Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.sie die unvermeidlichen Grimassen geschnitten, unter seltsamen Kapriolen Die Periode die wir vor uns haben, umfaßt das bunteste Gemisch ſie die unvermeidlichen Grimaſſen geſchnitten, unter ſeltſamen Kapriolen Die Periode die wir vor uns haben, umfaßt das bunteſte Gemiſch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0035" n="23"/> ſie die unvermeidlichen Grimaſſen geſchnitten, unter ſeltſamen Kapriolen<lb/> zuſammenſtürzt. Die Revolution bewegt ſich ſo in abſteigender Linie. Sie<lb/> befindet ſich in dieſer rückgängigen Bewegung, ehe die letzte Februar-Bar¬<lb/> rikade weggeräumt und die erſte Revolutionsbehörde conſtituirt iſt.</p><lb/> <p>Die Periode die wir vor uns haben, umfaßt das bunteſte Gemiſch<lb/> ſchreiender Widerſprüche: Konſtitutionelle, die offen gegen die Konſtitution<lb/> konſpiriren, Revolutionäre, die eingeſtandener Maßen konſtitutionell ſind,<lb/> eine Nationalverſammlung, die allmächtig ſein will und ſtets parlamen¬<lb/> tariſch bleibt; eine Montagne, die im Dulden ihren Beruf findet und durch<lb/> die Prophezeihung künftiger Siege ihre gegenwärtigen Niederlagen parirt;<lb/> Royaliſten, die die <hi rendition="#aq">patres conscripti</hi> der Republik bilden, und durch die<lb/> Situation gezwungen werden, die feindlichen Königshäuſer, denen ſie an¬<lb/> hängen, im Auslande, und die Republik, die ſie haſſen, in Frankreich zu<lb/> halten; eine Exekutivgewalt, die in ihrer Schwäche ſelbſt ihre Kraft und in<lb/> der Verachtung, die ſie einflößt, ihre Reſpektabilität findet; eine Republik,<lb/> die nichts anders iſt, als die zuſammengeſetzte Infamie zweier Monarchien,<lb/> der Reſtauration und der Julimonarchie, mit einer imperialiſtiſchen Etiquette,<lb/> — Verbindungen, deren erſte Klauſel die Trennung, Kämpfe, deren<lb/> erſtes Geſetz die Entſcheidungsloſigkeit iſt, im Namen der Ruhe müſte,<lb/> inhaltsloſe Agitation, im Namen der Revolution feierlichſtes Predigen<lb/> der Ruhe, Leidenſchaften ohne Wahrheit, Wahrheiten ohne Leiden¬<lb/> ſchaft, Helden ohne Heldenthaten, Geſchichte ohne Ereigniſſe; Entwickelung,<lb/> deren einzige Triebkraft der Kalender ſcheint, durch beſtändige Wiederholung<lb/> derſelben Spannungen und Abſpannungen ermüdend; Gegenſätze, die ſich<lb/> ſelbſt periodiſch nur auf die Höhe zu treiben ſcheinen, um ſich abzuſtumpfen<lb/> und zuſammenzufallen, ohne ſich auflöſen zu können; prätentiös zur Schau<lb/> getragene Anſtrengungen und bürgerliche Schrecken vor der Gefahr des Welt¬<lb/> unterganges, und von den Weltrettern gleichzeitig die kleinlichſten Intriguen<lb/> und Hofkomödien geſpielt, die in ihrem <hi rendition="#aq">laisser aller</hi> weniger an den jüngſten<lb/> Tag als an die Zeiten der Fronde erinnern, — das offizielle Geſammtgenie<lb/> Frankreichs von der pfiffigen Dummheit eines einzelnen Individuums zu<lb/> Schanden gemacht; der Geſammtwille der Nation, ſo oft er im allgemeinen<lb/> Wahlrecht ſpricht, in den verjährten Feinden der Maſſenintereſſen ſeinen ent¬<lb/> ſprechenden Ausdruck ſuchend, bis er ihn endlich in dem Eigenwillen eines<lb/> Flibuſtiers findet. Wenn irgend ein Geſchichtsausſchnitt grau in grau<lb/> gemalt iſt, ſo iſt es dieſer. Menſchen und Ereigniſſe erſcheinen als umge¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0035]
ſie die unvermeidlichen Grimaſſen geſchnitten, unter ſeltſamen Kapriolen
zuſammenſtürzt. Die Revolution bewegt ſich ſo in abſteigender Linie. Sie
befindet ſich in dieſer rückgängigen Bewegung, ehe die letzte Februar-Bar¬
rikade weggeräumt und die erſte Revolutionsbehörde conſtituirt iſt.
Die Periode die wir vor uns haben, umfaßt das bunteſte Gemiſch
ſchreiender Widerſprüche: Konſtitutionelle, die offen gegen die Konſtitution
konſpiriren, Revolutionäre, die eingeſtandener Maßen konſtitutionell ſind,
eine Nationalverſammlung, die allmächtig ſein will und ſtets parlamen¬
tariſch bleibt; eine Montagne, die im Dulden ihren Beruf findet und durch
die Prophezeihung künftiger Siege ihre gegenwärtigen Niederlagen parirt;
Royaliſten, die die patres conscripti der Republik bilden, und durch die
Situation gezwungen werden, die feindlichen Königshäuſer, denen ſie an¬
hängen, im Auslande, und die Republik, die ſie haſſen, in Frankreich zu
halten; eine Exekutivgewalt, die in ihrer Schwäche ſelbſt ihre Kraft und in
der Verachtung, die ſie einflößt, ihre Reſpektabilität findet; eine Republik,
die nichts anders iſt, als die zuſammengeſetzte Infamie zweier Monarchien,
der Reſtauration und der Julimonarchie, mit einer imperialiſtiſchen Etiquette,
— Verbindungen, deren erſte Klauſel die Trennung, Kämpfe, deren
erſtes Geſetz die Entſcheidungsloſigkeit iſt, im Namen der Ruhe müſte,
inhaltsloſe Agitation, im Namen der Revolution feierlichſtes Predigen
der Ruhe, Leidenſchaften ohne Wahrheit, Wahrheiten ohne Leiden¬
ſchaft, Helden ohne Heldenthaten, Geſchichte ohne Ereigniſſe; Entwickelung,
deren einzige Triebkraft der Kalender ſcheint, durch beſtändige Wiederholung
derſelben Spannungen und Abſpannungen ermüdend; Gegenſätze, die ſich
ſelbſt periodiſch nur auf die Höhe zu treiben ſcheinen, um ſich abzuſtumpfen
und zuſammenzufallen, ohne ſich auflöſen zu können; prätentiös zur Schau
getragene Anſtrengungen und bürgerliche Schrecken vor der Gefahr des Welt¬
unterganges, und von den Weltrettern gleichzeitig die kleinlichſten Intriguen
und Hofkomödien geſpielt, die in ihrem laisser aller weniger an den jüngſten
Tag als an die Zeiten der Fronde erinnern, — das offizielle Geſammtgenie
Frankreichs von der pfiffigen Dummheit eines einzelnen Individuums zu
Schanden gemacht; der Geſammtwille der Nation, ſo oft er im allgemeinen
Wahlrecht ſpricht, in den verjährten Feinden der Maſſenintereſſen ſeinen ent¬
ſprechenden Ausdruck ſuchend, bis er ihn endlich in dem Eigenwillen eines
Flibuſtiers findet. Wenn irgend ein Geſchichtsausſchnitt grau in grau
gemalt iſt, ſo iſt es dieſer. Menſchen und Ereigniſſe erſcheinen als umge¬
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