Verbindlichkeit des Vertrages entgegen gesetzt werden kön- nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einsicht folget, so ist nicht zu verwundern, wenn in einem so be- denklichen Punct so oft entweder die begehrte Theilnahme verweigert, oder aufgeschoben, oder unvollständig geleistet wird a).
a)Moser Versuch B. X. Th. I. S. 43.
§. 295. Von Alliirten in einem gemeinschaftlichen Kriege.
In gemeinschaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen einen dritten Staat sind jene, in dem was den Krieg be- trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es sey von Führung des Kriegs, oder von Schliessung des Friedens die Rede. Da- her müssen sie 1) die Operationsplane gemeinschaftlich ver- abreden a), es sey daß sie einen gemeinschaftlichen Ober- befehlshaber erwählen oder nicht 2) Beute und Eroberun- gen die mit gemeinschaftlichen Waffen gemacht worden sind unter ihnen zu theilen, und bey Schliessung eines Friedens zum Vortheil beider in Anschlag zu bringen b); 3) das ius postliminii hat in Wiedereroberungsfällen unter ihnen gleichmäßig statt c). 4) Kein Theil darf der Regel sich einseitig für neutral erklären, allgemeinen Waffenstillstand oder Frieden schliessen, es wäre denn, 1) daß ein wahrer Nothfall ihn zwänge, oder 2) der Alliirte seinen Pflichten nicht nachgekommen wäre, 3) der Zweck der Allianz gar nicht mehr zu erreichen stünde, oder 4) der Alliirte einen billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei- gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt seyn, sich mit dem bisher gemeinschaftlichen Feinde gegen den Alliirten zu verbünden.
Alle diese Pflichten fliessen zwar schon aus der Natur der Allianz von selbst, doch pflegt überdieß in den Kriegs- bündnissen ausdrücklich bestimmt zu werden, daß man sich von dem Alliirten nicht trennen wolle.
a) Dar-
Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
Verbindlichkeit des Vertrages entgegen geſetzt werden koͤn- nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einſicht folget, ſo iſt nicht zu verwundern, wenn in einem ſo be- denklichen Punct ſo oft entweder die begehrte Theilnahme verweigert, oder aufgeſchoben, oder unvollſtaͤndig geleiſtet wird a).
a)Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 43.
§. 295. Von Alliirten in einem gemeinſchaftlichen Kriege.
In gemeinſchaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen einen dritten Staat ſind jene, in dem was den Krieg be- trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es ſey von Fuͤhrung des Kriegs, oder von Schlieſſung des Friedens die Rede. Da- her muͤſſen ſie 1) die Operationsplane gemeinſchaftlich ver- abreden a), es ſey daß ſie einen gemeinſchaftlichen Ober- befehlshaber erwaͤhlen oder nicht 2) Beute und Eroberun- gen die mit gemeinſchaftlichen Waffen gemacht worden ſind unter ihnen zu theilen, und bey Schlieſſung eines Friedens zum Vortheil beider in Anſchlag zu bringen b); 3) das ius poſtliminii hat in Wiedereroberungsfaͤllen unter ihnen gleichmaͤßig ſtatt c). 4) Kein Theil darf der Regel ſich einſeitig fuͤr neutral erklaͤren, allgemeinen Waffenſtillſtand oder Frieden ſchlieſſen, es waͤre denn, 1) daß ein wahrer Nothfall ihn zwaͤnge, oder 2) der Alliirte ſeinen Pflichten nicht nachgekommen waͤre, 3) der Zweck der Allianz gar nicht mehr zu erreichen ſtuͤnde, oder 4) der Alliirte einen billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei- gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt ſeyn, ſich mit dem bisher gemeinſchaftlichen Feinde gegen den Alliirten zu verbuͤnden.
Alle dieſe Pflichten flieſſen zwar ſchon aus der Natur der Allianz von ſelbſt, doch pflegt uͤberdieß in den Kriegs- buͤndniſſen ausdruͤcklich beſtimmt zu werden, daß man ſich von dem Alliirten nicht trennen wolle.
