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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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weil er den Mangel des Verstandes mit
der Boßheit ersetzt: Dann gleich wie ein
weiser Mann durch sein gutes Leben alles
dasjenige ersetzt/ welches ihm sonsten man-
gelt: also gebraucht sich auch derjenige/ wel-
cher weder Geschicklichkeit noch Bescheiden-
heit hat/ aller erdencklichen Boßheit.

LXXVII.

Aristoteles hat sehr weißlich in acht ge-
nommen/ daß es der Narren Eygenschafft
ist/ daß sie ohne unterlaß von allerhand Sa-
chen ihre Meynung sagen/ ohne Rath der
Vernunfft/ und in der Eyl die Sachen de-
cidiren,
sich der gegenwärtigen Güter
nicht befleissen wollen/ und sich nimmermehr
bemühen/ zu er kennen/ was einen Menschen
in der Welt glückselich machen kan. Ich
setze dazu/ daß die Thorheit derjenigen gleich
ist/ die ein Mensch/ der nicht weiß/ worinn
die Glückseeligkeit dieses Lebens bestehet/ be-
gehet/ und allezeit doch ein unordentliches
Leben führet.

LXXVIII.

Die vollkommene Weißheit bestehet
nicht so wol darinn/ daß man tieff in die
höchste Wissenschafft hinein gründet/ son-
dern daß man sein Vorhaben wohl anstel-

let/

weil er den Mangel des Verſtandes mit
der Boßheit erſetzt: Dann gleich wie ein
weiſer Mann durch ſein gutes Leben alles
dasjenige erſetzt/ welches ihm ſonſten man-
gelt: alſo gebraucht ſich auch derjenige/ wel-
cher weder Geſchicklichkeit noch Beſcheiden-
heit hat/ aller erdencklichen Boßheit.

LXXVII.

Ariſtoteles hat ſehr weißlich in acht ge-
nommen/ daß es der Narren Eygenſchafft
iſt/ daß ſie ohne unterlaß von allerhand Sa-
chen ihre Meynung ſagen/ ohne Rath der
Vernunfft/ und in der Eyl die Sachen de-
cidiren,
ſich der gegenwaͤrtigen Guͤter
nicht befleiſſen wollen/ und ſich nimmermehr
bemuͤhen/ zu er kennen/ was einen Menſchen
in der Welt gluͤckſelich machen kan. Ich
ſetze dazu/ daß die Thorheit derjenigen gleich
iſt/ die ein Menſch/ der nicht weiß/ worinn
die Gluͤckſeeligkeit dieſes Lebens beſtehet/ be-
gehet/ und allezeit doch ein unordentliches
Leben fuͤhret.

LXXVIII.

Die vollkommene Weißheit beſtehet
nicht ſo wol darinn/ daß man tieff in die
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dern daß man ſein Vorhaben wohl anſtel-

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[144[134]/0145] weil er den Mangel des Verſtandes mit der Boßheit erſetzt: Dann gleich wie ein weiſer Mann durch ſein gutes Leben alles dasjenige erſetzt/ welches ihm ſonſten man- gelt: alſo gebraucht ſich auch derjenige/ wel- cher weder Geſchicklichkeit noch Beſcheiden- heit hat/ aller erdencklichen Boßheit. LXXVII. Ariſtoteles hat ſehr weißlich in acht ge- nommen/ daß es der Narren Eygenſchafft iſt/ daß ſie ohne unterlaß von allerhand Sa- chen ihre Meynung ſagen/ ohne Rath der Vernunfft/ und in der Eyl die Sachen de- cidiren, ſich der gegenwaͤrtigen Guͤter nicht befleiſſen wollen/ und ſich nimmermehr bemuͤhen/ zu er kennen/ was einen Menſchen in der Welt gluͤckſelich machen kan. Ich ſetze dazu/ daß die Thorheit derjenigen gleich iſt/ die ein Menſch/ der nicht weiß/ worinn die Gluͤckſeeligkeit dieſes Lebens beſtehet/ be- gehet/ und allezeit doch ein unordentliches Leben fuͤhret. LXXVIII. Die vollkommene Weißheit beſtehet nicht ſo wol darinn/ daß man tieff in die hoͤchſte Wiſſenſchafft hinein gruͤndet/ ſon- dern daß man ſein Vorhaben wohl anſtel- let/

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 144[134]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/145>, abgerufen am 25.11.2024.