Arbeitskraft, worüber er als formell freie Person verfügte. Er verkauft jetzt Weib und Kind. Er wird Sklavenhändler122). Die Nachfrage nach Kinderarbeit gleicht oft auch in der Form der Nachfrage nach Neger- sklaven, wie man sie in amerikanischen Zeitungsinseraten zu lesen gewohnt war. "Meine Aufmerksamkeit", sagt z. B. ein englischer Fabrikinspektor, "wurde gelenkt auf eine Annonce in dem Lokalblatt einer der bedeutend- sten Manufakturstädte meines Distrikts, wovon Folgendes die Kopie: Ge- braucht 12 bis 20 Jungen, nicht jünger als was für 13 Jahre passiren kann. Lohn 4 sh. per Woche. Anzufragen etc."123) Der unterstrichne Passus bezieht sich darauf, dass nach dem Factory Act Kinder unter 13 Jahren nur 6 Stunden arbeiten dürfen. Ein amt- lich qualificirter Arzt (certifying surgeon) muss das Alter bescheinigen. Der Fabrikant verlangt also Jungen, die so aussehn, als ob sie schon dreizehnjährig. Die manchmal sprungweise Abnahme in der Anzahl der von Fabrikanten beschäftigten Kinder unter 13 Jahren, überraschend in der englischen Statistik der letzten 20 Jahre, war, nach Aussage der Fabrikinspektoren selbst, grossentheils das Werk von certifying sur- geons, welche das Kindesalter der Exploitationslust der Kapitalisten und dem Schacherbedürfniss der Eltern gemäss verschoben. In dem berüch- tigten Londoner Distrikt von Bethnal Green wird jeden Montag und Dien-
122) Im Kontrast zur grossen Thatsache, dass die Beschränkung der Weiber- und Kinderarbeit in den englischen Fabriken von den erwachsnen männlichen Ar- beitern dem Kapital aberobert wurde, findet man noch in den jüngsten Berichten der "Children's Employment Commission" wahrhaft empörende und durchaus sklavenhändlerische Züge der Arbeitereltern mit Bezug auf den Kinder- schacher. Der kapitalistische Pharisäer aber, wie man aus denselben "Reports" sehn kann, denuncirt diese von ihm selbst geschaffene, verewigte und exploitirte Bestialität, die er sonst "Freiheit der Arbeit" tauft. "Infant labour has been called into aid ... even to work for their own daily bread. Withoutstrength to endure such disproportionate toil, without instruction to guide their future life, they have been thrown into a situation physically and morally polluted. The Jewish historian has remarked upon the overthrow of Jerusalem by Titus, that is was no wonder it should have been destroyed, with such a signal destruction, when an inhuman mother sacrificed her own offspring to satisfy the cravings of absolute hunger." "Public Economy Concentrated. Carlisle 1833", p. 56.
123) A. Redgrave in "Reports of Insp. of Fact. for 31. Oct. 1858", p. 40, 41.
Arbeitskraft, worüber er als formell freie Person verfügte. Er verkauft jetzt Weib und Kind. Er wird Sklavenhändler122). Die Nachfrage nach Kinderarbeit gleicht oft auch in der Form der Nachfrage nach Neger- sklaven, wie man sie in amerikanischen Zeitungsinseraten zu lesen gewohnt war. „Meine Aufmerksamkeit“, sagt z. B. ein englischer Fabrikinspektor, „wurde gelenkt auf eine Annonce in dem Lokalblatt einer der bedeutend- sten Manufakturstädte meines Distrikts, wovon Folgendes die Kopie: Ge- braucht 12 bis 20 Jungen, nicht jünger als was für 13 Jahre passiren kann. Lohn 4 sh. per Woche. Anzufragen etc.“123) Der unterstrichne Passus bezieht sich darauf, dass nach dem Factory Act Kinder unter 13 Jahren nur 6 Stunden arbeiten dürfen. Ein amt- lich qualificirter Arzt (certifying surgeon) muss das Alter bescheinigen. Der Fabrikant verlangt also Jungen, die so aussehn, als ob sie schon dreizehnjährig. Die manchmal sprungweise Abnahme in der Anzahl der von Fabrikanten beschäftigten Kinder unter 13 Jahren, überraschend in der englischen Statistik der letzten 20 Jahre, war, nach Aussage der Fabrikinspektoren selbst, grossentheils das Werk von certifying sur- geons, welche das Kindesalter der Exploitationslust der Kapitalisten und dem Schacherbedürfniss der Eltern gemäss verschoben. In dem berüch- tigten Londoner Distrikt von Bethnal Green wird jeden Montag und Dien-
122) Im Kontrast zur grossen Thatsache, dass die Beschränkung der Weiber- und Kinderarbeit in den englischen Fabriken von den erwachsnen männlichen Ar- beitern dem Kapital aberobert wurde, findet man noch in den jüngsten Berichten der „Children’s Employment Commission“ wahrhaft empörende und durchaus sklavenhändlerische Züge der Arbeitereltern mit Bezug auf den Kinder- schacher. Der kapitalistische Pharisäer aber, wie man aus denselben „Reports“ sehn kann, denuncirt diese von ihm selbst geschaffene, verewigte und exploitirte Bestialität, die er sonst „Freiheit der Arbeit“ tauft. „Infant labour has been called into aid … even to work for their own daily bread. Withoutstrength to endure such disproportionate toil, without instruction to guide their future life, they have been thrown into a situation physically and morally polluted. The Jewish historian has remarked upon the overthrow of Jerusalem by Titus, that is was no wonder it should have been destroyed, with such a signal destruction, when an inhuman mother sacrificed her own offspring to satisfy the cravings of absolute hunger.“ „Public Economy Concentrated. Carlisle 1833“, p. 56.
