Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

führte er sofort das System in seiner eignen Fabrik ein158). Allerdings
war schon die Zusammensetzung dieser Gerichte offne Verletzung des Ge-
setzes159). "Diese Art gerichtlicher Farcen", ruft Inspektor Howell aus,
"schreien nach einem Heilmittel . . . . entweder passt das Gesetz diesen
Urtheilssprüchen an oder lasst es verwalten durch ein minder fehlbares
Tribunal, das seine Entscheidungen dem Gesetz anpasst . . . . In allen
solchen Fällen, wie sehnt man sich nach einem bezahlten Richter"160)!

Die Kronjuristen erklärten die Fabrikanten-Interpretation des Akts
von 1844 für abgeschmackt, aber die Gesellschaftsretter liessen sich nicht
beirren. "Nachdem ich", berichtet Leonhard Horner, "durch 10 Verfol-
gungen in 7 verschiednen Gerichtsbezirken versucht habe das Gesetz zu
erzwingen und nur in einem Fall von den Magistraten unterstützt wurde,
halte ich weitere Verfolgung wegen Umgehung des Gesetzes für nutzlos.
Der Theil des Akts, der verfasst wurde, um Uniformität in den Arbeits-
stunden zu schaffen, existirt nicht mehr in Lancashire. Auch besitze ich
mit meinen Unteragenten durchaus kein Mittel uns zu versichern, dass Fabri-
ken, wo das sog. Relaissystem herrscht, junge Personen und Frauenzimmer
nicht über 10 Stunden beschäftigen . . . . Ende April 1849 arbeiten
schon 118 Fabriken in meinem Distrikt nach dieser Methode und ihre
Anzahl nimmt in der letzten Zeit reissend zu. Im Allgemeinen arbeiten
sie jetzt 131/2 Stunden, von 6 Uhr Morgens bis halb 8 Uhr Abends; in
einigen Fällen 15 Stunden, von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr
Abends"161). Schon December 1848 besass Leonhard Horner eine Liste
von 65 Fabrikanten und 29 Fabrikaufsehern, die einstimmig erklärten,
kein System der Oberaufsicht könne unter diesem Relaissystem die exten-
sivste Ueberarbeit verhindern162). Bald wurden dieselben Kinder und

158) "Reports etc. for 30th April 1849", p. 21, 22. Vgl. ähnliche
Beispiele ibid. p. 4, 5.
159) Durch 1 und 2 Wm. IV. c. 24, s. 10, bekannt als Sir John Hobhouse's
Factory Act, wird verboten, dass irgend ein Besitzer einer Baumwollspinnerei oder
Weberei, oder Vater, Sohn und Bruder eines solchen Besitzers in Fragen, die den
Factory Act betreffen, als Friedensrichter funktioniren.
160) l. c.
161) "Reports etc. for 30th April 1849", p. 5.
162) "Rep. etc. for 31st Oct. 1849", p. 6.

führte er sofort das System in seiner eignen Fabrik ein158). Allerdings
war schon die Zusammensetzung dieser Gerichte offne Verletzung des Ge-
setzes159). „Diese Art gerichtlicher Farcen“, ruft Inspektor Howell aus,
„schreien nach einem Heilmittel . . . . entweder passt das Gesetz diesen
Urtheilssprüchen an oder lasst es verwalten durch ein minder fehlbares
Tribunal, das seine Entscheidungen dem Gesetz anpasst . . . . In allen
solchen Fällen, wie sehnt man sich nach einem bezahlten Richter“160)!

