Stücklohn, eine Form, die im nächsten Kapitel
entwickelt wird.
159) Sieh „Reports of Insp. of Fact. for 31st Oct. 1865.“
160) „Reports of Insp. of Fact. for 1844 and the quarter ending
30th April 1845“, p. 20, 21.
I. 26
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/420>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.