Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Gesandschafts Gottesdienst.
§. 221.
Ob er in dem Herkommen gegründet.

Nach einem allgemeinen Herkommen hingegen, wel-
ches unter den christlichen Europäischen Staaten a) sich im
16ten Jahrhundert gebildet hat b), wird allen Gesandten der
ersten, zweyten und dritten Klasse c) von dem Staat bey
welchem sie residiren die Ausübung des iuris privatorum
sacrorum
dann eingeräumt, wenn 1) an dem Ort ihrer
Residenz weder öffentliche noch Privat Uebung d) ihrer Re-
ligion statt hat; 2) nicht schon ein Gesandter ihres Hofes e)
an dem Ort vorhanden ist, in dessen Kapelle sie ihren Got-
tesdienst halten könnten. Da es aber von dem Willen des
sendenden Hofes abhängt, ob er seinem Gesandten das Recht
dazu ertheilen, und den dazu erforderlichen beträchtlichen
Aufwand machen will, so ist nicht zu verwundern, daß man so
viele Gesandschaften, insonderheit der zweyten und dritten Klasse
antrifft, welche von diesem Recht keinen Gebrauch machen.

a) Auch die Türken und Africaner gestatten dieses Recht den Ge-
sandten und Consuln der christlichen Mächte, aber bey diesen
beruhet es auf ausdrückliche Verträge.
b) Späterhin ist dieses Recht zum Theil in den Gesetzen ausdrück-
lich anerkannt. S. z. B. für Dänemark V. vom 6. April 1676;
Leges Dan. Christ. V. L. VI. cap. I. art. 5. für Schweden Ver-
sicherungsacte der K. Ulr. Eleonora vom 21. Febr. 1719 und des
Prinzen Friedrich vom 22. März 1720. Modee Utdrag T. I.
p.
9. 135.
c) Ueber einen merkwürdigen Streit der zu Cöln in Ansehung des
Gottesdienstes des preußischen Residenten 1708 entstanden s. Fa-
ber
europ. Staatscanzley
T. XIV. p. 166. und 220; auch J.
H. Bohmer de priuatis legatorum sacris. Halae
1713. 1721. 4.
d) So konnte Kaiser Joseph II., nachdem er den Protestanten die
Privatübung ihrer Religion in Wien gestattet hatte, erklären, daß
nun der Gottesdienst in den Kapellen der protestantischen Gesand-
ten aufhören müsse.
e) Aber kein Gesandter kann genöthiget werden sich mit dem Got-
tesdienst in der Kapelle eines fremden Gesandten zu begnügen.

§. 222.
R 4
Geſandſchafts Gottesdienſt.
§. 221.
Ob er in dem Herkommen gegruͤndet.

Nach einem allgemeinen Herkommen hingegen, wel-
ches unter den chriſtlichen Europaͤiſchen Staaten a) ſich im
16ten Jahrhundert gebildet hat b), wird allen Geſandten der
erſten, zweyten und dritten Klaſſe c) von dem Staat bey
welchem ſie reſidiren die Ausuͤbung des iuris privatorum
ſacrorum
dann eingeraͤumt, wenn 1) an dem Ort ihrer
Reſidenz weder oͤffentliche noch Privat Uebung d) ihrer Re-
ligion ſtatt hat; 2) nicht ſchon ein Geſandter ihres Hofes e)
an dem Ort vorhanden iſt, in deſſen Kapelle ſie ihren Got-
tesdienſt halten koͤnnten. Da es aber von dem Willen des
ſendenden Hofes abhaͤngt, ob er ſeinem Geſandten das Recht
dazu ertheilen, und den dazu erforderlichen betraͤchtlichen
Aufwand machen will, ſo iſt nicht zu verwundern, daß man ſo
viele Geſandſchaften, inſonderheit der zweyten und dritten Klaſſe
antrifft, welche von dieſem Recht keinen Gebrauch machen.

