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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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ließ ihr durch den Repräsentanten Rateau am 6. Januar 1849 vorschlagen,
die organischen Gesetze laufen zu lassen und vielmehr ihre eigene Auf¬
lösung zu beschließen. Nicht nur das Ministerium, Herr Odilon Barrot
an der Spitze, sämmtliche royalistische Mitglieder der Nationalversammlung
herrschten ihr in diesem Augenblicke zu, ihre Auflösung sei nothwendig zur
Herstellung des Kredits, zur Konsolidirung der Ordnung, um dem unbe¬
stimmten Provisorium ein Ende zu machen und einen definitiven Zustand zu
gründen, sie hindre die Produktivität der neuen Regierung und suche ihr
Dasein blos aus Rancune zu fristen, das Land sei ihrer müde. Bonaparte
merkte sich alle diese Invektiven gegen die gesetzgebende Gewalt, lernte sie
auswendig und bewies den parlamentarischen Royalisten am 2. Dezember
1851, daß er von ihnen gelernt habe. Er wiederholte ihre eignen Stich¬
worte gegen sie.

Das Ministerium Barrot und die Ordnungspartei gingen weiter. Sie
riefen Petitionen an die Nationalversammlung in ganz
Frankreich hervor, worin diese freundlichst gebeten wurde zu verschwinden.
So führten sie gegen die Nationalversammlung, den konstitutionell organisir¬
ten Ausdruck des Volkes, seine unorganischen Massen ins Feuer. Sie lehr¬
ten Bonaparte von den parlamentarischen Versammlungen an das Volk
appelliren. Endlich am 29. Januar 1849 war der Tag gekommen, an dem
die Konstituante über ihre eigne Auflösung beschließen sollte. Die Nationalver¬
sammlung fand ihr Sitzungsgebäude militärisch besetzt; Changarnier, der
General der Ordnungspartei, in dessen Händen der Oberbefehl über National¬
garde und Linientruppen vereinigt war, hielt große Truppenschau in Paris,
als wenn eine Schlacht bevorstehe, und die koalisirten Royalisten erklärten der
Konstituante drohend, daß man Gewalt anwenden werde, wenn sie nicht
willig sei. Sie war willig und marktete sich nur noch eine ganz kurze Lebens¬
frist aus. Was war der 29. Januar anders, als der Coup d'etat vom
2. Dezember 1851, nur mit Bonaparte von den Royalisten gegen die
republikanische Nationalversammlung ausgeführt? Die Herren bemerkten
nicht oder wollten nicht merken, daß Bonaparte den 29. Januar 1849 be¬
nutzte, um einen Theil der Truppen vor den Tuilerien an sich vorbeidesiliren
zu lassen und gerade dies erste öffentliche Aufgebot der Militärmacht gegen
die parlamentarische Macht begierig aufgriff, um den Caligula anzudeuten.
Sie sahen allerdings nur ihren Changainier.

Ein Motiv, das die Partei der Ordnung noch insbesondere bewog, die

ließ ihr durch den Repräſentanten Rateau am 6. Januar 1849 vorſchlagen,
die organiſchen Geſetze laufen zu laſſen und vielmehr ihre eigene Auf¬
löſung zu beſchließen. Nicht nur das Miniſterium, Herr Odilon Barrot
an der Spitze, ſämmtliche royaliſtiſche Mitglieder der Nationalverſammlung
herrſchten ihr in dieſem Augenblicke zu, ihre Auflöſung ſei nothwendig zur
Herſtellung des Kredits, zur Konſolidirung der Ordnung, um dem unbe¬
ſtimmten Proviſorium ein Ende zu machen und einen definitiven Zuſtand zu
gründen, ſie hindre die Produktivität der neuen Regierung und ſuche ihr
Daſein blos aus Rancune zu friſten, das Land ſei ihrer müde. Bonaparte
merkte ſich alle dieſe Invektiven gegen die geſetzgebende Gewalt, lernte ſie
auswendig und bewies den parlamentariſchen Royaliſten am 2. Dezember
1851, daß er von ihnen gelernt habe. Er wiederholte ihre eignen Stich¬
worte gegen ſie.

