Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.nächsten Umgebung des Präsidenten vorgingen. Endlich verweigerte das Das Ministerium Barrot-Falloux war das erste und letzte parlamen¬ nächſten Umgebung des Präſidenten vorgingen. Endlich verweigerte das Das Miniſterium Barrot-Falloux war das erſte und letzte parlamen¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0050" n="38"/> nächſten Umgebung des Präſidenten vorgingen. Endlich verweigerte das<lb/> Miniſterium, während es der Herzogin von Orleans einen Witwengehalt<lb/> von der Nationalverſammlung erwirkte, jeden Antrag auf Erhöhung der<lb/> präſidentiellen Civilliſte. Und in Bonaparte verſchmolz der kaiſerliche Prä¬<lb/> tendent ſo innig mit dem heruntergekommenen Glücksritter, daß die Eine<lb/> große Idee, er ſei berufen, das Kaiſerthum zu reſtauriren, ſtets von der<lb/> andern ergänzt ward, das franzöſiſche Volk ſei berufen, ſeine Schulden zu zahlen.</p><lb/> <p>Das Miniſterium Barrot-Falloux war das erſte und letzte <hi rendition="#g">parlamen¬<lb/> tariſche Miniſterium</hi>, das Bonaparte in's Leben rief. Die Entlaſſung<lb/> deſſelben bildet daher einen entſcheidenden Wendepunkt. Mit ihm verlor die<lb/> Ordnungspartei, um ihn nie wieder zu erobern, einen unentbehrlichen Poſten<lb/> für die Behauptung des parlamentariſchen Regimes, die Handhabe der Exe¬<lb/> kutivgewalt. Man begreift ſogleich, daß in einem Lande wie Frankreich, wo<lb/> die Exekutivgewalt über ein Beamtenheer von mehr als einer halben Million<lb/> von Individuen verfügt, alſo eine ungeheure Maſſe von Intereſſen und Exi¬<lb/> ſtenzen beſtändig in der unbedingteſten Abhängigkeit erhält, wo der Staat die<lb/> bürgerliche Geſellſchaft von ihren umfaſſendſten Lebensäußerungen bis zu<lb/> ihren unbedeutendſten Regungen hinab, von ihren allgemeinſten Daſeins¬<lb/> weiſen bis zur Privatexiſtenz der Individuen umſtrickt, kontrollirt, maßregelt,<lb/> überwacht und bevormundet, wo dieſer Paraſitenkörper durch die außerordent¬<lb/> lichſte Centraliſation eine Allgegenwart, Allwiſſenheit, eine beſchleunigte Be¬<lb/> wegungsfähigkeit und Schnellkraft gewinnt, die nur in der hülfloſen Unſelbſt¬<lb/> ſtändigkeit, in der zerfahrenen Unförmlichkeit des wirklichen Geſellſchaftskör¬<lb/> pers ein Analogon finden, daß in einem ſolchen Lande die Nationalverſamm¬<lb/> lung mit der Verfügung über die Miniſterſtellen jeden wirklichen Einfluß ver¬<lb/> loren gab, wenn ſie nicht gleichzeitig die Staatsverwaltung vereinfachte, das<lb/> Beamtenheer möglichſt verringerte, endlich die bürgerliche Geſellſchaft und die<lb/> öffentliche Meinung ihre eignen von der Regierungsgewalt unabhängigen<lb/> Organe erſchaffen ließ. Aber das <hi rendition="#g">materielle Intereſſe</hi> der franzö¬<lb/> ſiſchen Bourgeoiſie iſt gerade auf das Innigſte mit der Erhaltung jener breiten<lb/> und vielverzweigten Staatsmaſchine verwebt. Hier bringt ſie ihre überſchüſſige<lb/> Bevölkerung unter und ergänzt in der Form von Staatsgehalten, was ſie<lb/> nicht in der Form von Profiten, Zinſen, Renten und Honoraren einſtecken<lb/> kann. Andrerſeits zwang ihr <hi rendition="#g">politiſches Intereſſe</hi> ſie, die Repreſſion,<lb/> alſo die Mittel und das Perſonal der Staatsgewalt täglich zu vermehren,<lb/> während ſie gleichzeitig einen ununterbrochenen Krieg gegen die öffentliche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0050]
nächſten Umgebung des Präſidenten vorgingen. Endlich verweigerte das
Miniſterium, während es der Herzogin von Orleans einen Witwengehalt
von der Nationalverſammlung erwirkte, jeden Antrag auf Erhöhung der
präſidentiellen Civilliſte. Und in Bonaparte verſchmolz der kaiſerliche Prä¬
tendent ſo innig mit dem heruntergekommenen Glücksritter, daß die Eine
große Idee, er ſei berufen, das Kaiſerthum zu reſtauriren, ſtets von der
andern ergänzt ward, das franzöſiſche Volk ſei berufen, ſeine Schulden zu zahlen.
Das Miniſterium Barrot-Falloux war das erſte und letzte parlamen¬
tariſche Miniſterium, das Bonaparte in's Leben rief. Die Entlaſſung
deſſelben bildet daher einen entſcheidenden Wendepunkt. Mit ihm verlor die
Ordnungspartei, um ihn nie wieder zu erobern, einen unentbehrlichen Poſten
für die Behauptung des parlamentariſchen Regimes, die Handhabe der Exe¬
kutivgewalt. Man begreift ſogleich, daß in einem Lande wie Frankreich, wo
die Exekutivgewalt über ein Beamtenheer von mehr als einer halben Million
von Individuen verfügt, alſo eine ungeheure Maſſe von Intereſſen und Exi¬
ſtenzen beſtändig in der unbedingteſten Abhängigkeit erhält, wo der Staat die
bürgerliche Geſellſchaft von ihren umfaſſendſten Lebensäußerungen bis zu
ihren unbedeutendſten Regungen hinab, von ihren allgemeinſten Daſeins¬
weiſen bis zur Privatexiſtenz der Individuen umſtrickt, kontrollirt, maßregelt,
überwacht und bevormundet, wo dieſer Paraſitenkörper durch die außerordent¬
lichſte Centraliſation eine Allgegenwart, Allwiſſenheit, eine beſchleunigte Be¬
wegungsfähigkeit und Schnellkraft gewinnt, die nur in der hülfloſen Unſelbſt¬
ſtändigkeit, in der zerfahrenen Unförmlichkeit des wirklichen Geſellſchaftskör¬
pers ein Analogon finden, daß in einem ſolchen Lande die Nationalverſamm¬
lung mit der Verfügung über die Miniſterſtellen jeden wirklichen Einfluß ver¬
loren gab, wenn ſie nicht gleichzeitig die Staatsverwaltung vereinfachte, das
Beamtenheer möglichſt verringerte, endlich die bürgerliche Geſellſchaft und die
öffentliche Meinung ihre eignen von der Regierungsgewalt unabhängigen
Organe erſchaffen ließ. Aber das materielle Intereſſe der franzö¬
ſiſchen Bourgeoiſie iſt gerade auf das Innigſte mit der Erhaltung jener breiten
und vielverzweigten Staatsmaſchine verwebt. Hier bringt ſie ihre überſchüſſige
Bevölkerung unter und ergänzt in der Form von Staatsgehalten, was ſie
nicht in der Form von Profiten, Zinſen, Renten und Honoraren einſtecken
kann. Andrerſeits zwang ihr politiſches Intereſſe ſie, die Repreſſion,
alſo die Mittel und das Perſonal der Staatsgewalt täglich zu vermehren,
während ſie gleichzeitig einen ununterbrochenen Krieg gegen die öffentliche
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