Die Kronjuristen erklärten die Fabrikanten-Interpretation des Akts
von 1844 für abgeschmackt, aber die Gesellschaftsretter liessen sich nicht
beirren. „Nachdem ich“, berichtet Leonhard Horner, „durch 10 Verfol-
gungen in 7 verschiednen Gerichtsbezirken versucht habe das Gesetz zu
erzwingen und nur in einem Fall von den Magistraten unterstützt wurde,
halte ich weitere Verfolgung wegen Umgehung des Gesetzes für nutzlos.
Der Theil des Akts, der verfasst wurde, um Uniformität in den Arbeits-
stunden zu schaffen, existirt nicht mehr in Lancashire. Auch besitze ich
mit meinen Unteragenten durchaus kein Mittel uns zu versichern, dass Fabri-
ken, wo das sog. Relaissystem herrscht, junge Personen und Frauenzimmer
nicht über 10 Stunden beschäftigen . . . . Ende April 1849 arbeiten
schon 118 Fabriken in meinem Distrikt nach dieser Methode und ihre
Anzahl nimmt in der letzten Zeit reissend zu. Im Allgemeinen arbeiten
sie jetzt 13½ Stunden, von 6 Uhr Morgens bis halb 8 Uhr Abends; in
einigen Fällen 15 Stunden, von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr
Abends“161). Schon December 1848 besass Leonhard Horner eine Liste
von 65 Fabrikanten und 29 Fabrikaufsehern, die einstimmig erklärten,
kein System der Oberaufsicht könne unter diesem Relaissystem die exten-
sivste Ueberarbeit verhindern162). Bald wurden dieselben Kinder und

