Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Gegenseitige Rechte während des Krieges.
§. 277.
Von Erwerbung des Eigenthums über feindliche Güter.

Der Krieg hemmt die Wirkungen des Eigenthums
zwischen den kriegführenden Mächten, aber nicht zwischen
diesen und dritten Mächten. Daher kann zwar der krieg-
führende Theil sich des Eigenthums seines Feindes so wie
herrnloser Güter bemächtigen, und damit nach seinem Gut-
finden schalten, aber dadurch erlischt noch das Eigenthum
des ersten Besitzers nicht, so lange er noch nicht ausdrück-
lich oder stillschweigend darauf Verzicht geleistet, oder alle
Hoffnung verloren hat es wieder zu erlangen. Daher kann
er nicht nur diese Güter dem Eroberer wieder entreißen
(welches er könnte, falls auch dieser ausschließlichen Eigen-
thümer geworden wäre) sondern er ist selbst berechtiget bey
erfolgter Veräußerung sie aus den Händen eines jeden
dritten Besitzers zurück zu fordern, und sie diesem zu ent-
reißen a).

Dieser Grundsatz ist auch anerkannt in Hinsicht der
Eroberung unbeweglicher Güter b). Aber in Ansehung
der Beute gemachten feindlichen Gütern ist in Landkriegen
der Grundsatz eingeführet, daß wenn sie 24 Stunden in
Feindes Händen gewesen, sie von einem dritten gültig er-
kauft werden können, ohne daß eine Zurückforderung Platz
greise c).

In Seekriegen ist der alte Grundsatz des römischen
Rechts d) und des Consulats der See e), daß der Feind
dann Eigenthümer seiner rechtmäßigen Beute werde wenn
er sie in Sicherheit (z. B. in einen Hafen oder mitten
unter einer Flotte) gebracht, zwar noch von einigen Völ-
kern beybehalten, weit häufiger aber der Grundsatz ange-
nommen, daß er es dann werde, wenn er sie 24 Stunden
in seinen Händen gehabt f).

a) Grotius L. II. c. VII. §. 2. Puffendorf L. IV. c. VI. §. 12. 14.
Vattel L. III. cap. 9. 13. 24. m. Essai concernans les armateurs
Chap. III.
§. 42-45.

b) Meer-
Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
§. 277.
Von Erwerbung des Eigenthums uͤber feindliche Guͤter.

Der Krieg hemmt die Wirkungen des Eigenthums
zwiſchen den kriegfuͤhrenden Maͤchten, aber nicht zwiſchen
dieſen und dritten Maͤchten. Daher kann zwar der krieg-
fuͤhrende Theil ſich des Eigenthums ſeines Feindes ſo wie
herrnloſer Guͤter bemaͤchtigen, und damit nach ſeinem Gut-
finden ſchalten, aber dadurch erliſcht noch das Eigenthum
des erſten Beſitzers nicht, ſo lange er noch nicht ausdruͤck-
lich oder ſtillſchweigend darauf Verzicht geleiſtet, oder alle
Hoffnung verloren hat es wieder zu erlangen. Daher kann
er nicht nur dieſe Guͤter dem Eroberer wieder entreißen
(welches er koͤnnte, falls auch dieſer ausſchließlichen Eigen-
thuͤmer geworden waͤre) ſondern er iſt ſelbſt berechtiget bey
erfolgter Veraͤußerung ſie aus den Haͤnden eines jeden
dritten Beſitzers zuruͤck zu fordern, und ſie dieſem zu ent-
reißen a).

Dieſer Grundſatz iſt auch anerkannt in Hinſicht der
Eroberung unbeweglicher Guͤter b). Aber in Anſehung
der Beute gemachten feindlichen Guͤtern iſt in Landkriegen
der Grundſatz eingefuͤhret, daß wenn ſie 24 Stunden in
Feindes Haͤnden geweſen, ſie von einem dritten guͤltig er-
kauft werden koͤnnen, ohne daß eine Zuruͤckforderung Platz
greiſe c).

