Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Einleitung. §. 2. Positives Völkerrecht einzelner Völker. Sobald zwey Völker mit einander in Verkehr tre- a) Einige nennen dieses das auswärtige Staatsrecht; ein nicht unpassender Ausdruck, wenn man dabey nur nicht vergißt, daß es nicht, wie das eigentliche Staatsrecht, auf Grundgesetze und Grund- herkommen, sondern auf ächte Quellen des Völkerrechts beruhe. b) Der Unterschied, der im positiven bürgerlichen Rechte zwischen Her- kommen und Gewohnheit gemacht wird, paßt auf das Völkerrecht nicht, daher hier und im folgenden diese Ausdrücke gleichförmig gebraucht werden. Aber zwischen einem bloßen Herkommen oder Gewohnheit, und einem stillschweigenden Vertrag ist ein wesent- licher Unterschied, der aus dem folgenden erhellen wird. §. 3. Positives europäische Völkerrecht. Gebenkbar wäre es wohl, daß mehr als zwey Völ- träge A 2
Einleitung. §. 2. Poſitives Voͤlkerrecht einzelner Voͤlker. Sobald zwey Voͤlker mit einander in Verkehr tre- a) Einige nennen dieſes das auswaͤrtige Staatsrecht; ein nicht unpaſſender Ausdruck, wenn man dabey nur nicht vergißt, daß es nicht, wie das eigentliche Staatsrecht, auf Grundgeſetze und Grund- herkommen, ſondern auf aͤchte Quellen des Voͤlkerrechts beruhe. b) Der Unterſchied, der im poſitiven buͤrgerlichen Rechte zwiſchen Her- kommen und Gewohnheit gemacht wird, paßt auf das Voͤlkerrecht nicht, daher hier und im folgenden dieſe Ausdruͤcke gleichfoͤrmig gebraucht werden. Aber zwiſchen einem bloßen Herkommen oder Gewohnheit, und einem ſtillſchweigenden Vertrag iſt ein weſent- licher Unterſchied, der aus dem folgenden erhellen wird. §. 3. Poſitives europaͤiſche Voͤlkerrecht. Gebenkbar waͤre es wohl, daß mehr als zwey Voͤl- traͤge A 2
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Einleitung.
§. 2.
Poſitives Voͤlkerrecht einzelner Voͤlker.
Sobald zwey Voͤlker mit einander in Verkehr tre-
ten, ſo reicht das natuͤrliche Voͤlkerrecht allein nicht mehr
hin, um ihre Rechte zu beſtimmen. Sie ſehen ſich veran-
laßt in manchen Puncten von der Strenge des natuͤrlichen
Zwangsrechts etwas nachzulaſſen, das was das Naturrecht
unbeſtimmt ließ zu beſtimmen, oft ſelbſt mit Abweichung
von dem natuͤrlichen Rechte der Gleichheit eines dem andern
Rechte einzuraͤumen, welche ihm von dieſem nicht wieder
gewaͤhret werden. Aus dem Inbegriff dieſer Beſtimmun-
gen entſteht im Gegenſatz des natuͤrlichen, allgemeinen und
nothwendigen Voͤlkerrechts, ein poſitives, beſonderes, will-
kuͤhrliches Voͤlkerrecht dieſer beyden Voͤlker a). Man theilt
es wiederum in das Vertragsrecht, das auf ausdruͤckliche
oder ſtillſchweigende Vertraͤge, und in das Gewohnheits-
voͤlkerrecht, das auf Herkommen oder Gewohnheit b) beru-
het. In dieſem Sinn hat jedes Volk in ſeinem Verhaͤlt-
niſſe mit jedem der uͤbrigen Voͤlker, die mit ihm Verkehr trei-
ben, ſein eigenes Voͤlkerrecht (auswaͤrtige Staatenrecht).
a⁾ Einige nennen dieſes das auswaͤrtige Staatsrecht; ein nicht
unpaſſender Ausdruck, wenn man dabey nur nicht vergißt, daß es
nicht, wie das eigentliche Staatsrecht, auf Grundgeſetze und Grund-
herkommen, ſondern auf aͤchte Quellen des Voͤlkerrechts beruhe.
b⁾ Der Unterſchied, der im poſitiven buͤrgerlichen Rechte zwiſchen Her-
kommen und Gewohnheit gemacht wird, paßt auf das Voͤlkerrecht
nicht, daher hier und im folgenden dieſe Ausdruͤcke gleichfoͤrmig
gebraucht werden. Aber zwiſchen einem bloßen Herkommen oder
Gewohnheit, und einem ſtillſchweigenden Vertrag iſt ein weſent-
licher Unterſchied, der aus dem folgenden erhellen wird.
§. 3.
Poſitives europaͤiſche Voͤlkerrecht.
Gebenkbar waͤre es wohl, daß mehr als zwey Voͤl-
ker, daß z. B. ſelbſt alle europaͤiſche Voͤlker zuſammen-
traͤten und ihre gegenſeitigen Rechte durch allgemeine Ver-
traͤge
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