den Titel ihres Mannes und alle hohlen äußerlichen Vorteile ihrer Ehe; die drücken vor allen wahren Nöten des Lebens mit weiblichem Anstand die Augen zu und fassen die Röcke zusammen; deren kleine enge Welt wird von dem jämmer- lichsten Nichts umflossen; die fürchten nichts so sehr als eine Veränderung des ewig Gestrigen, das sie so nett und behag- lich auf seinen Wogen zur zufriedenen Kaffeetasse trägt. Ihre Seele ist verkalkt und der Erweiterung nicht fähig, so gut sie auch vielleicht Klopps zu bereiten und ein Dienstmädchen anzu- lernen verstehen. Unsre Zeit aber bedarf lebendiger Frauen- kraft, die sich in den täglich sich weiter wandelnden Verhält- nissen des modernen Lebens einzusetzen versteht, die den Ge- fahren unsrer Zeit bewußte und sicher gewollte Hemmungen entgegenzustemmen weiß, wie sie nur ein Wille, den hohe, durch klare Erkenntnisse geläuterte Gefühle hervortreiben, zu schaffen vermag. An dem sanften Feuer ihrer Seelen soll die kalte Welt sich erwärmen, statt durch Frauenirrlichtelieren in die Sümpfe des Lebens gelockt zu werden.
Wir verlangen für die Frau eine alle Kräfte auslösende, allseitige höchste Persönlichkeitsbil- dung.
Nur dann versteht sie ihre Zeit, wird der Welt ein Halt und zieht den Mann mit hinauf in die reine Höhe des idealen Strebens. Die Frau soll gerade, weil sie nicht für sich selbst da ist, sondern für Mitwelt und Nachwelt, eine durchaus selbständige Persönlichkeit werden, die frei über sich zu verfügen versteht. Die Zeiten des Despotismus sind auf allen Gebieten vorüber; es weht keine Luft mehr, in der irgend welche Hörigkeit gedeiht. Die Freiheit ist nicht nur das Ideal, sondern sie ist das praktische Bedürfnis aller Indivi- duen geworden. Daran ist, so sehr manche es angstvoll be- klagen mögen, nichts mehr zu ändern; man kann der natür- lichen Entwickelung nicht in die Speichen fallen, will man nicht einfach durch die Räder zermalmt werden. Dieses allgemeine
den Titel ihres Mannes und alle hohlen äußerlichen Vorteile ihrer Ehe; die drücken vor allen wahren Nöten des Lebens mit weiblichem Anstand die Augen zu und fassen die Röcke zusammen; deren kleine enge Welt wird von dem jämmer- lichsten Nichts umflossen; die fürchten nichts so sehr als eine Veränderung des ewig Gestrigen, das sie so nett und behag- lich auf seinen Wogen zur zufriedenen Kaffeetasse trägt. Ihre Seele ist verkalkt und der Erweiterung nicht fähig, so gut sie auch vielleicht Klopps zu bereiten und ein Dienstmädchen anzu- lernen verstehen. Unsre Zeit aber bedarf lebendiger Frauen- kraft, die sich in den täglich sich weiter wandelnden Verhält- nissen des modernen Lebens einzusetzen versteht, die den Ge- fahren unsrer Zeit bewußte und sicher gewollte Hemmungen entgegenzustemmen weiß, wie sie nur ein Wille, den hohe, durch klare Erkenntnisse geläuterte Gefühle hervortreiben, zu schaffen vermag. An dem sanften Feuer ihrer Seelen soll die kalte Welt sich erwärmen, statt durch Frauenirrlichtelieren in die Sümpfe des Lebens gelockt zu werden.
Wir verlangen für die Frau eine alle Kräfte auslösende, allseitige höchste Persönlichkeitsbil- dung.
Nur dann versteht sie ihre Zeit, wird der Welt ein Halt und zieht den Mann mit hinauf in die reine Höhe des idealen Strebens. Die Frau soll gerade, weil sie nicht für sich selbst da ist, sondern für Mitwelt und Nachwelt, eine durchaus selbständige Persönlichkeit werden, die frei über sich zu verfügen versteht. Die Zeiten des Despotismus sind auf allen Gebieten vorüber; es weht keine Luft mehr, in der irgend welche Hörigkeit gedeiht. Die Freiheit ist nicht nur das Ideal, sondern sie ist das praktische Bedürfnis aller Indivi- duen geworden. Daran ist, so sehr manche es angstvoll be- klagen mögen, nichts mehr zu ändern; man kann der natür- lichen Entwickelung nicht in die Speichen fallen, will man nicht einfach durch die Räder zermalmt werden. Dieses allgemeine
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den Titel ihres Mannes und alle hohlen äußerlichen Vorteile
ihrer Ehe; die drücken vor allen wahren Nöten des Lebens
mit weiblichem Anstand die Augen zu und fassen die Röcke
zusammen; deren kleine enge Welt wird von dem jämmer-
lichsten Nichts umflossen; die fürchten nichts so sehr als eine
Veränderung des ewig Gestrigen, das sie so nett und behag-
lich auf seinen Wogen zur zufriedenen Kaffeetasse trägt. Ihre
Seele ist verkalkt und der Erweiterung nicht fähig, so gut sie
auch vielleicht Klopps zu bereiten und ein Dienstmädchen anzu-
lernen verstehen. Unsre Zeit aber bedarf lebendiger Frauen-
kraft, die sich in den täglich sich weiter wandelnden Verhält-
nissen des modernen Lebens einzusetzen versteht, die den Ge-
fahren unsrer Zeit bewußte und sicher gewollte Hemmungen
entgegenzustemmen weiß, wie sie nur ein Wille, den hohe,
durch klare Erkenntnisse geläuterte Gefühle hervortreiben,
zu schaffen vermag. An dem sanften Feuer ihrer Seelen soll
die kalte Welt sich erwärmen, statt durch Frauenirrlichtelieren
in die Sümpfe des Lebens gelockt zu werden.
Wir verlangen für die Frau eine alle Kräfte
auslösende, allseitige höchste Persönlichkeitsbil-
dung.
Nur dann versteht sie ihre Zeit, wird der Welt ein Halt
und zieht den Mann mit hinauf in die reine Höhe des idealen
Strebens. Die Frau soll gerade, weil sie nicht für sich selbst
da ist, sondern für Mitwelt und Nachwelt, eine durchaus
selbständige Persönlichkeit werden, die frei über sich
zu verfügen versteht. Die Zeiten des Despotismus sind auf
allen Gebieten vorüber; es weht keine Luft mehr, in der
irgend welche Hörigkeit gedeiht. Die Freiheit ist nicht nur
das Ideal, sondern sie ist das praktische Bedürfnis aller Indivi-
duen geworden. Daran ist, so sehr manche es angstvoll be-
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Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-11T19:37:41Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-11T19:37:41Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-11T19:37:41Z)
Weitere Informationen:
Verfahrung der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Martin, Marie: Wahre Frauenbildung. Tübingen 1905, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martin_frauenbildung_1905/34>, abgerufen am 16.07.2024.
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