einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel. In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen. Neben bearbeitetem Stein und Holz spielt im Anfang der Menschenge- schichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge- züchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel4). Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier- arten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeits- prozess und Franklin definirt daher den Menschen als "a tool- making animal", ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von Ar- beitsmitteln für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge- sellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen5). Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent- wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge- sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel, deren Gesammtheit man das Knochen- und Muskelsystem der Produktion nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit ganz allgemein als das Gefässsystem der Produktion bezeichnet werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle.
Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine Mittel ausser den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver- mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig- keit dienen, alle gegenständlichen Bedingungen, die überhaupt erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht
4) In den oben citirten "Reflexions" entwickelt Turgot gut die Wich- tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur.
5) Von allen Waaren sind eigentliche Luxuswaaren die unbedeutendsten für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.
einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel. In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen. Neben bearbeitetem Stein und Holz spielt im Anfang der Menschenge- schichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge- züchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel4). Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier- arten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeits- prozess und Franklin definirt daher den Menschen als „a tool- making animal“, ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von Ar- beitsmitteln für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge- sellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen5). Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent- wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge- sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel, deren Gesammtheit man das Knochen- und Muskelsystem der Produktion nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit ganz allgemein als das Gefässsystem der Produktion bezeichnet werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle.
Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine Mittel ausser den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver- mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig- keit dienen, alle gegenständlichen Bedingungen, die überhaupt erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht
4) In den oben citirten „Réflexions“ entwickelt Turgot gut die Wich- tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur.
5) Von allen Waaren sind eigentliche Luxuswaaren die unbedeutendsten für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.
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einigermassen entwickelt ist, bedarf er bereits bearbeiteter Arbeitsmittel.
In den ältesten Menschenhöhlen finden wir Steinwerkzeuge und Steinwaffen.
Neben bearbeitetem Stein und Holz spielt im Anfang der Menschenge-
schichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, ge-
züchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel 4). Der Gebrauch und
die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thier-
arten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeits-
prozess und Franklin definirt daher den Menschen als „a tool-
making animal“, ein Werkzeuge fabrizirendes Thier. Dieselbe
Wichtigkeit, die der Bau von Knochenreliquien für die Erkenntniss der
Organisation untergegangner Thiergeschlechter, haben Reliquien von Ar-
beitsmitteln für die Beurtheilung untergegangner ökonomischer Ge-
sellschaftsformationen. Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit
welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen
Epochen 5). Die Arbeitsmittel sind nicht nur der Gradmesser der Ent-
wicklung der menschlichen Arbeitskraft, sondern auch der Index der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse, unter denen gearbeitet wird. Unter den
Arbeitsmitteln selbst bieten die mechanischen Arbeitsmittel,
deren Gesammtheit man das Knochen- und Muskelsystem der
Produktion nennen kann, viel entscheidendere Charaktermerkmale
einer gesellschaftlichen Produktionsepoche, als solche Arbeitsmittel, die
nur zu Behältern des Arbeitsgegenstands dienen, und deren Gesammtheit
ganz allgemein als das Gefässsystem der Produktion bezeichnet
werden kann, wie z. B. Röhren, Fässer, Körbe, Krüge u. s. w. Erst in
der chemischen Fabrikation spielen sie eine bedeutungsvolle Rolle.
Im weiteren Sinn zählt der Arbeitsprozess unter seine Mittel ausser
den Dingen, welche die Wirkung der Arbeit auf ihren Gegenstand ver-
mitteln, und daher in einer oder der andern Weise als Leiter der Thätig-
keit dienen, alle gegenständlichen Bedingungen, die überhaupt
erheischt sind, damit der ganze Prozess vorgehe. Sie gehn nicht direkt
in den Arbeitsprozess ein, aber der Arbeitsprozess kann ohne sie gar nicht
4) In den oben citirten „Réflexions“ entwickelt Turgot gut die Wich-
tigkeit des gezähmten Thiers für die Anfänge der Kultur.
5) Von allen Waaren sind eigentliche Luxuswaaren die unbedeutendsten
für die technologische Vergleichung verschiedner Produktionsepochen.
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/163>, abgerufen am 27.11.2024.
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