Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Einleitung. tröge festsetzten, deren Inbegriff dann einen Codex einesallgemeinen positiven europäischen Völkerrechts ausmachen würde. Aber weder die ehemahligen Concilien, noch das zernichtete Project einer allgemeinen europäischen Völker- republik haben je auch nur einen, von den mehresten euro- päischen Völkern eingegangenen, Vertrag hervorgebracht; in dem Sinne existirt also kein allgemeines europäisches Völkerrecht, und wird vermuthlich nie eines entstehn. Auf der andern Seite ist unläugbar, daß das, was trags-
Einleitung. troͤge feſtſetzten, deren Inbegriff dann einen Codex einesallgemeinen poſitiven europaͤiſchen Voͤlkerrechts ausmachen wuͤrde. Aber weder die ehemahligen Concilien, noch das zernichtete Project einer allgemeinen europaͤiſchen Voͤlker- republik haben je auch nur einen, von den mehreſten euro- paͤiſchen Voͤlkern eingegangenen, Vertrag hervorgebracht; in dem Sinne exiſtirt alſo kein allgemeines europaͤiſches Voͤlkerrecht, und wird vermuthlich nie eines entſtehn. Auf der andern Seite iſt unlaͤugbar, daß das, was trags-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="4"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> troͤge feſtſetzten, deren Inbegriff dann einen Codex eines<lb/> allgemeinen poſitiven europaͤiſchen Voͤlkerrechts ausmachen<lb/> wuͤrde. Aber weder die ehemahligen Concilien, noch das<lb/> zernichtete Project einer allgemeinen europaͤiſchen Voͤlker-<lb/> republik haben je auch nur einen, von den mehreſten euro-<lb/> paͤiſchen Voͤlkern eingegangenen, Vertrag hervorgebracht;<lb/> in dem Sinne exiſtirt alſo kein allgemeines europaͤiſches<lb/> Voͤlkerrecht, und wird vermuthlich nie eines entſtehn.</p><lb/> <p>Auf der andern Seite iſt unlaͤugbar, daß das, was<lb/> von zweyen oder mehreren Voͤlkern durch Vertraͤge oder<lb/> Gewohnheit eingefuͤhrt worden, an ſich <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>) die uͤbrigen nicht<lb/> binden koͤnne; daß auch von keinem Puncte behauptet werden<lb/> moͤge, daß er von jeder europaͤiſchen Macht in ihren ein-<lb/> zelnen Verhaͤltniſſen gegen jede der uͤbrigen ſo gleichfoͤr-<lb/> mig feſtgeſetzt ſey, daß dieſe einzelnen zuſammen genom-<lb/> menen Vertraͤge voͤllig die Stelle eines allgemeinen Ver-<lb/> trags vertreten <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>). Indeß 1) wenn man die einzelnen<lb/> Vertraͤge der europaͤiſchen Maͤchte mit einander vergleicht,<lb/> ſo laſſen ſich Puncte angeben, die faſt von allen den<lb/> Maͤchten, welche Vertraͤge daruͤber errichtet haben, im<lb/> weſentlichen gleichfoͤrmig beſtimmt ſind. 2) Eben dieſes<lb/> gilt von vielen in einzelnen Verhaͤltniſſen beſtehenden Ce-<lb/> remonial- und andern Gebraͤuchen. 3) Gewohnheitsrechte,<lb/> die einmahl von den mehreſten der groͤßeren europaͤiſchen<lb/> Maͤchte eingefuͤhrt worden ſind, und nicht etwa ihren be-<lb/> ſonderen Grund in der Verfaſſung derſelben haben, wer-<lb/> den nicht nur leicht von den uͤbrigen, inſonderheit den<lb/> mittleren und kleinen Staaten, ſo weit ſie auf ſie paſſen,<lb/> angenommen und nachgeahmt, ſondern man ſieht auch<lb/> 4) aus den eigenen Aeußerungen und dem Betragen der<lb/> europaͤiſchen Maͤchte, daß ſie dem in Europa hergebrachten<lb/> Gewohnheitsrechte ſelbſt dann einige Kraft beylegen, wenn<lb/> man auch nicht zeigen koͤnnte, daß in jedem individuellen<lb/> Verhaͤltniß gegen ſie die Gewohnheit ſchon bisher beſtanden<lb/> habe. Und wenn ſich gleich nicht eben dieſes von den Ver-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">trags-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0032]
Einleitung.
troͤge feſtſetzten, deren Inbegriff dann einen Codex eines
allgemeinen poſitiven europaͤiſchen Voͤlkerrechts ausmachen
wuͤrde. Aber weder die ehemahligen Concilien, noch das
zernichtete Project einer allgemeinen europaͤiſchen Voͤlker-
republik haben je auch nur einen, von den mehreſten euro-
paͤiſchen Voͤlkern eingegangenen, Vertrag hervorgebracht;
in dem Sinne exiſtirt alſo kein allgemeines europaͤiſches
Voͤlkerrecht, und wird vermuthlich nie eines entſtehn.
Auf der andern Seite iſt unlaͤugbar, daß das, was
von zweyen oder mehreren Voͤlkern durch Vertraͤge oder
Gewohnheit eingefuͤhrt worden, an ſich a) die uͤbrigen nicht
binden koͤnne; daß auch von keinem Puncte behauptet werden
moͤge, daß er von jeder europaͤiſchen Macht in ihren ein-
zelnen Verhaͤltniſſen gegen jede der uͤbrigen ſo gleichfoͤr-
mig feſtgeſetzt ſey, daß dieſe einzelnen zuſammen genom-
menen Vertraͤge voͤllig die Stelle eines allgemeinen Ver-
trags vertreten b). Indeß 1) wenn man die einzelnen
Vertraͤge der europaͤiſchen Maͤchte mit einander vergleicht,
ſo laſſen ſich Puncte angeben, die faſt von allen den
Maͤchten, welche Vertraͤge daruͤber errichtet haben, im
weſentlichen gleichfoͤrmig beſtimmt ſind. 2) Eben dieſes
gilt von vielen in einzelnen Verhaͤltniſſen beſtehenden Ce-
remonial- und andern Gebraͤuchen. 3) Gewohnheitsrechte,
die einmahl von den mehreſten der groͤßeren europaͤiſchen
Maͤchte eingefuͤhrt worden ſind, und nicht etwa ihren be-
ſonderen Grund in der Verfaſſung derſelben haben, wer-
den nicht nur leicht von den uͤbrigen, inſonderheit den
mittleren und kleinen Staaten, ſo weit ſie auf ſie paſſen,
angenommen und nachgeahmt, ſondern man ſieht auch
4) aus den eigenen Aeußerungen und dem Betragen der
europaͤiſchen Maͤchte, daß ſie dem in Europa hergebrachten
Gewohnheitsrechte ſelbſt dann einige Kraft beylegen, wenn
man auch nicht zeigen koͤnnte, daß in jedem individuellen
Verhaͤltniß gegen ſie die Gewohnheit ſchon bisher beſtanden
habe. Und wenn ſich gleich nicht eben dieſes von den Ver-
trags-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |