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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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versteht sich, blieb das konstitutionelle Dasein der Freiheit unversehrt,
unangetastet, mochte ihr gemeines Dasein noch so sehr todtgeschlagen sein.

Diese auf so sinnige Weise unverletzlich gemachte Konstitution war indeß
wie Achilles an einem Punkte verwundbar, nicht an der Ferse, aber am
Kopfe oder vielmehr an den zwei Köpfen, worin sie sich verlief, -- gesetz¬
gebende Versammlung einerseits, Präsident andrerseits. Man
durchfliege die Konstitution, und man wird finden, daß nur die Paragraphen,
worin das Verhältniß des Präsidenten zur gesetzgebenden Versammlung be¬
stimmt wird, absolut, positiv, widerspruchslos, unverdrehbar sind. Hier galt
es nämlich für die Bourgeois-Republikaner, sich selbst sicher zu stellen.
§§. 45 - 70 der Konstitution sind so abgefaßt, daß die Nationalversammlung
den Präsidenten konstitutionell, der Präsident die Nationalversammlung nur
inkonstitutionell beseitigen kann, nur indem er die Konstitution selbst beseitigt.
Hier fordert sie also ihre gewaltsame Vernichtung heraus. Sie heiligt nicht
nur wie die Charte von 1830 die Theilung der Gewalten, sie erweitert sie
bis zum unerträglichen Widerspruch. Das Spiel der konstitutionel¬
len Gewalten
, wie Guizot den parlamentarischen Krakehl zwischen gesetz¬
gebender und vollziehender Gewalt nannte, spielt in der Konstitution von
1848 beständig va banque. Auf der einen Seite 750 durch allgemeines
Stimmrecht gewählte und wieder wählbare Volksrepräsentanten, die eine un¬
kontrollirbare, unauflösbare, untheilbare Nationalversammlung bilden, eine
Nationalversammlung, welche gesetzgeberische Allmacht genießt, über Krieg,
Frieden und Handelsverträge in letzter Instanz entscheidet, allein das Recht der
Amnestie besitzt, und durch ihre Permanenz unaufhörlich den Vordergrund der
Bühne behauptet. Andrerseits der Präsident, mit allen Attributen der könig¬
lichen Macht, mit der Befugniß, seine Minister unabhängig von der
Nationalversammlung ein- und abzusetzen, mit allen Mitteln der exekutiven
Gewalt in seinen Händen, alle Stellen vergebend und d. h. in Frankreich
wenigstens über 11/2 Millionen Existenzen entscheidend, denn so viel hängen
an den 500,000 Beamten und an den Offizieren aller Grade. Er hat die
ganze bewaffnete Macht hinter sich. Er genießt das Privilegium, einzelne
Verbrecher zu begnadigen, Nationalgarden zu suspendiren, die von den Bür¬
gern selbst erwählten General-, Kantonal- und Gemeinderäthe im Ein¬
verständniß mit dem Staatsrath abzusetzen. Initiative und Leitung aller Ver¬
träge mit dem Ausland sind ihm vorbehalten. Während die Versammlung
beständig auf den Brettern spielt und dem kritisch gemeinen Tageslicht

verſteht ſich, blieb das konſtitutionelle Daſein der Freiheit unverſehrt,
unangetaſtet, mochte ihr gemeines Daſein noch ſo ſehr todtgeſchlagen ſein.

Dieſe auf ſo ſinnige Weiſe unverletzlich gemachte Konſtitution war indeß
wie Achilles an einem Punkte verwundbar, nicht an der Ferſe, aber am
Kopfe oder vielmehr an den zwei Köpfen, worin ſie ſich verlief, — geſetz¬
gebende Verſammlung einerſeits, Präſident andrerſeits. Man
durchfliege die Konſtitution, und man wird finden, daß nur die Paragraphen,
worin das Verhältniß des Präſidenten zur geſetzgebenden Verſammlung be¬
ſtimmt wird, abſolut, poſitiv, widerſpruchslos, unverdrehbar ſind. Hier galt
es nämlich für die Bourgeois-Republikaner, ſich ſelbſt ſicher zu ſtellen.
§§. 4570 der Konſtitution ſind ſo abgefaßt, daß die Nationalverſammlung
den Präſidenten konſtitutionell, der Präſident die Nationalverſammlung nur
inkonſtitutionell beſeitigen kann, nur indem er die Konſtitution ſelbſt beſeitigt.
Hier fordert ſie alſo ihre gewaltſame Vernichtung heraus. Sie heiligt nicht
nur wie die Charte von 1830 die Theilung der Gewalten, ſie erweitert ſie
bis zum unerträglichen Widerſpruch. Das Spiel der konſtitutionel¬
len Gewalten
, wie Guizot den parlamentariſchen Krakehl zwiſchen geſetz¬
gebender und vollziehender Gewalt nannte, ſpielt in der Konſtitution von
1848 beſtändig va banque. Auf der einen Seite 750 durch allgemeines
Stimmrecht gewählte und wieder wählbare Volksrepräſentanten, die eine un¬
kontrollirbare, unauflösbare, untheilbare Nationalverſammlung bilden, eine
Nationalverſammlung, welche geſetzgeberiſche Allmacht genießt, über Krieg,
Frieden und Handelsverträge in letzter Inſtanz entſcheidet, allein das Recht der
Amneſtie beſitzt, und durch ihre Permanenz unaufhörlich den Vordergrund der
Bühne behauptet. Andrerſeits der Präſident, mit allen Attributen der könig¬
lichen Macht, mit der Befugniß, ſeine Miniſter unabhängig von der
Nationalverſammlung ein- und abzuſetzen, mit allen Mitteln der exekutiven
Gewalt in ſeinen Händen, alle Stellen vergebend und d. h. in Frankreich
wenigſtens über Millionen Exiſtenzen entſcheidend, denn ſo viel hängen
an den 500,000 Beamten und an den Offizieren aller Grade. Er hat die
ganze bewaffnete Macht hinter ſich. Er genießt das Privilegium, einzelne
Verbrecher zu begnadigen, Nationalgarden zu ſuspendiren, die von den Bür¬
gern ſelbſt erwählten General–, Kantonal– und Gemeinderäthe im Ein¬
verſtändniß mit dem Staatsrath abzuſetzen. Initiative und Leitung aller Ver¬
träge mit dem Ausland ſind ihm vorbehalten. Während die Verſammlung
beſtändig auf den Brettern ſpielt und dem kritiſch gemeinen Tageslicht