a) Auch die Tuͤrken und Africaner geſtatten dieſes Recht den Ge-
ſandten und Conſuln der chriſtlichen Maͤchte, aber bey dieſen
beruhet es auf ausdruͤckliche Vertraͤge.
b) Spaͤterhin iſt dieſes Recht zum Theil in den Geſetzen ausdruͤck-
lich anerkannt. S. z. B. fuͤr Daͤnemark V. vom 6. April 1676;
Leges Dan. Chriſt. V. L. VI. cap. I. art. 5. fuͤr Schweden Ver-
ſicherungsacte der K. Ulr. Eleonora vom 21. Febr. 1719 und des
Prinzen Friedrich vom 22. Maͤrz 1720. Modèe Utdrag T. I.
p.
9. 135.
c) Ueber einen merkwuͤrdigen Streit der zu Coͤln in Anſehung des
Gottesdienſtes des preußiſchen Reſidenten 1708 entſtanden ſ. Fa-
ber
europ. Staatscanzley
T. XIV. p. 166. und 220; auch J.
H. Bohmer de priuatis legatorum ſacris. Halae
1713. 1721. 4.
d) So konnte Kaiſer Joſeph II., nachdem er den Proteſtanten die
Privatuͤbung ihrer Religion in Wien geſtattet hatte, erklaͤren, daß
nun der Gottesdienſt in den Kapellen der proteſtantiſchen Geſand-
ten aufhoͤren muͤſſe.
e) Aber kein Geſandter kann genoͤthiget werden ſich mit dem Got-
tesdienſt in der Kapelle eines fremden Geſandten zu begnuͤgen.