a) Dar-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0362"n="334"/><fwplace="top"type="header">Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.</fw><lb/>
Verbindlichkeit des Vertrages entgegen geſetzt werden koͤn-<lb/>
nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einſicht<lb/>
folget, ſo iſt nicht zu verwundern, wenn in einem ſo be-<lb/>
denklichen Punct ſo oft entweder die begehrte Theilnahme<lb/>
verweigert, oder aufgeſchoben, oder unvollſtaͤndig geleiſtet<lb/>
wird <hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>).</p><lb/><noteplace="end"n="a)"><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Moſer</hi> Verſuch</hi> B. <hirendition="#aq">X.</hi> Th. <hirendition="#aq">I.</hi> S. 43.</note></div><lb/><divn="3"><head>§. 295.<lb/><hirendition="#fr">Von Alliirten in einem <choice><sic>gemeinſchaftiichen</sic><corr>gemeinſchaftlichen</corr></choice> Kriege</hi>.</head><lb/><p>In gemeinſchaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen<lb/>
einen dritten Staat ſind jene, in dem was den Krieg be-<lb/>
trifft, als eine <hirendition="#fr">Macht</hi> zu beurtheilen, es ſey von Fuͤhrung<lb/>
des Kriegs, oder von Schlieſſung des Friedens die Rede. Da-<lb/>
her muͤſſen ſie 1) die Operationsplane gemeinſchaftlich ver-<lb/>
abreden <hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>), es ſey daß ſie einen gemeinſchaftlichen Ober-<lb/>
befehlshaber erwaͤhlen oder nicht 2) Beute und Eroberun-<lb/>
gen die mit gemeinſchaftlichen Waffen gemacht worden ſind<lb/>
unter ihnen zu theilen, und bey Schlieſſung eines Friedens<lb/>
zum Vortheil beider in Anſchlag zu bringen <hirendition="#i"><hirendition="#aq">b</hi></hi>); 3) das<lb/><hirendition="#aq">ius poſtliminii</hi> hat in Wiedereroberungsfaͤllen unter ihnen<lb/>
gleichmaͤßig ſtatt <hirendition="#i"><hirendition="#aq">c</hi></hi>). 4) Kein Theil darf der Regel ſich<lb/>
einſeitig fuͤr neutral erklaͤren, allgemeinen Waffenſtillſtand<lb/>
oder Frieden ſchlieſſen, es waͤre denn, 1) daß ein wahrer<lb/>
Nothfall ihn zwaͤnge, oder 2) der Alliirte ſeinen Pflichten<lb/>
nicht nachgekommen waͤre, 3) der Zweck der Allianz gar<lb/>
nicht mehr zu erreichen ſtuͤnde, oder 4) der Alliirte einen<lb/>
billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei-<lb/>
gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt ſeyn, ſich mit<lb/>
dem bisher gemeinſchaftlichen Feinde gegen den Alliirten<lb/>
zu verbuͤnden.</p><lb/><p>Alle dieſe Pflichten flieſſen zwar ſchon aus der Natur<lb/>
der Allianz von ſelbſt, doch pflegt uͤberdieß in den Kriegs-<lb/>
buͤndniſſen ausdruͤcklich beſtimmt zu werden, daß man ſich<lb/>
von dem Alliirten nicht trennen wolle.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">a</hi></hi>) Dar-</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[334/0362]
Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
Verbindlichkeit des Vertrages entgegen geſetzt werden koͤn-
nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einſicht
folget, ſo iſt nicht zu verwundern, wenn in einem ſo be-
denklichen Punct ſo oft entweder die begehrte Theilnahme
verweigert, oder aufgeſchoben, oder unvollſtaͤndig geleiſtet
wird a).
a⁾ Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 43.
§. 295.
Von Alliirten in einem gemeinſchaftlichen Kriege.
In gemeinſchaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen
einen dritten Staat ſind jene, in dem was den Krieg be-
trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es ſey von Fuͤhrung
des Kriegs, oder von Schlieſſung des Friedens die Rede. Da-
her muͤſſen ſie 1) die Operationsplane gemeinſchaftlich ver-
abreden a), es ſey daß ſie einen gemeinſchaftlichen Ober-
befehlshaber erwaͤhlen oder nicht 2) Beute und Eroberun-
gen die mit gemeinſchaftlichen Waffen gemacht worden ſind
unter ihnen zu theilen, und bey Schlieſſung eines Friedens
zum Vortheil beider in Anſchlag zu bringen b); 3) das
ius poſtliminii hat in Wiedereroberungsfaͤllen unter ihnen
gleichmaͤßig ſtatt c). 4) Kein Theil darf der Regel ſich
einſeitig fuͤr neutral erklaͤren, allgemeinen Waffenſtillſtand
oder Frieden ſchlieſſen, es waͤre denn, 1) daß ein wahrer
Nothfall ihn zwaͤnge, oder 2) der Alliirte ſeinen Pflichten
nicht nachgekommen waͤre, 3) der Zweck der Allianz gar
nicht mehr zu erreichen ſtuͤnde, oder 4) der Alliirte einen
billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei-
gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt ſeyn, ſich mit
dem bisher gemeinſchaftlichen Feinde gegen den Alliirten
zu verbuͤnden.
Alle dieſe Pflichten flieſſen zwar ſchon aus der Natur
der Allianz von ſelbſt, doch pflegt uͤberdieß in den Kriegs-
buͤndniſſen ausdruͤcklich beſtimmt zu werden, daß man ſich
von dem Alliirten nicht trennen wolle.
a) Dar-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/362>, abgerufen am 05.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.