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[14/0026] verſteht ſich, blieb das konſtitutionelle Daſein der Freiheit unverſehrt, unangetaſtet, mochte ihr gemeines Daſein noch ſo ſehr todtgeſchlagen ſein. Dieſe auf ſo ſinnige Weiſe unverletzlich gemachte Konſtitution war indeß wie Achilles an einem Punkte verwundbar, nicht an der Ferſe, aber am Kopfe oder vielmehr an den zwei Köpfen, worin ſie ſich verlief, — geſetz¬ gebende Verſammlung einerſeits, Präſident andrerſeits. Man durchfliege die Konſtitution, und man wird finden, daß nur die Paragraphen, worin das Verhältniß des Präſidenten zur geſetzgebenden Verſammlung be¬ ſtimmt wird, abſolut, poſitiv, widerſpruchslos, unverdrehbar ſind. Hier galt es nämlich für die Bourgeois-Republikaner, ſich ſelbſt ſicher zu ſtellen. §§. 45 – 70 der Konſtitution ſind ſo abgefaßt, daß die Nationalverſammlung den Präſidenten konſtitutionell, der Präſident die Nationalverſammlung nur inkonſtitutionell beſeitigen kann, nur indem er die Konſtitution ſelbſt beſeitigt. Hier fordert ſie alſo ihre gewaltſame Vernichtung heraus. Sie heiligt nicht nur wie die Charte von 1830 die Theilung der Gewalten, ſie erweitert ſie bis zum unerträglichen Widerſpruch. Das Spiel der konſtitutionel¬ len Gewalten, wie Guizot den parlamentariſchen Krakehl zwiſchen geſetz¬ gebender und vollziehender Gewalt nannte, ſpielt in der Konſtitution von 1848 beſtändig va banque. Auf der einen Seite 750 durch allgemeines Stimmrecht gewählte und wieder wählbare Volksrepräſentanten, die eine un¬ kontrollirbare, unauflösbare, untheilbare Nationalverſammlung bilden, eine Nationalverſammlung, welche geſetzgeberiſche Allmacht genießt, über Krieg, Frieden und Handelsverträge in letzter Inſtanz entſcheidet, allein das Recht der Amneſtie beſitzt, und durch ihre Permanenz unaufhörlich den Vordergrund der Bühne behauptet. Andrerſeits der Präſident, mit allen Attributen der könig¬ lichen Macht, mit der Befugniß, ſeine Miniſter unabhängig von der Nationalverſammlung ein- und abzuſetzen, mit allen Mitteln der exekutiven Gewalt in ſeinen Händen, alle Stellen vergebend und d. h. in Frankreich wenigſtens über 1½ Millionen Exiſtenzen entſcheidend, denn ſo viel hängen an den 500,000 Beamten und an den Offizieren aller Grade. Er hat die ganze bewaffnete Macht hinter ſich. Er genießt das Privilegium, einzelne Verbrecher zu begnadigen, Nationalgarden zu ſuspendiren, die von den Bür¬ gern ſelbſt erwählten General–, Kantonal– und Gemeinderäthe im Ein¬ verſtändniß mit dem Staatsrath abzuſetzen. Initiative und Leitung aller Ver¬ träge mit dem Ausland ſind ihm vorbehalten. Während die Verſammlung beſtändig auf den Brettern ſpielt und dem kritiſch gemeinen Tageslicht

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/26>, abgerufen am 17.11.2024.