Die Zurückberufung oder der Rappel des Gesandten endiget die Gesandschaft, wenigstens von dem Augenblick an, wo das Rappelschreiben übergeben worden. Diese Zurück- berufung erfolget: 1) wenn der Zweck der Sendung erreicht oder vereitelt ist, 2) aus Privat-Ursachen die auf das Ver- hältniß der Höfe keinen Einfluß haben; 3) wegen entstande- nen Mißverständnisses, wenn entweder der Hof die Zurück- berufung des bey ihm residirenden Gesandten begehrt, oder der sendende Hof über Verletzung des Völkerrechts sich be- schwert, oder Retorsion a) übt, oder die entstandenen Miß- helligkeiten einen Bruch veranlassen oder besorgen lassen. In den beiden ersten Fällen muß der Gesandte, wenn er anwe- send ist, erst um eine öffentliche oder Privat-Abschiedsau- dienz bitten in welcher er sein Rappelschreiben überreicht und seine Abschiedsrede hält b), nach welcher er, wenn nicht neue Creditive erfolgen, kein Staatsgeschäft mehr führen kann. Ist der Gesandte abwesend, so kann er schriftlich mit Beyfügung seines Rappelschreibens Abschied nehmen. In beiden Fällen erhält er ein Recreditiv, die gewöhnlichen oder außerordentlichen Geschenke c), da wo überhaupt Ge- schenke hergebracht sind d), und endlich die nöthigen Pässe. Hierauf macht der Gesandte seine Abschiedsvisiten, bekommt die Gegenvisiten und reiset sodenn ab. Wird der Gesandte wegen entstandenen Mißverständnisses abberufen, so hängt es von Umständen ab, ob er ein Rappelschreiben bekommt und zu einer Abschiedsaudienz zugelassen wird, auch die ge- wöhnlichen Geschenke angeboten und angenommen werden.
a) Z. B. auch wenn man sich beschweret daß der Hof seinen Gesand- ten ohne Grund rappellirt habe Adelung Staatshistorie Th. VI. S. 331.
b) Ist der neue Gesandte schon angekommen, oder der Legationsse- cretär wird inzwischen zum Geschäftsträger bestellt, so pflegt der abgehende Gesandte in seiner Abschiedsaudienz diese dem Hofe vorzustellen.
c) Ob
Siebentes Buch. Zehntes Hauptſtuͤck.
§. 236. 2) Rappel.
Die Zuruͤckberufung oder der Rappel des Geſandten endiget die Geſandſchaft, wenigſtens von dem Augenblick an, wo das Rappelſchreiben uͤbergeben worden. Dieſe Zuruͤck- berufung erfolget: 1) wenn der Zweck der Sendung erreicht oder vereitelt iſt, 2) aus Privat-Urſachen die auf das Ver- haͤltniß der Hoͤfe keinen Einfluß haben; 3) wegen entſtande- nen Mißverſtaͤndniſſes, wenn entweder der Hof die Zuruͤck- berufung des bey ihm reſidirenden Geſandten begehrt, oder der ſendende Hof uͤber Verletzung des Voͤlkerrechts ſich be- ſchwert, oder Retorſion a) uͤbt, oder die entſtandenen Miß- helligkeiten einen Bruch veranlaſſen oder beſorgen laſſen. In den beiden erſten Faͤllen muß der Geſandte, wenn er anwe- ſend iſt, erſt um eine oͤffentliche oder Privat-Abſchiedsau- dienz bitten in welcher er ſein Rappelſchreiben uͤberreicht und ſeine Abſchiedsrede haͤlt b), nach welcher er, wenn nicht neue Creditive erfolgen, kein Staatsgeſchaͤft mehr fuͤhren kann. Iſt der Geſandte abweſend, ſo kann er ſchriftlich mit Beyfuͤgung ſeines Rappelſchreibens Abſchied nehmen. In beiden Faͤllen erhaͤlt er ein Recreditiv, die gewoͤhnlichen oder außerordentlichen Geſchenke c), da wo uͤberhaupt Ge- ſchenke hergebracht ſind d), und endlich die noͤthigen Paͤſſe. Hierauf macht der Geſandte ſeine Abſchiedsviſiten, bekommt die Gegenviſiten und reiſet ſodenn ab. Wird der Geſandte wegen entſtandenen Mißverſtaͤndniſſes abberufen, ſo haͤngt es von Umſtaͤnden ab, ob er ein Rappelſchreiben bekommt und zu einer Abſchiedsaudienz zugelaſſen wird, auch die ge- woͤhnlichen Geſchenke angeboten und angenommen werden.
