geselligem Verkehr, zum freien Spiel der physischen und geistigen Leibes- kräfte, selbst die Feierzeit des Sonntags -- und wäre es im Lande der Sabbathheiligen104) -- reiner Firlefanz! Aber in seinem masslos blin- den Trieb, seinem Wehrwolfs-Heisshunger nach Mehrarbeit überrennt das Kapital nicht nur die moralischen, sondern auch die rein- physischen Maximalschranken des Arbeitstags. Es usur- pirt die Zeit für Wachsthum, Entwicklung und gesunde Erhaltung des Körpers. Es raubt die Zeit, erheischt zum Verzehr von freier Luft und Sonnenlicht. Es knickert ab an der Mahlzeit und einverleibt sie, wo mög- lich, dem Produktionsprozess selbst, so dass dem Arbeiter als blossem Pro- duktionsmittel Speisen zugesetzt werden, wie dem Dampfkessel Kohle und der Maschinerie Talg oder Oel. Den gesunden Schlaf zur Sammlung, Erneurung und Erfrischung der Lebenskraft reduzirt es auf so viel Stun- den dumpfen Torpor als die Wiederbelebung eines absolut erschöpften Organismus unentbehrlich macht. Statt dass die normale Erhaltung der Arbeitskraft hier die Schranke des Arbeitstags, bestimmt umgekehrt die grösste täglich mögliche Verausgabung der Arbeitskraft, wie krankhaft gewaltsam und peinlich auch immer, die Schranke für die Rastzeit des Arbeiters. Das Kapital fragt nicht nach der Lebensdauer der Ar- beitskraft. Was es interessirt, ist einzig und allein das Maximum von Arbeitskraft, das in einem Arbeitstag flüssig gemacht werden kann.
104) In England z. B. wird immer noch hier und da auf dem Lande ein Arbeiter zu Gefängnissstrafe verurtheilt wegen Entheiligung des Sabbaths durch Arbeit auf dem Gärtchen vor seinem Hause. Derselbe Arbeiter wird wegen Kontraktbruches be- straft, bleibt er des Sonntags, sei es selbst aus religiösen Mucken, vom Metall-, Papier- oder Glaswerk weg. Das orthodoxe Parlament hat kein Ohr für Sabbath- entheiligung, wenn sie im "Verwerthungsprozess" des Kapitals vorgeht. In einer Denkschrift (August 1863) der Londoner journeymen fishmongers and poulterers, worin die Abschaffung der Sonntagsarbeit verlangt wird, heisst es, dass ihre Arbeit während der ersten 6 Wochentage durchschnittlich 15 Stunden täglich dauert und am Sonntag 8--10 Stunden. Man entnimmt zu- gleich aus dieser Denkschrift, dass es namentlich die kitzliche Gourmandise der aristokratischen Mucker von Exeter Hall ist, die diese "Sonntagsarbeit" ermuthigt. Diese "Heiligen", so eifrig "in cute curanda", bewähren ihr Christen- thum durch die Ergebung, womit sie die Ueberarbeit, die Entbehrungen und den Hunger dritter Personen ertragen." Obsequium ventris istis (den Arbeitern) perniciosius est."
geselligem Verkehr, zum freien Spiel der physischen und geistigen Leibes- kräfte, selbst die Feierzeit des Sonntags — und wäre es im Lande der Sabbathheiligen104) — reiner Firlefanz! Aber in seinem masslos blin- den Trieb, seinem Wehrwolfs-Heisshunger nach Mehrarbeit überrennt das Kapital nicht nur die moralischen, sondern auch die rein- physischen Maximalschranken des Arbeitstags. Es usur- pirt die Zeit für Wachsthum, Entwicklung und gesunde Erhaltung des Körpers. Es raubt die Zeit, erheischt zum Verzehr von freier Luft und Sonnenlicht. Es knickert ab an der Mahlzeit und einverleibt sie, wo mög- lich, dem Produktionsprozess selbst, so dass dem Arbeiter als blossem Pro- duktionsmittel Speisen zugesetzt werden, wie dem Dampfkessel Kohle und der Maschinerie Talg oder Oel. Den gesunden Schlaf zur Sammlung, Erneurung und Erfrischung der Lebenskraft reduzirt es auf so viel Stun- den dumpfen Torpor als die Wiederbelebung eines absolut erschöpften Organismus unentbehrlich macht. Statt dass die normale Erhaltung der Arbeitskraft hier die Schranke des Arbeitstags, bestimmt umgekehrt die grösste täglich mögliche Verausgabung der Arbeitskraft, wie krankhaft gewaltsam und peinlich auch immer, die Schranke für die Rastzeit des Arbeiters. Das Kapital fragt nicht nach der Lebensdauer der Ar- beitskraft. Was es interessirt, ist einzig und allein das Maximum von Arbeitskraft, das in einem Arbeitstag flüssig gemacht werden kann.
