Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Damit Jemand von seiner Arbeitskraft unterschiedne Waaren
verkaufe, muss er natürlich Produktionsmittel besitzen, z. B. Roh-
stoffe, Arbeitsinstrumente u. s. w. Er kann keine Stiefel machen ohne
Leder. Er bedarf ausserdem Lebensmittel. Niemand kann von
Produkten der Zukunft zehren, also auch nicht von Gebrauchswerthen,
mit deren Produktion er noch nicht fertig, und wie am ersten Tag seiner
Erscheinung auf der Weltbühne muss der Mensch noch jeden Tag konsu-
miren, bevor und während er produzirt. Werden die Produkte als Waa-
ren
produzirt, so müssen sie verkauft werden, nachdem sie produ-
zirt sind und können die Bedürfnisse des Produzenten erst nach dem Ver-
kauf befriedigen. Zur Produktionszeit kömmt die für den Verkauf nöthige
Zeit hinzu.

Zur Verwandlung von Geld in Kapital muss der Geldbesitzer also
den freien Arbeiter auf dem Waarenmarkt vorfinden, frei in
dem Doppelsinn, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine
Waare verfügt, dass er andrerseits andre Waaren nicht zu verkaufen hat,
los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft
nöthigen Sachen.

Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm in der Cirkulations-
sphäre gegenübertritt, interessirt den Geldbesitzer nicht, der den Arbeits-
markt als eine besondre Abtheilung des Waarenmarkts vorfindet. Und
einstweilen interessirt sie uns eben so wenig. Wir halten uns theoretisch
an die Thatsache, wie der Geldbesitzer praktisch. Eins jedoch ist klar.
Die Natur produzirt nicht auf der einen Seite Geld- oder Waarenbesitzer
und auf der andern blosse Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Diess Ver-
hältniss ist kein naturgeschichtliches und eben so wenig ein ge-
sellschaftliches
, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es
ist offenbar selbst das Resultat einer vorhergegangnen historischen Ent-
wicklung, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen, des Untergangs
einer ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Pro-
duktion.

Auch die ökonomischen Kategorieen, die wir früher betrachtet, tra-
gen ihre geschichtliche Spur. Im Dasein des Produkts als Waare sind
bestimmte historische Bedingungen eingehüllt. Um Waare zu werden,
darf das Produkt nicht als unmittelbares Subsistenzmittel
für den Produzenten selbst produzirt werden. Hätten wir weiter geforscht:

Damit Jemand von seiner Arbeitskraft unterschiedne Waaren
verkaufe, muss er natürlich Produktionsmittel besitzen, z. B. Roh-
stoffe, Arbeitsinstrumente u. s. w. Er kann keine Stiefel machen ohne
Leder. Er bedarf ausserdem Lebensmittel. Niemand kann von
Produkten der Zukunft zehren, also auch nicht von Gebrauchswerthen,
mit deren Produktion er noch nicht fertig, und wie am ersten Tag seiner
Erscheinung auf der Weltbühne muss der Mensch noch jeden Tag konsu-
miren, bevor und während er produzirt. Werden die Produkte als Waa-
ren
produzirt, so müssen sie verkauft werden, nachdem sie produ-
zirt sind und können die Bedürfnisse des Produzenten erst nach dem Ver-
kauf befriedigen. Zur Produktionszeit kömmt die für den Verkauf nöthige
Zeit hinzu.

Zur Verwandlung von Geld in Kapital muss der Geldbesitzer also
den freien Arbeiter auf dem Waarenmarkt vorfinden, frei in
dem Doppelsinn, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine
Waare verfügt, dass er andrerseits andre Waaren nicht zu verkaufen hat,
los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft
nöthigen Sachen.

Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm in der Cirkulations-
sphäre gegenübertritt, interessirt den Geldbesitzer nicht, der den Arbeits-
markt als eine besondre Abtheilung des Waarenmarkts vorfindet. Und
einstweilen interessirt sie uns eben so wenig. Wir halten uns theoretisch
an die Thatsache, wie der Geldbesitzer praktisch. Eins jedoch ist klar.
Die Natur produzirt nicht auf der einen Seite Geld- oder Waarenbesitzer
und auf der andern blosse Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Diess Ver-
hältniss ist kein naturgeschichtliches und eben so wenig ein ge-
sellschaftliches
, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es
ist offenbar selbst das Resultat einer vorhergegangnen historischen Ent-
wicklung, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen, des Untergangs
einer ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Pro-
duktion.

Auch die ökonomischen Kategorieen, die wir früher betrachtet, tra-
gen ihre geschichtliche Spur. Im Dasein des Produkts als Waare sind
bestimmte historische Bedingungen eingehüllt. Um Waare zu werden,
darf das Produkt nicht als unmittelbares Subsistenzmittel
für den Produzenten selbst produzirt werden. Hätten wir weiter geforscht:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0151" n="132"/>
            <p>Damit Jemand von seiner Arbeitskraft <hi rendition="#g">unterschiedne Waaren</hi><lb/>
verkaufe, muss er natürlich <hi rendition="#g">Produktionsmittel</hi> besitzen, z. B. Roh-<lb/>
stoffe, Arbeitsinstrumente u. s. w. Er kann keine Stiefel machen ohne<lb/>
Leder. Er bedarf ausserdem <hi rendition="#g">Lebensmittel</hi>. Niemand kann von<lb/>
Produkten der Zukunft zehren, also auch nicht von Gebrauchswerthen,<lb/>
mit deren Produktion er noch nicht fertig, und wie am ersten Tag seiner<lb/>
Erscheinung auf der Weltbühne muss der Mensch noch jeden Tag konsu-<lb/>
miren, bevor und während er produzirt. Werden die Produkte als <hi rendition="#g">Waa-<lb/>
ren</hi> produzirt, so müssen sie <hi rendition="#g">verkauft</hi> werden, <hi rendition="#g">nachdem</hi> sie produ-<lb/>
zirt sind und können die Bedürfnisse des Produzenten erst nach dem Ver-<lb/>
kauf befriedigen. Zur Produktionszeit kömmt die für den Verkauf nöthige<lb/>
Zeit hinzu.</p><lb/>
            <p>Zur Verwandlung von <hi rendition="#g">Geld</hi> in <hi rendition="#g">Kapital</hi> muss der Geldbesitzer also<lb/><hi rendition="#g">den freien Arbeiter</hi> auf dem <hi rendition="#g">Waarenmarkt</hi> vorfinden, <hi rendition="#g">frei</hi> in<lb/>
dem Doppelsinn, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft als <hi rendition="#g">seine</hi><lb/>
Waare verfügt, dass er andrerseits andre Waaren nicht zu verkaufen hat,<lb/>
los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft<lb/>
nöthigen <hi rendition="#g">Sachen</hi>.</p><lb/>
            <p>Die Frage, <hi rendition="#g">warum</hi> dieser freie Arbeiter ihm in der Cirkulations-<lb/>
sphäre gegenübertritt, interessirt den Geldbesitzer nicht, der den Arbeits-<lb/>
markt als eine besondre Abtheilung des Waarenmarkts vorfindet. Und<lb/>
einstweilen interessirt sie uns eben so wenig. Wir halten uns theoretisch<lb/>
an die Thatsache, wie der Geldbesitzer praktisch. Eins jedoch ist klar.<lb/>
Die Natur produzirt nicht auf der einen Seite Geld- oder Waarenbesitzer<lb/>
und auf der andern blosse Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Diess Ver-<lb/>
hältniss ist kein <hi rendition="#g">naturgeschichtliches</hi> und eben so wenig ein <hi rendition="#g">ge-<lb/>
sellschaftliches</hi>, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es<lb/>
ist offenbar selbst das Resultat einer vorhergegangnen historischen Ent-<lb/>
wicklung, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen, des Untergangs<lb/>
einer ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Pro-<lb/>
duktion.</p><lb/>
            <p>Auch die ökonomischen Kategorieen, die wir früher betrachtet, tra-<lb/>
gen ihre geschichtliche Spur. Im Dasein des Produkts <hi rendition="#g">als Waare</hi> sind<lb/>
bestimmte historische Bedingungen eingehüllt. Um Waare zu werden,<lb/>
darf das Produkt <hi rendition="#g">nicht als unmittelbares Subsistenzmittel</hi><lb/>
für den Produzenten selbst produzirt werden. Hätten wir weiter geforscht:<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0151] Damit Jemand von seiner Arbeitskraft unterschiedne Waaren verkaufe, muss er natürlich Produktionsmittel besitzen, z. B. Roh- stoffe, Arbeitsinstrumente u. s. w. Er kann keine Stiefel machen ohne Leder. Er bedarf ausserdem Lebensmittel. Niemand kann von Produkten der Zukunft zehren, also auch nicht von Gebrauchswerthen, mit deren Produktion er noch nicht fertig, und wie am ersten Tag seiner Erscheinung auf der Weltbühne muss der Mensch noch jeden Tag konsu- miren, bevor und während er produzirt. Werden die Produkte als Waa- ren produzirt, so müssen sie verkauft werden, nachdem sie produ- zirt sind und können die Bedürfnisse des Produzenten erst nach dem Ver- kauf befriedigen. Zur Produktionszeit kömmt die für den Verkauf nöthige Zeit hinzu. Zur Verwandlung von Geld in Kapital muss der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Waarenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Waare verfügt, dass er andrerseits andre Waaren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nöthigen Sachen. Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm in der Cirkulations- sphäre gegenübertritt, interessirt den Geldbesitzer nicht, der den Arbeits- markt als eine besondre Abtheilung des Waarenmarkts vorfindet. Und einstweilen interessirt sie uns eben so wenig. Wir halten uns theoretisch an die Thatsache, wie der Geldbesitzer praktisch. Eins jedoch ist klar. Die Natur produzirt nicht auf der einen Seite Geld- oder Waarenbesitzer und auf der andern blosse Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Diess Ver- hältniss ist kein naturgeschichtliches und eben so wenig ein ge- sellschaftliches, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es ist offenbar selbst das Resultat einer vorhergegangnen historischen Ent- wicklung, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen, des Untergangs einer ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Pro- duktion. Auch die ökonomischen Kategorieen, die wir früher betrachtet, tra- gen ihre geschichtliche Spur. Im Dasein des Produkts als Waare sind bestimmte historische Bedingungen eingehüllt. Um Waare zu werden, darf das Produkt nicht als unmittelbares Subsistenzmittel für den Produzenten selbst produzirt werden. Hätten wir weiter geforscht:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/151
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/151>, abgerufen am 23.11.2024.