158)Reports etc. for 30th April 1849“, p. 21, 22. Vgl. ähnliche
Beispiele ibid. p. 4, 5.
159) Durch 1 und 2 Wm. IV. c. 24, s. 10, bekannt als Sir John Hobhouse’s
Factory Act, wird verboten, dass irgend ein Besitzer einer Baumwollspinnerei oder
Weberei, oder Vater, Sohn und Bruder eines solchen Besitzers in Fragen, die den
Factory Act betreffen, als Friedensrichter funktioniren.
160) l. c.
161)Reports etc. for 30th April 1849“, p. 5.
162)Rep. etc. for 31st Oct. 1849“, p. 6.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0285" n="266"/>
führte er sofort das System in seiner eignen Fabrik ein<note place="foot" n="158)">&#x201E;<hi rendition="#g">Reports</hi> etc. <hi rendition="#g">for</hi> 30<hi rendition="#g">th April</hi> 1849&#x201C;, p. 21, 22. Vgl. ähnliche<lb/>
Beispiele ibid. p. 4, 5.</note>. Allerdings<lb/>
war schon die Zusammensetzung dieser Gerichte offne Verletzung des Ge-<lb/>
setzes<note place="foot" n="159)">Durch 1 und 2 Wm. IV. c. 24, s. 10, bekannt als Sir John Hobhouse&#x2019;s<lb/>
Factory Act, wird verboten, dass irgend ein Besitzer einer Baumwollspinnerei oder<lb/>
Weberei, oder Vater, Sohn und Bruder eines solchen Besitzers in Fragen, die den<lb/>
Factory Act betreffen, als Friedensrichter funktioniren.</note>. &#x201E;Diese Art gerichtlicher Farcen&#x201C;, ruft Inspektor Howell aus,<lb/>
&#x201E;schreien nach einem Heilmittel . . . . entweder passt das Gesetz diesen<lb/>
Urtheilssprüchen an oder lasst es verwalten durch ein minder fehlbares<lb/>
Tribunal, das seine Entscheidungen dem Gesetz anpasst . . . . In allen<lb/>
solchen Fällen, wie sehnt man sich nach einem bezahlten Richter&#x201C;<note place="foot" n="160)">l. c.</note>!</p><lb/>
              <p>Die Kronjuristen erklärten die Fabrikanten-Interpretation des Akts<lb/>
von 1844 für abgeschmackt, aber die Gesellschaftsretter liessen sich nicht<lb/>
beirren. &#x201E;Nachdem ich&#x201C;, berichtet Leonhard Horner, &#x201E;durch 10 Verfol-<lb/>
gungen in 7 verschiednen Gerichtsbezirken versucht habe das Gesetz zu<lb/>
erzwingen und nur in einem Fall von den Magistraten unterstützt wurde,<lb/>
halte ich weitere Verfolgung wegen Umgehung des Gesetzes für nutzlos.<lb/>
Der Theil des Akts, der verfasst wurde, um Uniformität in den Arbeits-<lb/>
stunden zu schaffen, existirt nicht mehr in Lancashire. Auch besitze ich<lb/>
mit meinen Unteragenten durchaus kein Mittel uns zu versichern, dass Fabri-<lb/>
ken, wo das sog. Relaissystem herrscht, junge Personen und Frauenzimmer<lb/>
nicht über 10 Stunden beschäftigen . . . . Ende April 1849 arbeiten<lb/>
schon 118 Fabriken in meinem Distrikt nach dieser Methode und ihre<lb/>
Anzahl nimmt in der letzten Zeit reissend zu. Im Allgemeinen arbeiten<lb/>
sie jetzt 13½ Stunden, von 6 Uhr Morgens bis halb 8 Uhr Abends; in<lb/>
einigen Fällen 15 Stunden, von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr<lb/>
Abends&#x201C;<note place="foot" n="161)">&#x201E;<hi rendition="#g">Reports</hi> etc. <hi rendition="#g">for</hi> 30<hi rendition="#g">th April</hi> 1849&#x201C;, p. 5.</note>. Schon December 1848 besass Leonhard Horner eine Liste<lb/>
von 65 Fabrikanten und 29 Fabrikaufsehern, die einstimmig erklärten,<lb/>
kein System der Oberaufsicht könne unter diesem Relaissystem die exten-<lb/>
sivste Ueberarbeit verhindern<note place="foot" n="162)">&#x201E;<hi rendition="#g">Rep</hi>. etc. <hi rendition="#g">for</hi> 31<hi rendition="#g">st Oct</hi>. 1849&#x201C;, p. 6.</note>. Bald wurden dieselben Kinder und<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0285] führte er sofort das System in seiner eignen Fabrik ein 158). Allerdings war schon die Zusammensetzung dieser Gerichte offne Verletzung des Ge- setzes 159). „Diese Art gerichtlicher Farcen“, ruft Inspektor Howell aus, „schreien nach einem Heilmittel . . . . entweder passt das Gesetz diesen Urtheilssprüchen an oder lasst es verwalten durch ein minder fehlbares Tribunal, das seine Entscheidungen dem Gesetz anpasst . . . . In allen solchen Fällen, wie sehnt man sich nach einem bezahlten Richter“ 160)! Die Kronjuristen erklärten die Fabrikanten-Interpretation des Akts von 1844 für abgeschmackt, aber die Gesellschaftsretter liessen sich nicht beirren. „Nachdem ich“, berichtet Leonhard Horner, „durch 10 Verfol- gungen in 7 verschiednen Gerichtsbezirken versucht habe das Gesetz zu erzwingen und nur in einem Fall von den Magistraten unterstützt wurde, halte ich weitere Verfolgung wegen Umgehung des Gesetzes für nutzlos. Der Theil des Akts, der verfasst wurde, um Uniformität in den Arbeits- stunden zu schaffen, existirt nicht mehr in Lancashire. Auch besitze ich mit meinen Unteragenten durchaus kein Mittel uns zu versichern, dass Fabri- ken, wo das sog. Relaissystem herrscht, junge Personen und Frauenzimmer nicht über 10 Stunden beschäftigen . . . . Ende April 1849 arbeiten schon 118 Fabriken in meinem Distrikt nach dieser Methode und ihre Anzahl nimmt in der letzten Zeit reissend zu. Im Allgemeinen arbeiten sie jetzt 13½ Stunden, von 6 Uhr Morgens bis halb 8 Uhr Abends; in einigen Fällen 15 Stunden, von halb 6 Uhr Morgens bis halb 9 Uhr Abends“ 161). Schon December 1848 besass Leonhard Horner eine Liste von 65 Fabrikanten und 29 Fabrikaufsehern, die einstimmig erklärten, kein System der Oberaufsicht könne unter diesem Relaissystem die exten- sivste Ueberarbeit verhindern 162). Bald wurden dieselben Kinder und 158) „Reports etc. for 30th April 1849“, p. 21, 22. Vgl. ähnliche Beispiele ibid. p. 4, 5. 159) Durch 1 und 2 Wm. IV. c. 24, s. 10, bekannt als Sir John Hobhouse’s Factory Act, wird verboten, dass irgend ein Besitzer einer Baumwollspinnerei oder Weberei, oder Vater, Sohn und Bruder eines solchen Besitzers in Fragen, die den Factory Act betreffen, als Friedensrichter funktioniren. 160) l. c. 161) „Reports etc. for 30th April 1849“, p. 5. 162) „Rep. etc. for 31st Oct. 1849“, p. 6.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/285
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/285>, abgerufen am 25.11.2024.