Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Rechte d. Völker in Ans. d. einzelnen Hoheitsrechte. Rechte, sowohl ihrer besondren Kirche und der Vorsteherderselben, als der Kirche überhaupt, gegen die übertriebenen Anmaaßungen der Päbste mit mehr oder weniger Nach- druck zu vertheidigen und zum Theil durch Concordate zu sichern gesucht. Insonderheit aber sind die unter so man- nigfaltigem Vorwande ehemahls versuchten päbstliche Ein- mischungen in weltliche Angelegenheiten der Völker unter einander, die unberufenen Entscheidungen, die angemaaß- ten Verschenkungen der Kronen, vor dem Glanze geläuter- ter Grundsätze des Staats- und Völkerrechts verschwunden, und die Bannstrahle des Vaticans entscheiden nicht mehr über die Schicksale der Völker. §. 109. Ob ein Volk seine Religion einem andern aufdringen dürfe. Da Kraft des iuris reformandi jeder Staat sich Aus eben diesen Gründen kann keine fremde Macht a) Da- J 3
Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte. Rechte, ſowohl ihrer beſondren Kirche und der Vorſteherderſelben, als der Kirche uͤberhaupt, gegen die uͤbertriebenen Anmaaßungen der Paͤbſte mit mehr oder weniger Nach- druck zu vertheidigen und zum Theil durch Concordate zu ſichern geſucht. Inſonderheit aber ſind die unter ſo man- nigfaltigem Vorwande ehemahls verſuchten paͤbſtliche Ein- miſchungen in weltliche Angelegenheiten der Voͤlker unter einander, die unberufenen Entſcheidungen, die angemaaß- ten Verſchenkungen der Kronen, vor dem Glanze gelaͤuter- ter Grundſaͤtze des Staats- und Voͤlkerrechts verſchwunden, und die Bannſtrahle des Vaticans entſcheiden nicht mehr uͤber die Schickſale der Voͤlker. §. 109. Ob ein Volk ſeine Religion einem andern aufdringen duͤrfe. Da Kraft des iuris reformandi jeder Staat ſich Aus eben dieſen Gruͤnden kann keine fremde Macht a) Da- J 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0161" n="133"/><fw place="top" type="header">Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.</fw><lb/> Rechte, ſowohl ihrer beſondren Kirche und der Vorſteher<lb/> derſelben, als der Kirche uͤberhaupt, gegen die uͤbertriebenen<lb/> Anmaaßungen der Paͤbſte mit mehr oder weniger Nach-<lb/> druck zu vertheidigen und zum Theil durch Concordate zu<lb/> ſichern geſucht. Inſonderheit aber ſind die unter ſo man-<lb/> nigfaltigem Vorwande ehemahls verſuchten paͤbſtliche Ein-<lb/> miſchungen in weltliche Angelegenheiten der Voͤlker unter<lb/> einander, die unberufenen Entſcheidungen, die angemaaß-<lb/> ten Verſchenkungen der Kronen, vor dem Glanze gelaͤuter-<lb/> ter Grundſaͤtze des Staats- und Voͤlkerrechts verſchwunden,<lb/> und die Bannſtrahle des Vaticans entſcheiden nicht mehr<lb/> uͤber die Schickſale der Voͤlker.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 109.<lb/><hi rendition="#fr">Ob ein Volk ſeine Religion einem andern aufdringen duͤrfe</hi>.</head><lb/> <p>Da Kraft des <hi rendition="#aq">iuris reformandi</hi> jeder Staat ſich<lb/> beſtimmen kann, ob er neben der Religion des Landes noch<lb/> anderen Duldung oder Uebung geſtatten will, ſo haben<lb/> fremde Maͤchte einer andern Religion außerhalb der Ver-<lb/> traͤge <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>) kein vollkommenes Recht fuͤr ihre Unterthanen<lb/> Freyheit ihrer Religionsuͤbung zu fordern. Blos der ein-<lb/> fache haͤußliche Gottesdienſt <hi rendition="#aq">(devotio domeſtica ſimplex)</hi><lb/> kann als ein Recht der natuͤrlichen Freyheit und als der<lb/> geringſte Grad der Duldung von jedem gefordert werden,<lb/> dem die Aufnahme verwilliget worden.