tarische Unverletzlichkeit auf. Das demüthigende Reglement, dem sie die Montagne unterwarf, erhöht in demselben Maße den Präsidenten der Repu¬ blik, als es den einzelnen Repräsentanten des Volks herabdrückt. Indem sie die Insurrektion zum Schutz der konstitutionellen Verfassung als anarchische, auf den Umsturz der Gesellschaft abzweckende That brandmarkt, verbot sie sich selbst den Appell an die Insurrektion, sobald die Exekutivgewalt ihr gegenüber die Verfassung verletzen würde. Und die Ironie der Geschichte will, daß der General, der im Auftrage Bonaparte's Rom bombardirt und so den unmittel¬ baren Anlaß zu der konstitutionellen Emeute vom 13. Juni gegeben hat, daß Oudinot am 2. Dezember 1851 dem Volke von der Ordnungspartei flehentlich und vergeblich als General der Konstitution gegen Bonaparte an¬ geboten werden muß. Ein anderer Held des 13. Juni, Bieyra, der von der Tribüne der Nationalversammlung Lob einerntet für die Brutalitäten, die er in demokratischen Zeitungslokalen an der Spitze einer der hohen Finanz angehörigen Rotte von Nationalgarden verübt hatte, dieser selbe Bieyra war in die Verschwörung Bonaparte's eingeweiht und trug wesentlich dazu bei, in ihrer Todesstunde der Nationalversammlung jeden Schutz von Seiten der Nationalgarde abzuschneiden.
Der 13. Juni hatte noch einen andern Sinn. Die Montagne hatte Bonaparte's Versetzung in Anklagezustand ertrotzen wollen. Ihre Niederlage war also ein direkter Sieg Bonaparte's, sein persönlicher Triumph über seine demokratischen Feinde. Die Partei der Ordnung erfocht den Sieg, Bona¬ parte hatte ihn nur einzukassiren. Er that es. Am 14. Juni war eine Proklamation an den Mauern von Paris zu lesen, worin der Präsident, gleich¬ sam ohne sein Zuthun, widerstrebend, durch die bloße Macht der Ereignisse gezwungen, aus seiner klösterlichen Abgeschiedenheit hervortritt, als verkannte Tugend über die Verläumdungen seiner Widersacher klagt und während er seine Person mit der Sache der Ordnung zu identifiziren scheint, vielmehr die Sache der Ordnung mit seiner Person identifizirt. Zudem hatte die Nationalver¬ sammlung die Expedition gegen Rom zwar nachträglich gebilligt, aber Bona¬ parte hatte die Initiative dazu ergriffen. Nachdem er den Hohepriester Samuel in den Vatikan wieder eingeführt, konnte er hoffen, als König David die Tui¬ lerien zu beziehen. Er hatte die Pfaffen gewonnen.
Die Emeute vom 13. Juni beschränkte sich, wie wir gesehn, auf eine friedliche Straßenprozession. Es waren also keine kriegerischen Lorbeeren gegen sie zu gewinnen. Nichts desto weniger, in dieser helden- und ereigni߬
tariſche Unverletzlichkeit auf. Das demüthigende Reglement, dem ſie die Montagne unterwarf, erhöht in demſelben Maße den Präſidenten der Repu¬ blik, als es den einzelnen Repräſentanten des Volks herabdrückt. Indem ſie die Inſurrektion zum Schutz der konſtitutionellen Verfaſſung als anarchiſche, auf den Umſturz der Geſellſchaft abzweckende That brandmarkt, verbot ſie ſich ſelbſt den Appell an die Inſurrektion, ſobald die Exekutivgewalt ihr gegenüber die Verfaſſung verletzen würde. Und die Ironie der Geſchichte will, daß der General, der im Auftrage Bonaparte's Rom bombardirt und ſo den unmittel¬ baren Anlaß zu der konſtitutionellen Emeute vom 13. Juni gegeben hat, daß Oudinot am 2. Dezember 1851 dem Volke von der Ordnungspartei flehentlich und vergeblich als General der Konſtitution gegen Bonaparte an¬ geboten werden muß. Ein anderer Held des 13. Juni, Bieyra, der von der Tribüne der Nationalverſammlung Lob einerntet für die Brutalitäten, die er in demokratiſchen Zeitungslokalen an der Spitze einer der hohen Finanz angehörigen Rotte von Nationalgarden verübt hatte, dieſer ſelbe Bieyra war in die Verſchwörung Bonaparte's eingeweiht und trug weſentlich dazu bei, in ihrer Todesſtunde der Nationalverſammlung jeden Schutz von Seiten der Nationalgarde abzuſchneiden.
