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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Gattung der Weißheit gehalten werden/
aber dasselbe ohne Grund zu glauben/ ist ei-
ne Leichtsinnigkeit. Es ist eine Klugheit
sein Vortheil einzuziehen/ und eine Billig-
keit/ dasselbe geheim zu halten. Hüte dich
wohl/ daß du nicht allezeit auff die Zeugnüß
der Sinnen urtheilest/ sie können leichtlich
übernommen werden/ aber du solt dich nicht
betriegen lassen. Derowegen thue keinen
Spruch in der Eyl über was es wolle/ die
Zeit wird dich berichten/ und dir die War-
heit zu erkennen geben/ damit du dieselbe
nachmals andern Leuten sagen mögest.

LXXXIV.

Die Gerechtigkeit ohne Mildigkeit/ na-
het sich sehr zu der Grausamkeit/ die Mildig-
keit ohne Gerechtigkeit ist eine sehr gefähr-
liche Unweißliche Unweißheit. Zwar man
muß der Gerechtigkeit allezeit den ersten
Platz geben; Aber die Sanfftmühtigkeit/
die Gütigkeit/ die Mildigkeit müssen diesel-
be begleiten/ ja man muß diesen mehr Raum
geben. Die Gerechtigkeit ist eine solche
köstliche und edle Tugend/ daß sie werth ist
gelobt zu werden/ wann sie schon nicht von
der Klugheit unterstützet ist: Die Klugheit
aber ohne Hülffe der Gerechtigkeit ist von

kei-

Gattung der Weißheit gehalten werden/
aber daſſelbe ohne Grund zu glauben/ iſt ei-
ne Leichtſinnigkeit. Es iſt eine Klugheit
ſein Vortheil einzuziehen/ und eine Billig-
keit/ daſſelbe geheim zu halten. Huͤte dich
wohl/ daß du nicht allezeit auff die Zeugnuͤß
der Sinnen urtheileſt/ ſie koͤnnen leichtlich
uͤbernommen werden/ aber du ſolt dich nicht
betriegen laſſen. Derowegen thue keinen
Spruch in der Eyl uͤber was es wolle/ die
Zeit wird dich berichten/ und dir die War-
heit zu erkennen geben/ damit du dieſelbe
nachmals andern Leuten ſagen moͤgeſt.

LXXXIV.

Die Gerechtigkeit ohne Mildigkeit/ na-
het ſich ſehr zu der Grauſamkeit/ die Mildig-
keit ohne Gerechtigkeit iſt eine ſehr gefaͤhr-
liche Unweißliche Unweißheit. Zwar man
muß der Gerechtigkeit allezeit den erſten
Platz geben; Aber die Sanfftmuͤhtigkeit/
die Guͤtigkeit/ die Mildigkeit muͤſſen dieſel-
be begleiten/ ja man muß dieſen mehr Raum
geben. Die Gerechtigkeit iſt eine ſolche
koͤſtliche und edle Tugend/ daß ſie werth iſt
gelobt zu werden/ wann ſie ſchon nicht von
der Klugheit unterſtuͤtzet iſt: Die Klugheit
aber ohne Huͤlffe der Gerechtigkeit iſt von

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[96[86]/0097] Gattung der Weißheit gehalten werden/ aber daſſelbe ohne Grund zu glauben/ iſt ei- ne Leichtſinnigkeit. Es iſt eine Klugheit ſein Vortheil einzuziehen/ und eine Billig- keit/ daſſelbe geheim zu halten. Huͤte dich wohl/ daß du nicht allezeit auff die Zeugnuͤß der Sinnen urtheileſt/ ſie koͤnnen leichtlich uͤbernommen werden/ aber du ſolt dich nicht betriegen laſſen. Derowegen thue keinen Spruch in der Eyl uͤber was es wolle/ die Zeit wird dich berichten/ und dir die War- heit zu erkennen geben/ damit du dieſelbe nachmals andern Leuten ſagen moͤgeſt. LXXXIV. Die Gerechtigkeit ohne Mildigkeit/ na- het ſich ſehr zu der Grauſamkeit/ die Mildig- keit ohne Gerechtigkeit iſt eine ſehr gefaͤhr- liche Unweißliche Unweißheit. Zwar man muß der Gerechtigkeit allezeit den erſten Platz geben; Aber die Sanfftmuͤhtigkeit/ die Guͤtigkeit/ die Mildigkeit muͤſſen dieſel- be begleiten/ ja man muß dieſen mehr Raum geben. Die Gerechtigkeit iſt eine ſolche koͤſtliche und edle Tugend/ daß ſie werth iſt gelobt zu werden/ wann ſie ſchon nicht von der Klugheit unterſtuͤtzet iſt: Die Klugheit aber ohne Huͤlffe der Gerechtigkeit iſt von kei-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 96[86]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/97>, abgerufen am 24.11.2024.