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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Existenzbedingungen aller Arten mehr oder minder erhält. Dasselbe bür-
gerliche Bewusstsein, das die manufakturmässige Theilung der Arbeit,
die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung und
die unbedingte Unterordnung der Theilarbeiter unter das Kapital, als eine
Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigere, denun-
cirt daher eben so laut jede bewusste gesellschaftliche Kontrole und Reg-
lung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses als einen Eingriff in die
unverletzlichen Eigenthumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende
"Genialität" des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch,
dass die begeisterten Apologeten des Fabriksystems nichts ärgeres gegen
jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wis-
sen, als dass sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde.

Wenn die Anarchie der gesellschaftlichen und die Despotie der
manufakturmässigen Arbeitstheilung einander in der Gesellschaft
der kapitalistischen Produktionsweise bedingen, bieten dagegen frühere
Gesellschaftsformen, worin die Besonderung der Gewerbe sich naturwüchsig
entwickelt, dann krystallisirt und endlich gesetzlich befestigt, einer-
seits das Bild einer plan- und autoritätsmässigen Organisation der
gesellschaftlichen Arbeit, während sie anderseits die Theilung der Arbeit
innerhalb der Werkstatt ganz ausschliessen, oder nur auf einem Zwerg-
massstab, oder nur sporadisch und zufällig entwickeln59).

Jene uralterthümlichen, kleinen indischen Gemeinwesen z. B., die
zum Theil noch fortexistiren, beruhn auf gemeinschaftlichem Besitz des
Grund und Bodens, auf unmittelbarer Verbindung von Agrikultur und
Handwerk, und auf einer festen Theilung der Arbeit, die bei Anlage neuer
Gemeinwesen als gegebner Plan und Grundriss dient. Sie bilden sich
selbst genügende Produktionsganze, deren Produktionsgebiet von 100 bis
auf einige 1000 Acres wechselt. Die Hauptmasse der Produkte wird für
den unmittelbaren Selbstbedarf der Gemeinde producirt, nicht als Waare,
und die Produktion selbst ist daher unabhängig von der durch Waaren-

59) "On peut ... etablir en regle generale, que moins l'autorite preside a
la division du travail dans l'interieur de la societe, plus la division du travail se
developpe dans l'interieur de l'atelier, et plus elle y est soumise a l'autorite d'un
seul. Ainsi l'autorite dans l'atelier et celle dans la societe, par rapport a la
division du travail, sont en raison inverse l'une de l'autre." (Karl Marx
l. c. p. 130, 131.)

Existenzbedingungen aller Arten mehr oder minder erhält. Dasselbe bür-
gerliche Bewusstsein, das die manufakturmässige Theilung der Arbeit,
die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung und
die unbedingte Unterordnung der Theilarbeiter unter das Kapital, als eine
Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigere, denun-
cirt daher eben so laut jede bewusste gesellschaftliche Kontrole und Reg-
lung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses als einen Eingriff in die
unverletzlichen Eigenthumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende
„Genialität“ des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch,
dass die begeisterten Apologeten des Fabriksystems nichts ärgeres gegen
jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wis-
sen, als dass sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde.

Wenn die Anarchie der gesellschaftlichen und die Despotie der
manufakturmässigen Arbeitstheilung einander in der Gesellschaft
der kapitalistischen Produktionsweise bedingen, bieten dagegen frühere
Gesellschaftsformen, worin die Besonderung der Gewerbe sich naturwüchsig
entwickelt, dann krystallisirt und endlich gesetzlich befestigt, einer-
seits das Bild einer plan- und autoritätsmässigen Organisation der
gesellschaftlichen Arbeit, während sie anderseits die Theilung der Arbeit
innerhalb der Werkstatt ganz ausschliessen, oder nur auf einem Zwerg-
massstab, oder nur sporadisch und zufällig entwickeln59).

Jene uralterthümlichen, kleinen indischen Gemeinwesen z. B., die
zum Theil noch fortexistiren, beruhn auf gemeinschaftlichem Besitz des
Grund und Bodens, auf unmittelbarer Verbindung von Agrikultur und
Handwerk, und auf einer festen Theilung der Arbeit, die bei Anlage neuer
Gemeinwesen als gegebner Plan und Grundriss dient. Sie bilden sich
selbst genügende Produktionsganze, deren Produktionsgebiet von 100 bis
auf einige 1000 Acres wechselt. Die Hauptmasse der Produkte wird für
den unmittelbaren Selbstbedarf der Gemeinde producirt, nicht als Waare,
und die Produktion selbst ist daher unabhängig von der durch Waaren-

59) „On peut … établir en règle générale, que moins l’autorité préside à
la division du travail dans l’intérieur de la société, plus la division du travail se
développe dans l’intérieur de l’atélier, et plus elle y est soumise à l’autorité d’un
seul. Ainsi l’autorité dans l’atélier et celle dans la société, par rapport à la
division du travail, sont en raison inverse l’une de l’autre.“ (Karl Marx
l. c. p. 130, 131.)
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[341/0360] Existenzbedingungen aller Arten mehr oder minder erhält. Dasselbe bür- gerliche Bewusstsein, das die manufakturmässige Theilung der Arbeit, die lebenslängliche Annexation des Arbeiters an eine Detailverrichtung und die unbedingte Unterordnung der Theilarbeiter unter das Kapital, als eine Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigere, denun- cirt daher eben so laut jede bewusste gesellschaftliche Kontrole und Reg- lung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses als einen Eingriff in die unverletzlichen Eigenthumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende „Genialität“ des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch, dass die begeisterten Apologeten des Fabriksystems nichts ärgeres gegen jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wis- sen, als dass sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde. Wenn die Anarchie der gesellschaftlichen und die Despotie der manufakturmässigen Arbeitstheilung einander in der Gesellschaft der kapitalistischen Produktionsweise bedingen, bieten dagegen frühere Gesellschaftsformen, worin die Besonderung der Gewerbe sich naturwüchsig entwickelt, dann krystallisirt und endlich gesetzlich befestigt, einer- seits das Bild einer plan- und autoritätsmässigen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit, während sie anderseits die Theilung der Arbeit innerhalb der Werkstatt ganz ausschliessen, oder nur auf einem Zwerg- massstab, oder nur sporadisch und zufällig entwickeln 59). Jene uralterthümlichen, kleinen indischen Gemeinwesen z. B., die zum Theil noch fortexistiren, beruhn auf gemeinschaftlichem Besitz des Grund und Bodens, auf unmittelbarer Verbindung von Agrikultur und Handwerk, und auf einer festen Theilung der Arbeit, die bei Anlage neuer Gemeinwesen als gegebner Plan und Grundriss dient. Sie bilden sich selbst genügende Produktionsganze, deren Produktionsgebiet von 100 bis auf einige 1000 Acres wechselt. Die Hauptmasse der Produkte wird für den unmittelbaren Selbstbedarf der Gemeinde producirt, nicht als Waare, und die Produktion selbst ist daher unabhängig von der durch Waaren- 59) „On peut … établir en règle générale, que moins l’autorité préside à la division du travail dans l’intérieur de la société, plus la division du travail se développe dans l’intérieur de l’atélier, et plus elle y est soumise à l’autorité d’un seul. Ainsi l’autorité dans l’atélier et celle dans la société, par rapport à la division du travail, sont en raison inverse l’une de l’autre.“ (Karl Marx l. c. p. 130, 131.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/360>, abgerufen am 22.11.2024.