Der 13. Juni hatte noch einen andern Sinn. Die Montagne hatte Bonaparte's Verſetzung in Anklagezuſtand ertrotzen wollen. Ihre Niederlage war alſo ein direkter Sieg Bonaparte's, ſein perſönlicher Triumph über ſeine demokratiſchen Feinde. Die Partei der Ordnung erfocht den Sieg, Bona¬ parte hatte ihn nur einzukaſſiren. Er that es. Am 14. Juni war eine Proklamation an den Mauern von Paris zu leſen, worin der Präſident, gleich¬ ſam ohne ſein Zuthun, widerſtrebend, durch die bloße Macht der Ereigniſſe gezwungen, aus ſeiner klöſterlichen Abgeſchiedenheit hervortritt, als verkannte Tugend über die Verläumdungen ſeiner Widerſacher klagt und während er ſeine Perſon mit der Sache der Ordnung zu identifiziren ſcheint, vielmehr die Sache der Ordnung mit ſeiner Perſon identifizirt. Zudem hatte die Nationalver¬ ſammlung die Expedition gegen Rom zwar nachträglich gebilligt, aber Bona¬ parte hatte die Initiative dazu ergriffen. Nachdem er den Hoheprieſter Samuel in den Vatikan wieder eingeführt, konnte er hoffen, als König David die Tui¬ lerien zu beziehen. Er hatte die Pfaffen gewonnen.
Die Emeute vom 13. Juni beſchränkte ſich, wie wir geſehn, auf eine friedliche Straßenprozeſſion. Es waren alſo keine kriegeriſchen Lorbeeren gegen ſie zu gewinnen. Nichts deſto weniger, in dieſer helden- und ereigni߬
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tariſche Unverletzlichkeit auf. Das demüthigende Reglement, dem ſie die
Montagne unterwarf, erhöht in demſelben Maße den Präſidenten der Repu¬
blik, als es den einzelnen Repräſentanten des Volks herabdrückt. Indem ſie
die Inſurrektion zum Schutz der konſtitutionellen Verfaſſung als anarchiſche,
auf den Umſturz der Geſellſchaft abzweckende That brandmarkt, verbot ſie ſich
ſelbſt den Appell an die Inſurrektion, ſobald die Exekutivgewalt ihr gegenüber
die Verfaſſung verletzen würde. Und die Ironie der Geſchichte will, daß der
General, der im Auftrage Bonaparte's Rom bombardirt und ſo den unmittel¬
baren Anlaß zu der konſtitutionellen Emeute vom 13. Juni gegeben hat,
daß Oudinot am 2. Dezember 1851 dem Volke von der Ordnungspartei
flehentlich und vergeblich als General der Konſtitution gegen Bonaparte an¬
geboten werden muß. Ein anderer Held des 13. Juni, Bieyra, der von
der Tribüne der Nationalverſammlung Lob einerntet für die Brutalitäten,
die er in demokratiſchen Zeitungslokalen an der Spitze einer der hohen Finanz
angehörigen Rotte von Nationalgarden verübt hatte, dieſer ſelbe Bieyra war
in die Verſchwörung Bonaparte's eingeweiht und trug weſentlich dazu bei, in
ihrer Todesſtunde der Nationalverſammlung jeden Schutz von Seiten der
Nationalgarde abzuſchneiden.
Der 13. Juni hatte noch einen andern Sinn. Die Montagne hatte
Bonaparte's Verſetzung in Anklagezuſtand ertrotzen wollen. Ihre Niederlage
war alſo ein direkter Sieg Bonaparte's, ſein perſönlicher Triumph über ſeine
demokratiſchen Feinde. Die Partei der Ordnung erfocht den Sieg, Bona¬
parte hatte ihn nur einzukaſſiren. Er that es. Am 14. Juni war eine
Proklamation an den Mauern von Paris zu leſen, worin der Präſident, gleich¬
ſam ohne ſein Zuthun, widerſtrebend, durch die bloße Macht der Ereigniſſe
gezwungen, aus ſeiner klöſterlichen Abgeſchiedenheit hervortritt, als verkannte
Tugend über die Verläumdungen ſeiner Widerſacher klagt und während er ſeine
Perſon mit der Sache der Ordnung zu identifiziren ſcheint, vielmehr die Sache
der Ordnung mit ſeiner Perſon identifizirt. Zudem hatte die Nationalver¬
ſammlung die Expedition gegen Rom zwar nachträglich gebilligt, aber Bona¬
parte hatte die Initiative dazu ergriffen. Nachdem er den Hoheprieſter Samuel
in den Vatikan wieder eingeführt, konnte er hoffen, als König David die Tui¬
lerien zu beziehen. Er hatte die Pfaffen gewonnen.
Die Emeute vom 13. Juni beſchränkte ſich, wie wir geſehn, auf eine
friedliche Straßenprozeſſion. Es waren alſo keine kriegeriſchen Lorbeeren
gegen ſie zu gewinnen. Nichts deſto weniger, in dieſer helden- und ereigni߬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/46>, abgerufen am 23.02.2025.
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