Das Miniſterium Barrot und die Ordnungspartei gingen weiter. Sie
riefen Petitionen an die Nationalverſammlung in ganz
Frankreich hervor, worin dieſe freundlichſt gebeten wurde zu verſchwinden.
So führten ſie gegen die Nationalverſammlung, den konſtitutionell organiſir¬
ten Ausdruck des Volkes, ſeine unorganiſchen Maſſen ins Feuer. Sie lehr¬
ten Bonaparte von den parlamentariſchen Verſammlungen an das Volk
appelliren. Endlich am 29. Januar 1849 war der Tag gekommen, an dem
die Konſtituante über ihre eigne Auflöſung beſchließen ſollte. Die Nationalver¬
ſammlung fand ihr Sitzungsgebäude militäriſch beſetzt; Changarnier, der
General der Ordnungspartei, in deſſen Händen der Oberbefehl über National¬
garde und Linientruppen vereinigt war, hielt große Truppenſchau in Paris,
als wenn eine Schlacht bevorſtehe, und die koaliſirten Royaliſten erklärten der
Konſtituante drohend, daß man Gewalt anwenden werde, wenn ſie nicht
willig ſei. Sie war willig und marktete ſich nur noch eine ganz kurze Lebens¬
friſt aus. Was war der 29. Januar anders, als der Coup d'état vom
2. Dezember 1851, nur mit Bonaparte von den Royaliſten gegen die
republikaniſche Nationalverſammlung ausgeführt? Die Herren bemerkten
nicht oder wollten nicht merken, daß Bonaparte den 29. Januar 1849 be¬
nutzte, um einen Theil der Truppen vor den Tuilerien an ſich vorbeideſiliren
zu laſſen und gerade dies erſte öffentliche Aufgebot der Militärmacht gegen
die parlamentariſche Macht begierig aufgriff, um den Caligula anzudeuten.
Sie ſahen allerdings nur ihren Changainier.

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[20/0032] ließ ihr durch den Repräſentanten Rateau am 6. Januar 1849 vorſchlagen, die organiſchen Geſetze laufen zu laſſen und vielmehr ihre eigene Auf¬ löſung zu beſchließen. Nicht nur das Miniſterium, Herr Odilon Barrot an der Spitze, ſämmtliche royaliſtiſche Mitglieder der Nationalverſammlung herrſchten ihr in dieſem Augenblicke zu, ihre Auflöſung ſei nothwendig zur Herſtellung des Kredits, zur Konſolidirung der Ordnung, um dem unbe¬ ſtimmten Proviſorium ein Ende zu machen und einen definitiven Zuſtand zu gründen, ſie hindre die Produktivität der neuen Regierung und ſuche ihr Daſein blos aus Rancune zu friſten, das Land ſei ihrer müde. Bonaparte merkte ſich alle dieſe Invektiven gegen die geſetzgebende Gewalt, lernte ſie auswendig und bewies den parlamentariſchen Royaliſten am 2. Dezember 1851, daß er von ihnen gelernt habe. Er wiederholte ihre eignen Stich¬ worte gegen ſie. Das Miniſterium Barrot und die Ordnungspartei gingen weiter. Sie riefen Petitionen an die Nationalverſammlung in ganz Frankreich hervor, worin dieſe freundlichſt gebeten wurde zu verſchwinden. So führten ſie gegen die Nationalverſammlung, den konſtitutionell organiſir¬ ten Ausdruck des Volkes, ſeine unorganiſchen Maſſen ins Feuer. Sie lehr¬ ten Bonaparte von den parlamentariſchen Verſammlungen an das Volk appelliren. Endlich am 29. Januar 1849 war der Tag gekommen, an dem die Konſtituante über ihre eigne Auflöſung beſchließen ſollte. Die Nationalver¬ ſammlung fand ihr Sitzungsgebäude militäriſch beſetzt; Changarnier, der General der Ordnungspartei, in deſſen Händen der Oberbefehl über National¬ garde und Linientruppen vereinigt war, hielt große Truppenſchau in Paris, als wenn eine Schlacht bevorſtehe, und die koaliſirten Royaliſten erklärten der Konſtituante drohend, daß man Gewalt anwenden werde, wenn ſie nicht willig ſei. Sie war willig und marktete ſich nur noch eine ganz kurze Lebens¬ friſt aus. Was war der 29. Januar anders, als der Coup d'état vom 2. Dezember 1851, nur mit Bonaparte von den Royaliſten gegen die republikaniſche Nationalverſammlung ausgeführt? Die Herren bemerkten nicht oder wollten nicht merken, daß Bonaparte den 29. Januar 1849 be¬ nutzte, um einen Theil der Truppen vor den Tuilerien an ſich vorbeideſiliren zu laſſen und gerade dies erſte öffentliche Aufgebot der Militärmacht gegen die parlamentariſche Macht begierig aufgriff, um den Caligula anzudeuten. Sie ſahen allerdings nur ihren Changainier. Ein Motiv, das die Partei der Ordnung noch insbeſondere bewog, die

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/32>, abgerufen am 18.11.2024.