123) A. Redgrave in „Reports of Insp. of Fact. for 31. Oct. 1858“, p. 40, 41.
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jetzt Weib und Kind. Er wird Sklavenhändler 122). Die Nachfrage
nach Kinderarbeit gleicht oft auch in der Form der Nachfrage nach Neger-
sklaven, wie man sie in amerikanischen Zeitungsinseraten zu lesen gewohnt
war. „Meine Aufmerksamkeit“, sagt z. B. ein englischer Fabrikinspektor,
„wurde gelenkt auf eine Annonce in dem Lokalblatt einer der bedeutend-
sten Manufakturstädte meines Distrikts, wovon Folgendes die Kopie: Ge-
braucht 12 bis 20 Jungen, nicht jünger als was für 13
Jahre passiren kann. Lohn 4 sh. per Woche. Anzufragen etc.“ 123)
Der unterstrichne Passus bezieht sich darauf, dass nach dem Factory Act
Kinder unter 13 Jahren nur 6 Stunden arbeiten dürfen. Ein amt-
lich qualificirter Arzt (certifying surgeon) muss das Alter bescheinigen.
Der Fabrikant verlangt also Jungen, die so aussehn, als ob sie schon
dreizehnjährig. Die manchmal sprungweise Abnahme in der Anzahl der
von Fabrikanten beschäftigten Kinder unter 13 Jahren, überraschend in
der englischen Statistik der letzten 20 Jahre, war, nach Aussage der
Fabrikinspektoren selbst, grossentheils das Werk von certifying sur-
geons, welche das Kindesalter der Exploitationslust der Kapitalisten und
dem Schacherbedürfniss der Eltern gemäss verschoben. In dem berüch-
tigten Londoner Distrikt von Bethnal Green wird jeden Montag und Dien-
122) Im Kontrast zur grossen Thatsache, dass die Beschränkung der Weiber-
und Kinderarbeit in den englischen Fabriken von den erwachsnen männlichen Ar-
beitern dem Kapital aberobert wurde, findet man noch in den jüngsten Berichten
der „Children’s Employment Commission“ wahrhaft empörende und
durchaus sklavenhändlerische Züge der Arbeitereltern mit Bezug auf den Kinder-
schacher. Der kapitalistische Pharisäer aber, wie man aus denselben „Reports“
sehn kann, denuncirt diese von ihm selbst geschaffene, verewigte und exploitirte
Bestialität, die er sonst „Freiheit der Arbeit“ tauft. „Infant labour has been
called into aid … even to work for their own daily bread. Withoutstrength to endure
such disproportionate toil, without instruction to guide their future life, they have
been thrown into a situation physically and morally polluted. The Jewish historian
has remarked upon the overthrow of Jerusalem by Titus, that is was no wonder
it should have been destroyed, with such a signal destruction, when an inhuman
mother sacrificed her own offspring to satisfy the cravings of absolute hunger.“
„Public Economy Concentrated. Carlisle 1833“, p. 56.
123) A. Redgrave in „Reports of Insp. of Fact. for 31. Oct.
1858“, p. 40, 41.
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/403>, abgerufen am 16.02.2025.
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