In Seekriegen iſt der alte Grundſatz des roͤmiſchen
Rechts d) und des Conſulats der See e), daß der Feind
dann Eigenthuͤmer ſeiner rechtmaͤßigen Beute werde wenn
er ſie in Sicherheit (z. B. in einen Hafen oder mitten
unter einer Flotte) gebracht, zwar noch von einigen Voͤl-
kern beybehalten, weit haͤufiger aber der Grundſatz ange-
nommen, daß er es dann werde, wenn er ſie 24 Stunden
in ſeinen Haͤnden gehabt f).

a) Grotius L. II. c. VII. §. 2. Puffendorf L. IV. c. VI. §. 12. 14.
Vattel L. III. cap. 9. 13. 24. m. Eſſai concernans les armateurs
Chap. III.
§. 42-45.

b) Meer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0345" n="317"/>
          <fw place="top" type="header">Gegen&#x017F;eitige Rechte wa&#x0364;hrend des Krieges.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 277.<lb/><hi rendition="#fr">Von Erwerbung des Eigenthums u&#x0364;ber feindliche Gu&#x0364;ter</hi>.</head><lb/>
            <p>Der Krieg hemmt die Wirkungen des Eigenthums<lb/>
zwi&#x017F;chen den kriegfu&#x0364;hrenden Ma&#x0364;chten, aber nicht zwi&#x017F;chen<lb/>
die&#x017F;en und dritten Ma&#x0364;chten. Daher kann zwar der krieg-<lb/>
fu&#x0364;hrende Theil &#x017F;ich des Eigenthums &#x017F;eines Feindes &#x017F;o wie<lb/>
herrnlo&#x017F;er Gu&#x0364;ter bema&#x0364;chtigen, und damit nach &#x017F;einem Gut-<lb/>
finden &#x017F;chalten, aber dadurch erli&#x017F;cht noch das Eigenthum<lb/>
des er&#x017F;ten Be&#x017F;itzers nicht, &#x017F;o lange er noch nicht ausdru&#x0364;ck-<lb/>
lich oder &#x017F;till&#x017F;chweigend darauf Verzicht gelei&#x017F;tet, oder alle<lb/>
Hoffnung verloren hat es wieder zu erlangen. Daher kann<lb/>
er nicht nur die&#x017F;e Gu&#x0364;ter dem Eroberer wieder entreißen<lb/>
(welches er ko&#x0364;nnte, falls auch die&#x017F;er aus&#x017F;chließlichen Eigen-<lb/>
thu&#x0364;mer geworden wa&#x0364;re) &#x017F;ondern er i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t berechtiget bey<lb/>
erfolgter Vera&#x0364;ußerung &#x017F;ie aus den Ha&#x0364;nden eines jeden<lb/>
dritten Be&#x017F;itzers zuru&#x0364;ck zu fordern, und &#x017F;ie die&#x017F;em zu ent-<lb/>
reißen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Grund&#x017F;atz i&#x017F;t auch anerkannt in <hi rendition="#fr">Hin&#x017F;icht</hi> der<lb/>
Eroberung unbeweglicher Gu&#x0364;ter <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>). Aber in An&#x017F;ehung<lb/>
der Beute gemachten feindlichen Gu&#x0364;tern i&#x017F;t in Landkriegen<lb/>
der Grund&#x017F;atz eingefu&#x0364;hret, daß wenn &#x017F;ie 24 Stunden in<lb/>
Feindes Ha&#x0364;nden gewe&#x017F;en, &#x017F;ie von einem dritten gu&#x0364;ltig er-<lb/>
kauft werden ko&#x0364;nnen, ohne daß eine Zuru&#x0364;ckforderung Platz<lb/>
grei&#x017F;e <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>).</p><lb/>
            <p>In Seekriegen i&#x017F;t der alte Grund&#x017F;atz des ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Rechts <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">d</hi></hi>) und des Con&#x017F;ulats der See <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">e</hi></hi>), daß der Feind<lb/>
