in laut drohenden Meetings in Lancashire und Yorkshire. Das angebliche Zehnstundengesetz sei also blosser Humbug, parlamentarische Prellerei, und habe nie existirt! Die Fabrikinspektoren warnten dringend die Re- gierung, der Klassenantagonismus sei zu einer unglaublichen Höhe ge- spannt. Ein Theil der Fabrikanten selbst murrte: "durch die wider- sprechenden Entscheidungen der Magistrate herrsche ein ganz abnormaler und anarchischer Zustand. Ein andres Gesetz gelte in Yorkshire, ein andres in Lancashire, ein andres Gesetz in einer Pfarrei von Lancashire, ein andres in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Der Fabrikant in grossen Städten könne das Gesetz umgehn, der in Landflecken finde nicht das nöthige Personal für das Relaissystem und noch minder zur Verschiebung der Arbeiter aus einer Fabrik in die andre u. s. w." Und gleiche Ex- ploitation der Arbeitskraft ist das erste Menschenrecht des Kapitals.
Unter diesen Umständen kam es zu einem Kompromiss zwi- schen Fabrikanten und Arbeitern, der in dem neuen zusätz- lichen Fabrikakt vom 5. August 1850 parlamentarisch versiegelt ist. Für "junge Personen und Frauenzimmer" wurde der Arbeitstag in den ersten 5 Wochentagen von 10 auf 101/2 Stunden erhöht, für den Samstag auf 71/2 Stunden beschränkt. Die Arbeit muss in der Periode von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends vorgehn169), mit 11/2stün- digen Pausen für Mahlzeiten, die gleichzeitig und gemäss den Bestim- mungen von 1844 einzuräumen sind u. s. w. Damit war dem Relais- system ein für allemal ein Ende gemacht170). Für die Kinderarbeit blieb das Gesetz von 1844 in Kraft.
Eine Fabrikantenkategorie sicherte sich diessmal, wie früher, beson- dere Seigneurialrechte auf Proletarierkinder. Es waren diess die Sei- denfabrikanten. Im Jahr 1833 hatten sie drohend geheult, "wenn man ihnen die Freiheit raube, Kinder jeden Alters täglich
169) Im Winter kann die Periode zwischen 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Abends an die Stelle treten.
170) "The present law (of 1850) was a compromise whereby the employed surrendered the benefit of the Ten Hours' Act for the advantage of one uniform period for the commencement and termination of the labour of those whose labour is restricted." ("Reports etc. for 30th April 1852", p. 14.)
in laut drohenden Meetings in Lancashire und Yorkshire. Das angebliche Zehnstundengesetz sei also blosser Humbug, parlamentarische Prellerei, und habe nie existirt! Die Fabrikinspektoren warnten dringend die Re- gierung, der Klassenantagonismus sei zu einer unglaublichen Höhe ge- spannt. Ein Theil der Fabrikanten selbst murrte: „durch die wider- sprechenden Entscheidungen der Magistrate herrsche ein ganz abnormaler und anarchischer Zustand. Ein andres Gesetz gelte in Yorkshire, ein andres in Lancashire, ein andres Gesetz in einer Pfarrei von Lancashire, ein andres in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Der Fabrikant in grossen Städten könne das Gesetz umgehn, der in Landflecken finde nicht das nöthige Personal für das Relaissystem und noch minder zur Verschiebung der Arbeiter aus einer Fabrik in die andre u. s. w.“ Und gleiche Ex- ploitation der Arbeitskraft ist das erste Menschenrecht des Kapitals.
Unter diesen Umständen kam es zu einem Kompromiss zwi- schen Fabrikanten und Arbeitern, der in dem neuen zusätz- lichen Fabrikakt vom 5. August 1850 parlamentarisch versiegelt ist. Für „junge Personen und Frauenzimmer“ wurde der Arbeitstag in den ersten 5 Wochentagen von 10 auf 10½ Stunden erhöht, für den Samstag auf 7½ Stunden beschränkt. Die Arbeit muss in der Periode von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends vorgehn169), mit 1½stün- digen Pausen für Mahlzeiten, die gleichzeitig und gemäss den Bestim- mungen von 1844 einzuräumen sind u. s. w. Damit war dem Relais- system ein für allemal ein Ende gemacht170). Für die Kinderarbeit blieb das Gesetz von 1844 in Kraft.
Eine Fabrikantenkategorie sicherte sich diessmal, wie früher, beson- dere Seigneurialrechte auf Proletarierkinder. Es waren diess die Sei- denfabrikanten. Im Jahr 1833 hatten sie drohend geheult, „wenn man ihnen die Freiheit raube, Kinder jeden Alters täglich
169) Im Winter kann die Periode zwischen 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Abends an die Stelle treten.