104) In England z. B. wird immer noch hier und da auf dem Lande ein Arbeiter zu Gefängnissstrafe verurtheilt wegen Entheiligung des Sabbaths durch Arbeit auf dem Gärtchen vor seinem Hause. Derselbe Arbeiter wird wegen Kontraktbruches be- straft, bleibt er des Sonntags, sei es selbst aus religiösen Mucken, vom Metall-, Papier- oder Glaswerk weg. Das orthodoxe Parlament hat kein Ohr für Sabbath- entheiligung, wenn sie im „Verwerthungsprozess“ des Kapitals vorgeht. In einer Denkschrift (August 1863) der Londoner journeymen fishmongers and poulterers, worin die Abschaffung der Sonntagsarbeit verlangt wird, heisst es, dass ihre Arbeit während der ersten 6 Wochentage durchschnittlich 15 Stunden täglich dauert und am Sonntag 8—10 Stunden. Man entnimmt zu- gleich aus dieser Denkschrift, dass es namentlich die kitzliche Gourmandise der aristokratischen Mucker von Exeter Hall ist, die diese „Sonntagsarbeit“ ermuthigt. Diese „Heiligen“, so eifrig „in cute curanda“, bewähren ihr Christen- thum durch die Ergebung, womit sie die Ueberarbeit, die Entbehrungen und den Hunger dritter Personen ertragen.„ Obsequium ventris istis (den Arbeitern) perniciosius est.“
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geselligem Verkehr, zum freien Spiel der physischen und geistigen Leibes-
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Sabbathheiligen 104) — reiner Firlefanz! Aber in seinem masslos blin-
den Trieb, seinem Wehrwolfs-Heisshunger nach Mehrarbeit überrennt das
Kapital nicht nur die moralischen, sondern auch die rein-
physischen Maximalschranken des Arbeitstags. Es usur-
pirt die Zeit für Wachsthum, Entwicklung und gesunde Erhaltung des
Körpers. Es raubt die Zeit, erheischt zum Verzehr von freier Luft und
Sonnenlicht. Es knickert ab an der Mahlzeit und einverleibt sie, wo mög-
lich, dem Produktionsprozess selbst, so dass dem Arbeiter als blossem Pro-
duktionsmittel Speisen zugesetzt werden, wie dem Dampfkessel Kohle
und der Maschinerie Talg oder Oel. Den gesunden Schlaf zur Sammlung,
Erneurung und Erfrischung der Lebenskraft reduzirt es auf so viel Stun-
den dumpfen Torpor als die Wiederbelebung eines absolut erschöpften
Organismus unentbehrlich macht. Statt dass die normale Erhaltung
der Arbeitskraft hier die Schranke des Arbeitstags, bestimmt umgekehrt
die grösste täglich mögliche Verausgabung der Arbeitskraft, wie krankhaft
gewaltsam und peinlich auch immer, die Schranke für die Rastzeit des
Arbeiters. Das Kapital fragt nicht nach der Lebensdauer der Ar-
beitskraft. Was es interessirt, ist einzig und allein das Maximum
von Arbeitskraft, das in einem Arbeitstag flüssig gemacht werden kann.
104) In England z. B. wird immer noch hier und da auf dem Lande ein Arbeiter zu
Gefängnissstrafe verurtheilt wegen Entheiligung des Sabbaths durch Arbeit auf dem
Gärtchen vor seinem Hause. Derselbe Arbeiter wird wegen Kontraktbruches be-
straft, bleibt er des Sonntags, sei es selbst aus religiösen Mucken, vom Metall-,
Papier- oder Glaswerk weg. Das orthodoxe Parlament hat kein Ohr für Sabbath-
entheiligung, wenn sie im „Verwerthungsprozess“ des Kapitals vorgeht. In einer
Denkschrift (August 1863) der Londoner journeymen fishmongers and
poulterers, worin die Abschaffung der Sonntagsarbeit verlangt
wird, heisst es, dass ihre Arbeit während der ersten 6 Wochentage durchschnittlich
15 Stunden täglich dauert und am Sonntag 8—10 Stunden. Man entnimmt zu-
gleich aus dieser Denkschrift, dass es namentlich die kitzliche Gourmandise der
aristokratischen Mucker von Exeter Hall ist, die diese „Sonntagsarbeit“
ermuthigt. Diese „Heiligen“, so eifrig „in cute curanda“, bewähren ihr Christen-
thum durch die Ergebung, womit sie die Ueberarbeit, die Entbehrungen und
den Hunger dritter Personen ertragen.„ Obsequium ventris istis (den Arbeitern)
perniciosius est.“
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/256>, abgerufen am 22.07.2024.
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