arbeitet werden von 5 Uhr Morgens bis zum Dunkeln, mit denselben Unter- brechungen. Ein Statut der Elisabeth von 1562 für alle Arbei- ter, "gedungen für Lohn per Tag oder Woche", lässt die Länge des Ar- beitstags unberührt, sucht aber die Zwischenräume zu beschränken auf 21/2 Stunden für den Sommer und 2 für den Winter. Das Mittagsessen soll nur eine Stunde dauern und "der Nachmittagsschlaf von 1/2 Stunde" nur zwischen Mitte Mai und Mitte August erlaubt sein. Für jede Stunde Abwesenheit soll 1 d. (etwa 10 Pfennige) vom Lohn abgehen. In der Praxis jedoch war das Verhältniss den Arbeitern viel günstiger als im Statutenbuch. Der Vater der politischen Oekonomie und gewissermassen der Erfinder der Statistik, William Petty, sagt in einer Schrift, die er im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts veröffentlichte: "Arbeiter (labou- ring men, eigentlich damals Ackerbauarbeiter) arbeiten 10 Stunden täglich und nehmen wöchentlich 20 Mahlzeiten ein, nämlich an Arbeits- tagen täglich drei und an Sonntagen zwei; woraus man klärlich sieht, dass, wenn sie an Freitag Abenden fasten wollten und in anderthalb Stun- den zu Mittag speisen wollten, während sie jetzt zu dieser Mahlzeit zwei Stunden brauchen, von 11 bis 1 Uhr Morgens, wenn sie also mehr arbeiteten und weniger verzehrten, das Zehntel der oben erwähnten Steuer aufbringbar wäre119)". Hatte Dr. Andrew Ure nicht Recht, die Zwölfstundenbill von 1833 als Rückgang in die Zeiten der Fin- sterniss zu verschreien? Allerdings gelten die in den Statuten und von Petty erwähnten Bestimmungen auch für "apprentices" (Lehrlinge). Wie es aber noch Ende des 17. Jahrhunderts mit der Kinderarbeit stand, ersieht man aus folgender Klage: "Unsere Jugend, hier in Eng- land, treibt gar nichts bis zu der Zeit wo sie Lehrlinge werden, und dann brauchen sie natürlich lange Zeit -- sieben Jahre -- um sich zu vollkom- menen Handwerkern zu bilden". Deutschland wird dagegen gerühmt, weil dort die Kinder von der Wiege auf wenigstens zu "ein bischen Beschäf- tigung erzogen werden"120).
119) "W. Petty: Political Anatomy of Ireland. 1672. edit. 1691", p. 10.
120) "A Discussion on the Necessity of Encouraging Mecha- nick Industry. London 1689", p. 13. Macaulay, der die englische Geschichte im Whig- und Bourgeoisinteresse zurechtgefälscht hat, deklamirt wie
arbeitet werden von 5 Uhr Morgens bis zum Dunkeln, mit denselben Unter- brechungen. Ein Statut der Elisabeth von 1562 für alle Arbei- ter, „gedungen für Lohn per Tag oder Woche“, lässt die Länge des Ar- beitstags unberührt, sucht aber die Zwischenräume zu beschränken auf 2½ Stunden für den Sommer und 2 für den Winter. Das Mittagsessen soll nur eine Stunde dauern und „der Nachmittagsschlaf von ½ Stunde“ nur zwischen Mitte Mai und Mitte August erlaubt sein. Für jede Stunde Abwesenheit soll 1 d. (etwa 10 Pfennige) vom Lohn abgehen. In der Praxis jedoch war das Verhältniss den Arbeitern viel günstiger als im Statutenbuch. Der Vater der politischen Oekonomie und gewissermassen der Erfinder der Statistik, William Petty, sagt in einer Schrift, die er im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts veröffentlichte: „Arbeiter (labou- ring men, eigentlich damals Ackerbauarbeiter) arbeiten 10 Stunden täglich und nehmen wöchentlich 20 Mahlzeiten ein, nämlich an Arbeits- tagen täglich drei und an Sonntagen zwei; woraus man klärlich sieht, dass, wenn sie an Freitag Abenden fasten wollten und in anderthalb Stun- den zu Mittag speisen wollten, während sie jetzt zu dieser Mahlzeit zwei Stunden brauchen, von 11 bis 1 Uhr Morgens, wenn sie also mehr arbeiteten und weniger verzehrten, das Zehntel der oben erwähnten Steuer aufbringbar wäre119)“. Hatte Dr. Andrew Ure nicht Recht, die Zwölfstundenbill von 1833 als Rückgang in die Zeiten der Fin- sterniss zu verschreien? Allerdings gelten die in den Statuten und von Petty erwähnten Bestimmungen auch für „apprentices“ (Lehrlinge). Wie es aber noch Ende des 17. Jahrhunderts mit der Kinderarbeit stand, ersieht man aus folgender Klage: „Unsere Jugend, hier in Eng- land, treibt gar nichts bis zu der Zeit wo sie Lehrlinge werden, und dann brauchen sie natürlich lange Zeit — sieben Jahre — um sich zu vollkom- menen Handwerkern zu bilden“. Deutschland wird dagegen gerühmt, weil dort die Kinder von der Wiege auf wenigstens zu „ein bischen Beschäf- tigung erzogen werden“120).
119) „W. Petty: Political Anatomy of Ireland. 1672. edit. 1691“, p. 10.
120) „A Discussion on the Necessity of Encouraging Mecha- nick Industry. London 1689“, p. 13. Macaulay, der die englische Geschichte im Whig- und Bourgeoisinteresse zurechtgefälscht hat, deklamirt wie
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2½ Stunden für den Sommer und 2 für den Winter. Das Mittagsessen
soll nur eine Stunde dauern und „der Nachmittagsschlaf von ½ Stunde“
nur zwischen Mitte Mai und Mitte August erlaubt sein. Für jede Stunde
Abwesenheit soll 1 d. (etwa 10 Pfennige) vom Lohn abgehen. In der
Praxis jedoch war das Verhältniss den Arbeitern viel günstiger als im
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der Erfinder der Statistik, William Petty, sagt in einer Schrift, die er
im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts veröffentlichte: „Arbeiter (labou-
ring men, eigentlich damals Ackerbauarbeiter) arbeiten 10 Stunden
täglich und nehmen wöchentlich 20 Mahlzeiten ein, nämlich an Arbeits-
tagen täglich drei und an Sonntagen zwei; woraus man klärlich sieht, dass,
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sterniss zu verschreien? Allerdings gelten die in den Statuten und von
Petty erwähnten Bestimmungen auch für „apprentices“ (Lehrlinge).
Wie es aber noch Ende des 17. Jahrhunderts mit der Kinderarbeit
stand, ersieht man aus folgender Klage: „Unsere Jugend, hier in Eng-
land, treibt gar nichts bis zu der Zeit wo sie Lehrlinge werden, und dann
brauchen sie natürlich lange Zeit — sieben Jahre — um sich zu vollkom-
menen Handwerkern zu bilden“. Deutschland wird dagegen gerühmt, weil
dort die Kinder von der Wiege auf wenigstens zu „ein bischen Beschäf-
tigung erzogen werden“ 120).
119) „W. Petty: Political Anatomy of Ireland. 1672. edit.
1691“, p. 10.
120) „A Discussion on the Necessity of Encouraging Mecha-
nick Industry. London 1689“, p. 13. Macaulay, der die englische
Geschichte im Whig- und Bourgeoisinteresse zurechtgefälscht hat, deklamirt wie
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/265>, abgerufen am 25.11.2024.
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