170) „The present law (of 1850) was a compromise whereby the employed surrendered the benefit of the Ten Hours’ Act for the advantage of one uniform period for the commencement and termination of the labour of those whose labour is restricted.“ („Reports etc. for 30th April 1852“, p. 14.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0288"n="269"/>
in laut drohenden Meetings in Lancashire und Yorkshire. Das angebliche<lb/>
Zehnstundengesetz sei also blosser Humbug, parlamentarische Prellerei,<lb/>
und habe nie existirt! Die Fabrikinspektoren warnten dringend die Re-<lb/>
gierung, der Klassenantagonismus sei zu einer unglaublichen Höhe ge-<lb/>
spannt. Ein Theil der Fabrikanten selbst murrte: „durch die wider-<lb/>
sprechenden Entscheidungen der Magistrate herrsche ein ganz abnormaler<lb/>
und anarchischer Zustand. Ein andres Gesetz gelte in Yorkshire, ein<lb/>
andres in Lancashire, ein andres Gesetz in einer Pfarrei von Lancashire, ein<lb/>
andres in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Der Fabrikant in grossen<lb/>
Städten könne das Gesetz umgehn, der in Landflecken finde nicht das<lb/>
nöthige Personal für das Relaissystem und noch minder zur Verschiebung<lb/>
der Arbeiter aus einer Fabrik in die andre u. s. w.“ Und <hirendition="#g">gleiche Ex-<lb/>
ploitation der Arbeitskraft</hi> ist das erste Menschenrecht des Kapitals.</p><lb/><p>Unter diesen Umständen kam es zu einem <hirendition="#g">Kompromiss zwi-<lb/>
schen Fabrikanten und Arbeitern</hi>, der in dem neuen <hirendition="#g">zusätz-<lb/>
lichen</hi> Fabrikakt vom 5. <hirendition="#g">August 1850</hi> parlamentarisch versiegelt<lb/>
ist. Für „<hirendition="#g">junge Personen und Frauenzimmer</hi>“ wurde der<lb/>
Arbeitstag in den ersten 5 Wochentagen von 10 auf 10½ Stunden erhöht,<lb/>
für den Samstag auf 7½ Stunden beschränkt. Die Arbeit muss in der<lb/>
Periode von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends vorgehn<noteplace="foot"n="169)">Im Winter kann die Periode zwischen 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Abends<lb/>
an die Stelle treten.</note>, mit 1½stün-<lb/>
digen Pausen für Mahlzeiten, die <hirendition="#g">gleichzeitig</hi> und gemäss den Bestim-<lb/>
mungen von 1844 einzuräumen sind u. s. w. Damit war dem Relais-<lb/>
system ein für allemal ein Ende gemacht<noteplace="foot"n="170)">„The present law (of 1850) was a <hirendition="#g">compromise</hi> whereby the employed<lb/>
surrendered the benefit of the <hirendition="#g">Ten Hours’ Act</hi> for the <hirendition="#g">advantage of one<lb/>
uniform period for the commencement and termination of the<lb/>
labour of those</hi> whose labour is restricted.“ („<hirendition="#g">Reports</hi> etc. <hirendition="#g">for</hi> 30<hirendition="#g">th<lb/>
April</hi> 1852“, p. 14.)</note>. Für die Kinderarbeit blieb<lb/>
das Gesetz von 1844 in Kraft.</p><lb/><p>Eine Fabrikantenkategorie sicherte sich diessmal, wie früher, beson-<lb/>
dere Seigneurialrechte auf Proletarierkinder. Es waren diess die <hirendition="#g">Sei-<lb/>
denfabrikanten</hi>. Im Jahr 1833 hatten sie drohend geheult, „wenn<lb/>
man <hirendition="#g">ihnen die Freiheit raube, Kinder jeden Alters</hi> täglich<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[269/0288]
in laut drohenden Meetings in Lancashire und Yorkshire. Das angebliche
Zehnstundengesetz sei also blosser Humbug, parlamentarische Prellerei,
und habe nie existirt! Die Fabrikinspektoren warnten dringend die Re-
gierung, der Klassenantagonismus sei zu einer unglaublichen Höhe ge-
spannt. Ein Theil der Fabrikanten selbst murrte: „durch die wider-
sprechenden Entscheidungen der Magistrate herrsche ein ganz abnormaler
und anarchischer Zustand. Ein andres Gesetz gelte in Yorkshire, ein
andres in Lancashire, ein andres Gesetz in einer Pfarrei von Lancashire, ein
andres in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. Der Fabrikant in grossen
Städten könne das Gesetz umgehn, der in Landflecken finde nicht das
nöthige Personal für das Relaissystem und noch minder zur Verschiebung
der Arbeiter aus einer Fabrik in die andre u. s. w.“ Und gleiche Ex-
ploitation der Arbeitskraft ist das erste Menschenrecht des Kapitals.
Unter diesen Umständen kam es zu einem Kompromiss zwi-
schen Fabrikanten und Arbeitern, der in dem neuen zusätz-
lichen Fabrikakt vom 5. August 1850 parlamentarisch versiegelt
ist. Für „junge Personen und Frauenzimmer“ wurde der
Arbeitstag in den ersten 5 Wochentagen von 10 auf 10½ Stunden erhöht,
für den Samstag auf 7½ Stunden beschränkt. Die Arbeit muss in der
Periode von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends vorgehn 169), mit 1½stün-
digen Pausen für Mahlzeiten, die gleichzeitig und gemäss den Bestim-
mungen von 1844 einzuräumen sind u. s. w. Damit war dem Relais-
system ein für allemal ein Ende gemacht 170). Für die Kinderarbeit blieb
das Gesetz von 1844 in Kraft.
Eine Fabrikantenkategorie sicherte sich diessmal, wie früher, beson-
dere Seigneurialrechte auf Proletarierkinder. Es waren diess die Sei-
denfabrikanten. Im Jahr 1833 hatten sie drohend geheult, „wenn
man ihnen die Freiheit raube, Kinder jeden Alters täglich
169) Im Winter kann die Periode zwischen 7 Uhr Morgens und 7 Uhr Abends
an die Stelle treten.
170) „The present law (of 1850) was a compromise whereby the employed
surrendered the benefit of the Ten Hours’ Act for the advantage of one
uniform period for the commencement and termination of the
labour of those whose labour is restricted.“ („Reports etc. for 30th
April 1852“, p. 14.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/288>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.