§. 222.
R 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0291" n="263"/>
          <fw place="top" type="header">Ge&#x017F;and&#x017F;chafts Gottesdien&#x017F;t.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 221.<lb/><hi rendition="#fr">Ob er in dem Herkommen gegru&#x0364;ndet.</hi></head><lb/>
            <p>Nach einem allgemeinen Herkommen hingegen, wel-<lb/>
ches unter den chri&#x017F;tlichen Europa&#x0364;i&#x017F;chen Staaten <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>) &#x017F;ich im<lb/>
16ten Jahrhundert gebildet hat <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>), wird allen Ge&#x017F;andten der<lb/>
er&#x017F;ten, zweyten und dritten Kla&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>) von dem Staat bey<lb/>
welchem &#x017F;ie re&#x017F;idiren die Ausu&#x0364;bung des <hi rendition="#aq">iuris privatorum<lb/>
&#x017F;acrorum</hi> dann eingera&#x0364;umt, wenn 1) an dem Ort ihrer<lb/>
Re&#x017F;idenz weder o&#x0364;ffentliche noch Privat Uebung <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">d</hi></hi>) ihrer Re-<lb/>
ligion &#x017F;tatt hat; 2) nicht &#x017F;chon ein Ge&#x017F;andter ihres Hofes <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">e</hi></hi>)<lb/>
an dem Ort vorhanden i&#x017F;t, in de&#x017F;&#x017F;en Kapelle &#x017F;ie ihren Got-<lb/>
tesdien&#x017F;t halten ko&#x0364;nnten. Da es aber von dem Willen des<lb/>
&#x017F;endenden Hofes abha&#x0364;ngt, ob er &#x017F;einem Ge&#x017F;andten das Recht<lb/>
dazu ertheilen, und den dazu erforderlichen betra&#x0364;chtlichen<lb/>
Aufwand machen will, &#x017F;o i&#x017F;t nicht zu verwundern, daß man &#x017F;o<lb/>
viele Ge&#x017F;and&#x017F;chaften, in&#x017F;onderheit der zweyten und dritten Kla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
antrifft, welche von die&#x017F;em Recht keinen Gebrauch machen.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">Auch die Tu&#x0364;rken und Africaner ge&#x017F;tatten die&#x017F;es Recht den Ge-<lb/>
&#x017F;andten und Con&#x017F;uln der chri&#x017F;tlichen Ma&#x0364;chte, aber bey die&#x017F;en<lb/>
beruhet es auf ausdru&#x0364;ckliche Vertra&#x0364;ge.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Spa&#x0364;terhin i&#x017F;t die&#x017F;es Recht zum Theil in den Ge&#x017F;etzen ausdru&#x0364;ck-<lb/>
lich anerkannt. S. z. B. fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Da&#x0364;nemark</hi> V. vom 6. April 1676;<lb/><hi rendition="#aq">Leges Dan. Chri&#x017F;t. V. L. VI. cap. I. art.</hi> 5. fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Schweden</hi> Ver-<lb/>
&#x017F;icherungsacte der K. Ulr. Eleonora vom 21. Febr. 1719 und des<lb/>
Prinzen Friedrich vom 22. Ma&#x0364;rz 1720. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Modèe</hi><hi rendition="#i">Utdrag</hi> T. I.<lb/>
p.</hi> 9. 135.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)">Ueber einen merkwu&#x0364;rdigen Streit der zu Co&#x0364;ln in An&#x017F;ehung des<lb/>
Gottesdien&#x017F;tes des preußi&#x017F;chen Re&#x017F;identen 1708 ent&#x017F;tanden &#x017F;. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Fa-<lb/>
ber</hi> europ. Staatscanzley</hi> <hi rendition="#aq">T. XIV. p.</hi> 166. und 220; auch <hi rendition="#aq">J.<lb/>
H. <hi rendition="#k">Bohmer</hi> <hi rendition="#i">de priuatis legatorum &#x017F;acris</hi>. Halae</hi> 1713. 1721. 4.</note><lb/>
            <note place="end" n="d)">So konnte Kai&#x017F;er Jo&#x017F;eph <hi rendition="#aq">II.</hi>, nachdem er den Prote&#x017F;tanten die<lb/>
Privatu&#x0364;bung ihrer Religion in Wien ge&#x017F;tattet hatte, erkla&#x0364;ren, daß<lb/>
nun der Gottesdien&#x017F;t in den Kapellen der prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Ge&#x017F;and-<lb/>
ten aufho&#x0364;ren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</note><lb/>
            <note place="end" n="e)">Aber kein Ge&#x017F;andter kann geno&#x0364;thiget werden &#x017F;ich mit dem Got-<lb/>
tesdien&#x017F;t in der Kapelle eines fremden Ge&#x017F;andten zu begnu&#x0364;gen.</note>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">R 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 222.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0291] Geſandſchafts Gottesdienſt. §. 221. Ob er in dem Herkommen gegruͤndet. Nach einem allgemeinen Herkommen hingegen, wel- ches unter den chriſtlichen Europaͤiſchen Staaten a) ſich im 16ten Jahrhundert gebildet hat b), wird allen Geſandten der erſten, zweyten und dritten Klaſſe c) von dem Staat bey welchem ſie reſidiren die Ausuͤbung des iuris privatorum ſacrorum dann eingeraͤumt, wenn 1) an dem Ort ihrer Reſidenz weder oͤffentliche noch Privat Uebung d) ihrer Re- ligion ſtatt hat; 2) nicht ſchon ein Geſandter ihres Hofes e) an dem Ort vorhanden iſt, in deſſen Kapelle ſie ihren Got- tesdienſt halten koͤnnten. Da es aber von dem Willen des ſendenden Hofes abhaͤngt, ob er ſeinem Geſandten das Recht dazu ertheilen, und den dazu erforderlichen betraͤchtlichen Aufwand machen will, ſo iſt nicht zu verwundern, daß man ſo viele Geſandſchaften, inſonderheit der zweyten und dritten Klaſſe antrifft, welche von dieſem Recht keinen Gebrauch machen. a⁾ Auch die Tuͤrken und Africaner geſtatten dieſes Recht den Ge- ſandten und Conſuln der chriſtlichen Maͤchte, aber bey dieſen beruhet es auf ausdruͤckliche Vertraͤge. b⁾ Spaͤterhin iſt dieſes Recht zum Theil in den Geſetzen ausdruͤck- lich anerkannt. S. z. B. fuͤr Daͤnemark V. vom 6. April 1676; Leges Dan. Chriſt. V. L. VI. cap. I. art. 5. fuͤr Schweden Ver- ſicherungsacte der K. Ulr. Eleonora vom 21. Febr. 1719 und des Prinzen Friedrich vom 22. Maͤrz 1720. Modèe Utdrag T. I. p. 9. 135. c⁾ Ueber einen merkwuͤrdigen Streit der zu Coͤln in Anſehung des Gottesdienſtes des preußiſchen Reſidenten 1708 entſtanden ſ. Fa- ber europ. Staatscanzley T. XIV. p. 166. und 220; auch J. H. Bohmer de priuatis legatorum ſacris. Halae 1713. 1721. 4. d⁾ So konnte Kaiſer Joſeph II., nachdem er den Proteſtanten die Privatuͤbung ihrer Religion in Wien geſtattet hatte, erklaͤren, daß nun der Gottesdienſt in den Kapellen der proteſtantiſchen Geſand- ten aufhoͤren muͤſſe. e⁾ Aber kein Geſandter kann genoͤthiget werden ſich mit dem Got- tesdienſt in der Kapelle eines fremden Geſandten zu begnuͤgen. §. 222. R 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/291
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/291>, abgerufen am 18.12.2024.