a) Z. B. auch wenn man ſich beſchweret daß der Hof ſeinen Geſand- ten ohne Grund rappellirt habe Adelung Staatshiſtorie Th. VI. S. 331.
b) Iſt der neue Geſandte ſchon angekommen, oder der Legationsſe- cretaͤr wird inzwiſchen zum Geſchaͤftstraͤger beſtellt, ſo pflegt der abgehende Geſandte in ſeiner Abſchiedsaudienz dieſe dem Hofe vorzuſtellen.
c) Ob
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Siebentes Buch. Zehntes Hauptſtuͤck.
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Die Zuruͤckberufung oder der Rappel des Geſandten
endiget die Geſandſchaft, wenigſtens von dem Augenblick an,
wo das Rappelſchreiben uͤbergeben worden. Dieſe Zuruͤck-
berufung erfolget: 1) wenn der Zweck der Sendung erreicht
oder vereitelt iſt, 2) aus Privat-Urſachen die auf das Ver-
haͤltniß der Hoͤfe keinen Einfluß haben; 3) wegen entſtande-
nen Mißverſtaͤndniſſes, wenn entweder der Hof die Zuruͤck-
berufung des bey ihm reſidirenden Geſandten begehrt, oder
der ſendende Hof uͤber Verletzung des Voͤlkerrechts ſich be-
ſchwert, oder Retorſion a) uͤbt, oder die entſtandenen Miß-
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den beiden erſten Faͤllen muß der Geſandte, wenn er anwe-
ſend iſt, erſt um eine oͤffentliche oder Privat-Abſchiedsau-
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neue Creditive erfolgen, kein Staatsgeſchaͤft mehr fuͤhren
kann. Iſt der Geſandte abweſend, ſo kann er ſchriftlich
mit Beyfuͤgung ſeines Rappelſchreibens Abſchied nehmen.
In beiden Faͤllen erhaͤlt er ein Recreditiv, die gewoͤhnlichen
oder außerordentlichen Geſchenke c), da wo uͤberhaupt Ge-
ſchenke hergebracht ſind d), und endlich die noͤthigen Paͤſſe.
Hierauf macht der Geſandte ſeine Abſchiedsviſiten, bekommt
die Gegenviſiten und reiſet ſodenn ab. Wird der Geſandte
wegen entſtandenen Mißverſtaͤndniſſes abberufen, ſo haͤngt
es von Umſtaͤnden ab, ob er ein Rappelſchreiben bekommt
und zu einer Abſchiedsaudienz zugelaſſen wird, auch die ge-
woͤhnlichen Geſchenke angeboten und angenommen werden.
a⁾ Z. B. auch wenn man ſich beſchweret daß der Hof ſeinen Geſand-
ten ohne Grund rappellirt habe Adelung Staatshiſtorie
Th. VI. S. 331.
b⁾ Iſt der neue Geſandte ſchon angekommen, oder der Legationsſe-
cretaͤr wird inzwiſchen zum Geſchaͤftstraͤger beſtellt, ſo pflegt der
abgehende Geſandte in ſeiner Abſchiedsaudienz dieſe dem Hofe
vorzuſtellen.
c) Ob
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/306>, abgerufen am 01.03.2025.
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