</p><lb/> <p>Aus eben dieſen Gruͤnden kann keine fremde Macht<lb/> ohne Verletzung des Voͤlkerrechts ſich erlauben, ihre Re-<lb/> ligion wider Willen eines andren Staats in demſelben ein-<lb/> zufuͤhren; weder durch ohnehin dieſem Zweck ſchlecht ent-<lb/> ſprechende gewaltſame Mittel, noch durch heimliche Wege<lb/> unberufener Miſſionen. Auch die lebhafteſte Ueberzeugung<lb/> daß ihre Religion die vorzuͤglichere oder allein ſeeligma-<lb/> chende ſey, kann, bey der Gleichheit der Rechte der Voͤlker,<lb/> welche auch auf ihre Meinungen ſich erſireckt, ihr kein Be-<lb/> fugniß geben, mit Verletzung der offenbareſten Rechte eines<lb/> andern, ihm das, was ihr Wahrheit ſcheint, aufzudringen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 3</fw> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>) Da-</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0161]
Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
Rechte, ſowohl ihrer beſondren Kirche und der Vorſteher
derſelben, als der Kirche uͤberhaupt, gegen die uͤbertriebenen
Anmaaßungen der Paͤbſte mit mehr oder weniger Nach-
druck zu vertheidigen und zum Theil durch Concordate zu
ſichern geſucht. Inſonderheit aber ſind die unter ſo man-
nigfaltigem Vorwande ehemahls verſuchten paͤbſtliche Ein-
miſchungen in weltliche Angelegenheiten der Voͤlker unter
einander, die unberufenen Entſcheidungen, die angemaaß-
ten Verſchenkungen der Kronen, vor dem Glanze gelaͤuter-
ter Grundſaͤtze des Staats- und Voͤlkerrechts verſchwunden,
und die Bannſtrahle des Vaticans entſcheiden nicht mehr
uͤber die Schickſale der Voͤlker.
§. 109.
Ob ein Volk ſeine Religion einem andern aufdringen duͤrfe.
Da Kraft des iuris reformandi jeder Staat ſich
beſtimmen kann, ob er neben der Religion des Landes noch
anderen Duldung oder Uebung geſtatten will, ſo haben
fremde Maͤchte einer andern Religion außerhalb der Ver-
traͤge a) kein vollkommenes Recht fuͤr ihre Unterthanen
Freyheit ihrer Religionsuͤbung zu fordern. Blos der ein-
fache haͤußliche Gottesdienſt (devotio domeſtica ſimplex)
kann als ein Recht der natuͤrlichen Freyheit und als der
geringſte Grad der Duldung von jedem gefordert werden,
dem die Aufnahme verwilliget worden.
Aus eben dieſen Gruͤnden kann keine fremde Macht
ohne Verletzung des Voͤlkerrechts ſich erlauben, ihre Re-
ligion wider Willen eines andren Staats in demſelben ein-
zufuͤhren; weder durch ohnehin dieſem Zweck ſchlecht ent-
ſprechende gewaltſame Mittel, noch durch heimliche Wege
unberufener Miſſionen. Auch die lebhafteſte Ueberzeugung
daß ihre Religion die vorzuͤglichere oder allein ſeeligma-
chende ſey, kann, bey der Gleichheit der Rechte der Voͤlker,
welche auch auf ihre Meinungen ſich erſireckt, ihr kein Be-
fugniß geben, mit Verletzung der offenbareſten Rechte eines
andern, ihm das, was ihr Wahrheit ſcheint, aufzudringen.
a) Da-
J 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |