Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.Stimmen. Sie zerriß so noch einmal ihr Mandat, sie bestätigte noch ein¬ Wenn die Exekutivgewalt durch ihren Antrag auf Wiederherstellung Am 18. November wurde zu dem von der Ordnungspartei eingebrach¬ Die außerparlamentarische Masse der Bourgeoisie endlich sollte ihren Stimmen. Sie zerriß ſo noch einmal ihr Mandat, ſie beſtätigte noch ein¬ Wenn die Exekutivgewalt durch ihren Antrag auf Wiederherſtellung Am 18. November wurde zu dem von der Ordnungspartei eingebrach¬ Die außerparlamentariſche Maſſe der Bourgeoiſie endlich ſollte ihren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb n="80" facs="#f0092"/> Stimmen. Sie zerriß ſo noch einmal ihr Mandat, ſie beſtätigte noch ein¬<lb/> mal, daß ſie ſich aus der freigewählten Repräſentation des Volkes in das<lb/> uſurpatoriſche Parlament einer Klaſſe verwandelt, ſie bekannte noch einmal,<lb/> daß ſie ſelbſt die Muskeln entzweigeſchnitten hatte, die den parlamentariſchen<lb/> Kopf mit dem Körper der Nation verbanden.</p><lb/> <p>Wenn die Exekutivgewalt durch ihren Antrag auf Wiederherſtellung<lb/> des allgemeinen Wahlrechts von der Nationalverſammlung an das Volk,<lb/> appellirte die geſetzgebende Gewalt durch ihre Quäſtorenbill von dem Volke<lb/> an die Armee. Dieſe Quäſtorenbill ſollte ihr Recht auf unmittelbare Requi¬<lb/> ſition der Truppen, auf Bildung einer parlamentariſchen Armee feſtſetzen.<lb/> Wenn ſie ſo die Armee zum Schiedsrichter zwiſchen ſich und dem Volke,<lb/> zwiſchen ſich und Bonaparte ernannte, wenn ſie die Armee als entſcheidende<lb/> Staatsgewalt anerkannte, mußte ſie andrerſeits beſtätigen, daß ſie längſt den<lb/> Anſpruch auf Herrſchaft über dieſelbe aufgegeben habe. Indem ſie, ſtatt<lb/> ſofort Truppen zu requiriren, das Recht der Requiſition debattirte, verrieth<lb/> ſie den Zweifel an ihrer eignen Macht. Indem ſie die Quäſtorenbill ver¬<lb/> warf, geſtand ſie offen ihre Ohnmacht. Dieſe Bill fiel durch mit einer<lb/> Minorität von <hi rendition="#aq">108</hi> Stimmen, die Montagne hatte ſo den Ausſchlag ge¬<lb/> geben. Sie befand ſich in der Lage von Buridan's Eſel, zwar nicht zwiſchen<lb/> zwei Säcken Heu, um zu entſcheiden, welcher der anziehendere, wohl aber<lb/> zwiſchen zwei Trachten Prügel, um zu entſcheiden, welche die härtere ſei.<lb/> Auf der einen Seite die Furcht vor Changarnier, auf der andern die<lb/> Furcht vor Bonaparte. Man muß geſtehn, daß die Lage keine heroiſche war.</p><lb/> <p>Am 18. November wurde zu dem von der Ordnungspartei eingebrach¬<lb/> ten Geſetze über die Kommunalwahlen das Amendement geſtellt, daß ſtatt<lb/> drei Jahren ein Jahr Domizil für die Kommunalwähler genügen ſolle.<lb/> Das Amendement fiel mit einer einzigen Stimme durch, aber dieſe eine<lb/> Stimme ſtellte ſich ſofort als ein Irrthum heraus. Die Ordnungspartei<lb/> hatte durch Zerſplitterung in ihre feindlichen Fraktionen längſt ihre<lb/> ſelbſtſtändig-parlamentariſche Majorität eingebüßt. Sie zeigte jetzt, daß<lb/> überhaupt keine Majorität im Parlament mehr vorhanden war. Die<lb/> Nationalverſammlung war <hi rendition="#g">beſchlußunfähig</hi> geworden. Ihre ato¬<lb/> miſtiſchen Beſtandtheile hingen durch keine Kohäſionskraft mehr zuſammen,<lb/> ſie hatte ihren letzten Lebensathem verbraucht, ſie war todt.</p><lb/> <p>Die außerparlamentariſche Maſſe der Bourgeoiſie endlich ſollte ihren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0092]
Stimmen. Sie zerriß ſo noch einmal ihr Mandat, ſie beſtätigte noch ein¬
mal, daß ſie ſich aus der freigewählten Repräſentation des Volkes in das
uſurpatoriſche Parlament einer Klaſſe verwandelt, ſie bekannte noch einmal,
daß ſie ſelbſt die Muskeln entzweigeſchnitten hatte, die den parlamentariſchen
Kopf mit dem Körper der Nation verbanden.