dann Eigenthu&#x0364;mer &#x017F;einer rechtma&#x0364;ßigen Beute werde wenn<lb/>
er &#x017F;ie in Sicherheit (z. B. in einen Hafen oder mitten<lb/>
unter einer Flotte) gebracht, zwar noch von einigen Vo&#x0364;l-<lb/>
kern beybehalten, weit ha&#x0364;ufiger aber der Grund&#x017F;atz ange-<lb/>
nommen, daß er es dann werde, wenn <hi rendition="#fr">er &#x017F;ie 24 Stunden</hi><lb/>
in &#x017F;einen Ha&#x0364;nden gehabt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">f</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Grotius</hi> L. II. c. VII. §. 2. <hi rendition="#k">Puffendorf</hi> L. IV. c. VI. §. 12. 14.<lb/><hi rendition="#k">Vattel</hi> L. III. cap. 9. 13. 24. m. <hi rendition="#i">E&#x017F;&#x017F;ai concernans les armateurs</hi><lb/>
Chap. III.</hi> §. 42-45.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>) <hi rendition="#fr">Meer-</hi></fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0345] Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges. §. 277. Von Erwerbung des Eigenthums uͤber feindliche Guͤter. Der Krieg hemmt die Wirkungen des Eigenthums zwiſchen den kriegfuͤhrenden Maͤchten, aber nicht zwiſchen dieſen und dritten Maͤchten. Daher kann zwar der krieg- fuͤhrende Theil ſich des Eigenthums ſeines Feindes ſo wie herrnloſer Guͤter bemaͤchtigen, und damit nach ſeinem Gut- finden ſchalten, aber dadurch erliſcht noch das Eigenthum des erſten Beſitzers nicht, ſo lange er noch nicht ausdruͤck- lich oder ſtillſchweigend darauf Verzicht geleiſtet, oder alle Hoffnung verloren hat es wieder zu erlangen. Daher kann er nicht nur dieſe Guͤter dem Eroberer wieder entreißen (welches er koͤnnte, falls auch dieſer ausſchließlichen Eigen- thuͤmer geworden waͤre) ſondern er iſt ſelbſt berechtiget bey erfolgter Veraͤußerung ſie aus den Haͤnden eines jeden dritten Beſitzers zuruͤck zu fordern, und ſie dieſem zu ent- reißen a). Dieſer Grundſatz iſt auch anerkannt in Hinſicht der Eroberung unbeweglicher Guͤter b). Aber in Anſehung der Beute gemachten feindlichen Guͤtern iſt in Landkriegen der Grundſatz eingefuͤhret, daß wenn ſie 24 Stunden in Feindes Haͤnden geweſen, ſie von einem dritten guͤltig er- kauft werden koͤnnen, ohne daß eine Zuruͤckforderung Platz greiſe c). In Seekriegen iſt der alte Grundſatz des roͤmiſchen Rechts d) und des Conſulats der See e), daß der Feind dann Eigenthuͤmer ſeiner rechtmaͤßigen Beute werde wenn er ſie in Sicherheit (z. B. in einen Hafen oder mitten unter einer Flotte) gebracht, zwar noch von einigen Voͤl- kern beybehalten, weit haͤufiger aber der Grundſatz ange- nommen, daß er es dann werde, wenn er ſie 24 Stunden in ſeinen Haͤnden gehabt f). a⁾ Grotius L. II. c. VII. §. 2. Puffendorf L. IV. c. VI. §. 12. 14. Vattel L. III. cap. 9. 13. 24. m. Eſſai concernans les armateurs Chap. III. §. 42-45. b) Meer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/345
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/345>, abgerufen am 03.12.2024.