Wenn die Exekutivgewalt durch ihren Antrag auf Wiederherſtellung
des allgemeinen Wahlrechts von der Nationalverſammlung an das Volk,
appellirte die geſetzgebende Gewalt durch ihre Quäſtorenbill von dem Volke
an die Armee. Dieſe Quäſtorenbill ſollte ihr Recht auf unmittelbare Requi¬
ſition der Truppen, auf Bildung einer parlamentariſchen Armee feſtſetzen.
Wenn ſie ſo die Armee zum Schiedsrichter zwiſchen ſich und dem Volke,
zwiſchen ſich und Bonaparte ernannte, wenn ſie die Armee als entſcheidende
Staatsgewalt anerkannte, mußte ſie andrerſeits beſtätigen, daß ſie längſt den
Anſpruch auf Herrſchaft über dieſelbe aufgegeben habe. Indem ſie, ſtatt
ſofort Truppen zu requiriren, das Recht der Requiſition debattirte, verrieth
ſie den Zweifel an ihrer eignen Macht. Indem ſie die Quäſtorenbill ver¬
warf, geſtand ſie offen ihre Ohnmacht. Dieſe Bill fiel durch mit einer
Minorität von 108 Stimmen, die Montagne hatte ſo den Ausſchlag ge¬
geben. Sie befand ſich in der Lage von Buridan's Eſel, zwar nicht zwiſchen
zwei Säcken Heu, um zu entſcheiden, welcher der anziehendere, wohl aber
zwiſchen zwei Trachten Prügel, um zu entſcheiden, welche die härtere ſei.
Auf der einen Seite die Furcht vor Changarnier, auf der andern die
Furcht vor Bonaparte. Man muß geſtehn, daß die Lage keine heroiſche war.
Am 18. November wurde zu dem von der Ordnungspartei eingebrach¬
ten Geſetze über die Kommunalwahlen das Amendement geſtellt, daß ſtatt
drei Jahren ein Jahr Domizil für die Kommunalwähler genügen ſolle.
Das Amendement fiel mit einer einzigen Stimme durch, aber dieſe eine
Stimme ſtellte ſich ſofort als ein Irrthum heraus. Die Ordnungspartei
hatte durch Zerſplitterung in ihre feindlichen Fraktionen längſt ihre
ſelbſtſtändig-parlamentariſche Majorität eingebüßt. Sie zeigte jetzt, daß
überhaupt keine Majorität im Parlament mehr vorhanden war. Die
Nationalverſammlung war beſchlußunfähig geworden. Ihre ato¬
miſtiſchen Beſtandtheile hingen durch keine Kohäſionskraft mehr zuſammen,
ſie hatte ihren letzten Lebensathem verbraucht, ſie war todt.
Die außerparlamentariſche Maſſe der Bourgeoiſie endlich ſollte ihren
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Zitationshilfe: | Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/92>, abgerufen am 03.03.2025. |